Schulen:Warum die Schülerprognosen oft falsch sind

Lesezeit: 3 min

Bei den Grundschulen ist es am kompliziertesten, die künftige Schülerzahl vorherzusagen. Leichter tun sich Gymnasien und Realschulen, da hier die Einteilung nicht nach Sprengeln und damit flexibler verläuft. (Foto: dpa)
  • An vielen Schulen in München reicht der Platz nicht aus - 15 000 Kinder mehr als noch vor einigen Jahren gehen in der Landeshauptstadt in die Schule.
  • Ganztages- und integrative Angebote brauchen zudem mehr Raum.
  • Die Prognosen sind schwierig zu treffen, vor allem für Grundschüler, die eigentlich in ihrem Sprengel in die Schule müssen.

Von Melanie Staudinger

Das erste Opfer war der Aufenthaltsraum. Dort ist in der Grundschule am Schererplatz nun eine Klasse untergebracht, wie Alf Zungenmaier vom Elternbeirat berichtet - obwohl das Zimmer eigentlich für die Ganztagsklassen gedacht war. "Eine andere Lösung gab es nicht", sagt Zungenmaier. Und auch die sei ziemlich kurzfristig gekommen. Platznot plagt nicht nur die Grundschule am Schererplatz: In Berg am Laim wird die zweitgrößte Grundschule Münchens gerade zur größten erweitert.

Ein Teil ihrer Schüler wird während der Bauarbeiten in einem blauen Schulcontainer unterrichtet, der am Sportplatz an der Josephsburgstraße steht. Stadtteilpolitiker der CSU fordern bereits jetzt, dass der Pavillon länger bleiben soll, bis 2022 endlich die dringend benötigte zusätzliche Grundschule eröffnet wird. Immerhin eine Perspektive. Die Klenzeschule zum Beispiel kämpft ständig mit zu wenig Platz. Schuld daran sind ihre Innenstadtlage und Beliebtheit.

Wunschschule in München
:Einschulung: Zu diesen Tricks greifen die Eltern

Die Vorgaben sind klar: Kinder müssen die Grundschule besuchen, die für ihre Heimatadresse zuständig ist. Allerdings passt diese Sprengelpflicht den Eltern oft nicht.

Von Melanie Staudinger

Drei Beispiele, die aus verschiedenen Gründen eines gemeinsam haben: Der Schulraum in München ist knapp, an vielen Einrichtungen wird es auch in diesem Schuljahr wieder eng. Ein Blick auf die aktuellen Schülerzahlen liefert einen ersten Hinweis, warum dies so ist: Während in anderen Regionen immer weniger Kinder leben, sind Münchens Schulen geradezu überlaufen. 101 675 Schüler besuchen im neuen Schuljahr eine allgemeinbildende Schule. Vor 15 Jahren waren es noch 15 000 weniger. Dazu kommt, dass Ganztagsangebote und innovative pädagogische Konzepte mehr Raum erfordern.

Dennoch rumort es unter den Eltern. Wie Alf Zungenmaier fragen sich viele, warum es der Stadt nicht gelingt, ausreichend Platz zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. "Ich habe manchmal das Gefühl, dass da einiges verschlafen wurde", sagt Zungenmaier. Dann werde kurzfristig improvisiert. "Dabei sind die Bevölkerungsprognosen und die Anmeldezahlen doch bekannt", wundert er sich.

Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Zwar erstellt das Planungsreferat alle zwei Jahre eine kleinräumige Bevölkerungsprognose. Bei den Grundschulen spielt eine Rolle, wie viele Menschen aktuell im Einzugsgebiet der jeweiligen Schule wohnen, wie hoch die Geburtenrate ist, wie sich die Altersstruktur gestaltet, ob es ein Neubaugebiet gibt und in welchem Verhältnis Zu- und Fortzüge stehen. Da es sich um Wahrscheinlichkeitsannahmen handle, seien Abweichungen normal und würden bereits im Planungsprozess berücksichtigt, erklärt eine Sprecherin des Bildungsreferats, das für den Bau und den Unterhalt aller öffentlichen Schulen in München verantwortlich ist.

