Schule:Warum das Skilager immer seltener auf dem Lehrplan steht

Skigebiet Westendorf bei Kitzbühel, 2013

Viele Jugendliche stehen im Skilager mit der Schule zum ersten Mal am Berg.

(Foto: Johannes Simon)

Nur noch die Hälfte der Münchner Realschulen bietet ein Skilager an. Auch deshalb, weil es nicht genug Personal gibt, das selbst Skifahren kann.

Von Melanie Staudinger

Wenn Gerhard Huber mit seinen siebten Klassen auf der Skipiste steht, blickt er meist in überraschte und begeisterte Gesichter. Zwischen 60 und 70 Prozent seiner Schüler, so hat der Sportlehrer am Lion-Feuchtwanger-Gymnasium beobachtet, sehen dann erstmals einen Berg aus der Nähe. Seine Schule liegt im Münchner Norden, viele der Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. "Die haben sonst einfach nicht die Gelegenheit zum Skifahren oder Wandern, weil ihre Eltern das nicht mit ihnen machen", sagt Huber.

Und daher besitzt auch kaum jemand die passende Ausrüstung. Einige Schulen haben sich darauf mittlerweile eingestellt: Günstig muss das Skilager sein. Im Lion-Feuchtwanger-Gymnasium etwa kostet eine Woche inklusive Fahrt, Übernachtung, Vollpension und der kompletten Skiausrüstung in der Wildschönau 180 Euro pro Schüler. "Wenn es teurer wäre, könnten viele nicht mitfahren", sagt Huber.

Allerdings kommen längst nicht mehr alle Schulen in den Genuss einer Skifahrt. Eine umfassende Statistik für ganz München gebe es zwar nicht, sagt Barbara Roth, Präsidentin des Deutschen Sportlehrerverbands Bayern und Mitarbeiterin im Münchner Bildungsreferat. Eine Umfrage unter städtischen Schulen habe aber ergeben, dass nur noch die Hälfte der Realschulen ein Skilager anbiete. Bei den Gymnasien sind es noch 13 von 15. "Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen", sagt Barbara Roth.

Der Berg an sich stellt oftmals keinen Freizeitwert mehr da

Zumal Klassenfahrten eine wichtige Bedeutung haben: Sie stärken den Zusammenhalt unter den Schülern, sie schaffen Erinnerungen, die man sein Leben lang nicht mehr vergisst, und sie vermitteln den Jugendlichen Erlebnisse, die sie sonst nicht hätten. "Wir schauen, dass unsere Anfänger am Ende der Woche einmal zum Gipfel kommen", sagt Lehrer Huber. Das gebe nicht nur Selbstvertrauen, sondern zeige den Schülern auch, dass sie mit Durchhaltevermögen auch in kurzer Zeit einiges erreichen können. Gleichzeitig lernten sie, dass sie sich manchmal überwinden müssten, um ein Ziel zu erreichen.

Skilager haben in Bayern und vor allem im Alpenvorland eine lange Tradition, wie Ralf-Dieter Roth, Leiter des Instituts für Natursport und Ökologie an der Deutschen Sporthochschule in Köln erklärt. Seit 1892 seien Skikurse Bestandteil des Sportunterrichts, sagte er unlängst bei einer Veranstaltung des Pädagogischen Instituts München. Seitdem habe sich jedoch vieles verändert. Roths Schätzungen zufolge nimmt die Zahl der Skilager jährlich um ein bis eineinhalb Prozent ab.

Die Gründe hierfür seien vielfältig. Zum einen werde der Wintersport immer exklusiver, immer mehr Menschen könnten sich das Skifahren schlicht nicht mehr leisten. Andere wiederum verzichteten aus ökologischen Gründen - der Massentourismus schade den Alpen. Für Familien mit Migrationshintergrund hingegen stelle der Berg an sich oftmals keinen Freizeitwert mehr da. Sie kämen erst gar nicht auf die Idee, dass Skifahren ein Hobby sein könnte.

"Wir haben fünf Tage lang Dienst rund um die Uhr"

Huber nennt ein weiteres Argument: Die Bedeutung des Sportunterrichts innerhalb des Schulalltags lasse nach, da gerade im achtjährigen Gymnasium Kernfächer wie Mathe oder Deutsch die Überhand gewonnen hätten. Die Verantwortung für Lehrer hingegen wachse. "Wir haben fünf Tage lang Dienst rund um die Uhr", sagt Huber. Aufstehen um sieben Uhr morgens, dann auf der Piste aufpassen, dass keiner die falsche Abzweigung nimmt und verloren geht, abends die Schüler bespaßen und nachts aufpassen, dass jeder im richtigen Zimmer schläft. "Dann kommt man zurück und die Kollegen fragen, wie es im Urlaub war", sagt Huber und lacht.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass es an den Schulen nicht mehr genug Personal gibt, das selbst Skifahren kann. "Wir kämpfen mit dem Problem, dass Lehrer für Fortbildungen nicht mehr so gerne freigestellt werden", sagt Barbara Roth. Zumindest hier könnten die Münchner Skivereine helfen, wie Matthias Loipetssperger bei der Veranstaltung des Pädagogischen Instituts erläutert. Er ist beim Skiverband München im Vorstand aktiv. Die Skisportabteilungen in und um München hätten insgesamt 37 500 Mitglieder. Eine Zusammenarbeit mit Schulen gebe es derzeit allerdings kaum. Er plädiert daher für ein gemeinsames Konzept zwischen Bildungseinrichtungen und Vereinen. Durch die Kontakte der Skiabteilungen könnten zum Beispiel die Kosten für die Fahrten gesenkt werden. Nur gemeinsam könne man es schaffen, dass wieder mehr Kinder und Jugendliche ans Skifahren herangeführt würden.

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