Schule und Sommerferien:Die Sommerferien sind zur Entspannung da

Lehrer in Niedersachsen

An den Realschulen müssen 4,3 Prozent der Schüler ein Jahr wiederholen, an den Gymnasien 2,5 Prozent.

(Foto: dpa)

Statt sechs Wochen Freiheit und Faulenzen sitzen immer mehr Schüler am Schreibtisch und büffeln für die Nachprüfung oder für das nächste Schuljahr. Meist sind es die, die besonders engagierte Eltern haben.

Von Melanie Staudinger

Selina hat eine wenig erbauliche Zeit hinter sich. Daheim lief es nicht so gut, ständig gab es Ärger mit den Eltern. Und dann hagelte es auch noch eine schlechte Note nach der anderen, vor allem in Mathe und Deutsch. Erörterungen, Texte aus dem Barock, Gleichungssysteme und Strahlensatz: Dem Mädchen wuchs alles über den Kopf.

"Irgendwann habe ich aufgegeben", sagt die Achtklässlerin, die ein Münchner Gymnasium besucht. In ihrem Zeugnis stehen nun zwei Fünfen. Um nicht durchzufallen, tritt Selina Ende der Ferien zur Nachprüfung an. Dreimal in der Woche kommt der Nachhilfelehrer. Daneben löst sie alleine Aufgaben und übt das Aufsatzschreiben. Zwölf, 13 Stunden sei sie beschäftigt pro Woche. Ein ähnlicher Zeitaufwand wie bei einem Mini-Jobber.

Selina ist kein Einzelfall. Wenn man den euphorischen Verlautbarungen diverser Nachhilfeinstitute glauben darf, nimmt die Zahl der Ferienlerner stetig zu. Kompaktkurse gibt es schon für knapp 40 Euro. Kleine Lerngruppen und erfahrene Lehrer sollen helfen, das Gelernte aufzufrischen und einen Vorsprung für das neue Schuljahr zu sichern.

Andere Unternehmen schicken den Lehrer bei den Schülern zu Hause vorbei: "Nachprüfung bestehen? Yes, we can!", versprechen sie. Die Stunde gibt es hier für etwa 25 Euro. Beliebt sind auch Online-Tutorien. Fach, Klassenstufe und Schulform eingeben, und schon startet die kostenlose Probestunde.

Experten sehen diese Entwicklung mit Sorge. Schließlich seien die Ferien zur Entspannung da, sagt Schulamtsleiterin Alexandra Brumann. Sie ist für die Grund- und Mittelschulen in München verantwortlich. Und sie stellt fest: In den Ferien lernen meist nicht die Kinder, die es bräuchten, sondern die, die besonders engagierte Eltern haben. Diese kaufen ihren Söhnen und Töchtern sogar die Bücher für das kommende Jahr. Vorteile durch Vorlernen? "Das können wir nicht empfehlen", sagt Brumann. Wer es übertreibt, riskiert, dass die Kinder den Spaß an der Schule verlieren.

Münchner Realschüler und Gymnasiasten fallen überdurchschnittlich oft durch

Wenn es nach der Statistik des Kultusministeriums geht, könnten sich die meisten Münchner Kinder und Jugendlichen auf die faule Haut legen. In Grundschulen müssen nur 0,2 Prozent aller Schüler ein Jahr wiederholen, bei den Mittelschulen sind es 1,9 Prozent. Ein wenig schlechter schneiden die Realschulen (4,3 Prozent) und die Gymnasien (2,5 Prozent) ab.

Hier fallen in München mehr Kinder durch als im bayerischen Durchschnitt. An den Realschulen liegt die Quote landesweit bei nur drei Prozent, an den Gymnasien bei 1,8 Prozent. Die schlechteren Noten in der Stadt erklären sich wahrscheinlich dadurch, dass Eltern in München vermehrt einen höheren Abschluss anstreben und ihre Kinder auf ein Gymnasium oder eine Realschule schicken, selbst wenn die Noten eigentlich nicht ausreichen.

Wer wie Selina eine Nachprüfung ablegen muss oder während des Schuljahres länger krank war, muss dennoch lernen. Doch auch hier bietet sich eine Pause von mindestens zwei Wochen an. Danach sollte der Lernstoff in kleine Portionen eingeteilt werden, eine Stunde am Tag oder dreimal die Woche zwei Stunden bringen mehr als Dauerlernen am Stück, sagt Elisabeth Deiß, Mitarbeiterin im Schulamt.

Lernen durch Spielen

Bei Grundschülern hingegen empfehlt die Expertin eine andere Strategie. Spielerische Elemente sind erfolgreicher. Mathespiele eignen sich gut oder spannende Bücher mit Rechtschreibübungen. Bei Kindern mit geringen Sprachkenntnissen tut es übrigens auch der Fernseher: Hauptsache, sie hören den Klang der deutschen Sprache und vergessen ihn nicht.

Deiß rät zudem zu den Ferienprogrammen, die neue Perspektiven eröffneten. In der Stadtbibliothek etwa können Sechs- bis 15-Jährige am Leseclub teilnehmen. Museen organisieren Spezialführungen, die Stadt bietet mehrtägige Fahrten und Lilalu ein großes Bewegungs- und Sportprogramm. Das klingt wenig nach Lernen. Dabei profitierten Kinder von diesen Ferienaktivitäten, sagt Sarah Voigt, Pädagogin bei Lilalu.

Wer sich viel bewege, vernetze seine Gehirnzellen, was Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit erhöhe. Im Spiel lernten Kinder Teamarbeit, Fairness und Grenzen kennen. "Auch sprachlich können sich die Teilnehmer weiterentwickeln", sagt Voigt. Wer bei Akrobatik, Parcours oder Zauberei neue Dinge probiert und diese vor Publikum präsentiert, steigert sein Selbstbewusstsein. Und das kann in der Schule nur helfen.

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