Mehrere Optionen bei zu vielen Schülern

Auf Grundlage der Prognosen gleicht die Stadtverwaltung anschließend ab, ob die Schulen groß genug sind. Fehlt Platz, kann entweder der Sprengel geändert, eine neue Schule gebaut (vor allem bei einem neuen Wohngebiet) oder eine bestehende Einrichtung erweitert werden. Um die Raumnot schnell zu lindern, hat die Stadt mittlerweile auch Schulpavillons aufstellen lassen. Etwa 80 gibt es im ganzen Stadtgebiet, weitere sind in Planung.

Der Platzmangel aber trifft nicht alle Schulen gleichermaßen. Gymnasien und Realschulen tun sich am leichtesten: Sie unterliegen keinem Sprengel und können sich ihre Schüler in einem gewissen Rahmen auswählen. "Trotz der steigenden Schülerzahl hat jedes Kind, das eine Eignung für Realschule oder Gymnasium mitbringt, einen Schulplatz im Stadtgebiet erhalten", sagt Stadtschulrätin Beatrix Zurek. Eng wurde es trotzdem an einigen Einrichtungen. Erneut gibt es sieben fünfte Klassen mehr an den 39 Gymnasien - und damit 170 Eingangsklassen. An den Realschulen sind es drei Klassen mehr und damit 67 Eingangsklassen.

München
:Einschreibung an den Gymnasien: Zu viel der Guten

4952 Schüler haben sich an den Münchner Gymnasien angemeldet, 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Viele Schulen müssen deshalb Kinder abweisen - sie werden auf andere Gymnasien verteilt.

Von Melanie Staudinger

Bei den Mittelschulen gibt es die sogenannte Sprengelpflicht zwar, an ihnen geht der Platz allerdings trotz eines Zuwachses an Flüchtlingskindern nicht so schnell aus. Weil der Zuspruch zu den Mittelschulen in München generell gering ist, sind hier die Klassen im Schnitt am kleinsten. Meist sitzen nicht mehr als 19 bis 21 Kinder in einer Klasse, dieses Jahr sind es genau 19. Erlaubt wären 30 Schüler pro Klasse.

Die Eltern tricksen oft bei den Grundschulsprengeln

Am schwierigsten gestaltet sich die Situation bei den Grundschulen. Welches Kind wohin geht, bestimmt sich eigentlich alleine nach dem Wohnort. Doch manche Eltern stellen aus diversen Gründen Gastschulanträge, andere tricksen gar mit angeblichen Zweitwohnsitzen, um ihr Kind auf eine Wunschschule schicken zu können. Wenn nach der Anmeldung im Mai dann die Schülerzahl feststeht, werden die Klassen gebildet. "Dabei haben wir null Spielraum", sagt Schulamtsleiterin Alexandra Brumann.

Vom Kultusministerium bekomme sie die Lehrer zugewiesen, bayernweite Richtlinien regeln auf insgesamt 19 Seiten, dass eine Klasse mindestens 13 Schüler zählen muss. Für die Obergrenze gibt es zwei Kennzahlen: Beträgt der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund mehr als 50 Prozent, was an vielen Münchner Grundschulen üblich ist, liegt diese bei 25 Schülern. Hat die Mehrheit der Schüler deutsche Wurzeln, dürfen auch 28 Kinder in einer Klasse sitzen.

Die Tatsache, dass es kleine und große Klassen gibt, erregt in der Regel Unmut bei den Eltern. Von 2569 Regelklassen an Grund- und Mittelschulen hätten 2189 maximal 25 Schüler, sagt Schulamtsleiterin Brumann. Allerdings gebe es auch 210 Klassen, die größer sind. Das werde oft als unfair angesehen. Weniger Kinder bedeuteten schließlich ein ruhigeres Lernklima und damit bessere Chancen, nach der vierten Klasse auf ein Gymnasium zu wechseln, meinen viele. Schulamtsleiterin Brumann versucht zu beruhigen: "Ein paar Schüler mehr oder weniger machen nicht einen so großen Unterschied." Eines aber ist sicher: Mit Absicht kommt keiner in eine große Klasse, die Verteilung ist reine Mathematik.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: