Schule:Wenn der Ganztag nicht zum Alltag passt

Schulanfang in Baden-Württemberg

Vier Grundschulen versuchen sich im neuen Schuljahr an offenen Ganztagsklassen.

(Foto: dpa)
  • An den Münchner Grundschulen haben zu wenige Eltern ihre Kinder für Ganztagsklassen angemeldet.
  • Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) will trotzdem am Ganztag festhalten.
  • Nur ein Viertel aller Grundschulkinder geht mittags nach der Schule nach Hause. Viele Schüler werden am Nachmittag zum Beispiel in einem Hort betreut.

Von Melanie Staudinger

Der Ausbau der klassischen Ganztagsschule in München gerät ins Stocken. Erstmals kommen geplante Klassen an Grundschulen nicht zustande, weil zu wenige Eltern ihre Kinder angemeldet haben. Das berichtete Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) am Montag bei der jährlichen Pressekonferenz zum Schulbeginn. "Wir sehen, dass der Wunsch der Eltern manchmal anders ist, als das existierende Angebot", räumte sie ein.

Zwar will Zurek am sogenannten gebundenen Ganztag festhalten, bei dem sich Unterrichts- und Erholungsphasen am Vormittag und am Nachmittag abwechseln. Allerdings nicht so uneingeschränkt wie ihr Vorgänger Rainer Schweppe (SPD), der allen anderen Formen der Nachmittagsbetreuung aus pädagogischen Gründen sehr kritisch gegenüberstand. "Wir brauchen ein vielfältiges Angebot", sagte Zurek.

Die Halbtagsschule, wie viele sie noch von früher kennen, gibt es in München kaum noch. Nur mehr ein Viertel aller Grundschulkinder geht mittags nach Hause. Die anderen besuchen entweder einen Hort (28 Prozent), eine Mittagsbetreuung (24 Prozent), ein Tagesheim (neun Prozent), eine Eltern-Kind-Initiative (zwei Prozent) oder eine Ganztagsklasse (zwölf Prozent).

Die Stadt, die als Sachaufwandsträger für den Bau und den Unterhalt aller öffentlichen Schulen zuständig ist, hat in den vergangenen Jahren den Ausbau der Ganztagsklassen massiv forciert. Vor allem der frühere Stadtschulrat Schweppe sah im gebundenen Angebot das einzig wahre pädagogische Konzept für einen funktionierenden Ganztag. Diese Ansicht teilen aber offensichtlich nicht alle Eltern.

Die Betreuungszeiten reichen vielen Familien nicht

Zwar nimmt die absolute Zahl an Plätzen im kommenden Schuljahr zu, die Zahl der Klassen steigt von 181 im Vorjahr auf 200. Dies liegt aber vor allem daran, dass bestehende Ganztagszüge von der ersten bis zur vierten Klasse aufgefüllt, aber kaum zusätzliche Angebote gestartet werden. Nur drei von 134 Münchner Grundschulen führen Klassen mit Unterricht bis in den Nachmittag neu ein.

An drei Schulen hingegen hat die Einführung des Ganztags überhaupt nicht geklappt. Weil es zu wenige Anmeldungen gab, genehmigte die Regierung von Oberbayern keine neuen Ganztagsklassen an den Grundschulen an der Baierbrunner Straße, am Ilse-von-Twardowksi-Platz und an der Paulckestraße. Problematisch ist die Situation auch an der Grundschule an der Helmholtzstraße.

Die Schule im Arnulfpark eröffnete vor vier Jahren und hatte eigentlich von Anfang an immer eine Ganztagsklasse. Dieses Mal aber interessierten sich nur 14 Familien für das Angebot - das sind zu wenige Kinder für eine Klasse. Der neue Jahrgang startet demnach mit zwei Halbtagsklassen, die Kinder können danach ein Tagesheim oder eine Mittagsbetreuung besuchen.

Über die Gründe, warum Eltern zunehmend den gebundenen Ganztag meiden, lässt sich nur spekulieren. Stadtschulrätin Zurek vermutet, dass die Betreuungszeiten vielen Familien nicht ausreichten. Die Ganztagsschule endet um spätestens 16 Uhr. So früh können Vollzeit-Beschäftigte ihre Kinder in der Regel nicht abholen. Außerdem sei am Freitag um 13 Uhr Schluss, in den Ferien gebe es gar keine Betreuung, erklärte Zurek. Das sei zum Beispiel im Hort anders, der mindestens bis 17 Uhr und teilweise auch in der schulfreien Zeit geöffnet sei.

Musik- oder Sportunterricht nur am Abend

Alexandra Brumann, Leiterin des staatlichen Schulamts und damit für die Grundschulen zuständig, führt die mangelnde Flexibilität als weiteren Grund an. Wer im gebundenen Ganztag angemeldet sei, müsse von Montag bis Donnerstag ganztags verpflichtend in der Schule bleiben. "Die Kinder haben ja ganz reguläre Stunden wie Deutsch am Nachmittag", sagte sie. Einigen Familien sei das zu viel: Das Kind könnte dann nur noch abends zum Musik- oder Sportunterricht gehen. Eine tageweise Betreuung könne manchmal die bessere Option sein, sagte Brumann.

Vier Grundschulen versuchen sich im neuen Schuljahr an sogenannten offenen Ganztagsklassen. Insgesamt 155 Schüler haben sich für 15 Gruppen an der Grundschule an der Bernaysstraße, der Ichostraße, der Paulckestraße und der Regina-Ullmann-Straße angemeldet. Sie haben regulär vormittags Unterricht.

Danach gibt es Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Freizeitaktivitäten, Fördermaßnahmen oder sportliche, musische und gestalterische Angebote. Eltern können sich entscheiden, an welchen Tagen der Woche ihr Kind wie lange bleibt. Nach Ansicht von Brumann werden offene Ganztagsklassen in München allerdings eine Ausnahme bleiben. Sie dürften nicht gleichzeitig mit den Mittagsbetreuungen existieren - und die funktionierten an so gut wie jeder Schule wunderbar.

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