Bildung:Wohin die Milliarden für Münchens Schulen fließen

Schulhof mit Klettergeräten Pausenhof Pause große Pause Schulzentrum Nord Bünde Ostwestfalen

Zwischen 323 und 597 Quadratmeter mehr pro Schule sind in Bayern nötig.

(Foto: Hans Blossey/imago)

Der Entwurf des zweiten Bauprogramms war für die städtischen Experten eine riesige Herausforderung. Die Rückkehr zum G 9 hat die Sache noch komplizierter gemacht.

Von Melanie Staudinger

Das zweite Schulbauprogramm sprengt alle bisherigen Dimensionen: 38 Projekte soll der Stadtrat am Mittwoch auf einmal beschließen, dafür fast 2,4 Milliarden Euro bereitstellen. Auf 251 Seiten Sitzungsvorlage und einem noch einmal so großen Packen an Anlagen hat die Stadtverwaltung alle Maßnahmen erklärt. "Die Verwaltung erbringt eine Leistung, die ich nicht hoch genug schätzen kann", sagt Münchens Dritte Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) anerkennend.

Zudem mussten die Bauexperten bei den Gymnasien noch einmal kräftig umplanen. Der Freistaat hatte im April die Rückkehr zum G 9 beschlossen. Ein extra Jahrgang muss integriert werden mit Schülern, die Klassenzimmer, Fachlehrsäle und Sporthallen brauchen.

Konkrete Vorgaben vom Kultusministerium fehlen bisher. Zwischen 323 und 597 Quadratmeter mehr pro Schule sind nötig, je nachdem ob sie drei, vier, fünf oder sechs Klassen pro Jahrgang hat. Im letzteren Fall rechnet das Bildungsreferat mit 180 zusätzlichen Schülern, die sechs Klassenzimmer, einen IT-Fachlehrsaal sowie größere Lehrerzimmer, Pausenhallen und Lagerflächen benötigen. Welche Mehrkosten der Freistaat übernimmt, ist unklar. Angekündigt worden sind 500 Millionen Euro - für ganz Bayern. Das ist aus Sicht der Stadt zu wenig, entsprechende Verhandlungen laufen.

Glück haben Gymnasien, die saniert oder erweitert werden, und die neuen Schulen. Sie werden gleich für die Jahrgangsstufen fünf bis 13 ausgelegt. Alle laufenden Projekte aber lassen sich nicht mehr umplanen. Bei der Erweiterung des Asam-Gymnasiums, der Generalinstandsetzung von Oskar-von-Miller-Gymnasium und Maximiliansgymnasium, beim Wilhelmsgymnasium, das sich im Bau befindet, dem Karlsgymnasium und dem Bildungscampus Freiham müsse das G 9 in den bestehenden Strukturen verwirklicht werden, wie bei den restlichen staatlichen und städtischen Gymnasien auch. Ein zusätzlicher Jahrgang, heißt es in der Stadtratsvorlage, könne "dazu führen, dass die ursprüngliche Zügigkeit dementsprechend verringert werden muss".

Wenn es zu eng wird, können weniger Klassen aufgenommen werden. Einzelne Klassen könnten schon relativ bald wegfallen, bei einem sechszügigen Gymnasium etwa 2019/20. So schnell aber werden die neuen Schulen nicht stehen. Also müssen wahrscheinlich neue Container Abhilfe schaffen. Und zusätzliche Investitionen in Gymnasien ist die Stadt gewohnt. Als das G 9 zum G 8 wurde, bezahlte München 63 Millionen für Mensen. Die müssen nun umgenutzt werden, weil es weniger Nachmittagsunterricht gibt.

2030 werden in München 11 000 Schüler mehr in den Klassenzimmern sitzen als heute. Die Stadt muss in den kommenden Jahren deshalb mehrere Milliarden Euro investieren, um neue Schulen zu bauen, bestehende zu erweitern und marode Gebäude zu sanieren. Ein Überblick in Zahlen.

Wann das Erasmus-Grasser-Gymnasium erweitert wurde

1978 wurde das Erasmus-Grasser-Gymnasium am Westpark erweitert. Es ist damit das jüngste Gebäude im Programm, das saniert werden muss. An der Gilmstraße werden heute 610 Schüler der Klassen neun bis zwölf unterrichtet. Es bietet Platz für 22 Klassenzimmer, 18 Fachlehrsäle, eine Bücherei, ein Bistro, einen Mehrzwecksaal, eine Aula, zwei Turnhallen und sogar eine Sternwarte.

Bildung: Nicht alle Container werden zum Schulanfang fertig, einige sind baufällig. Die Ausnahme: Das provisorische gelungene Max-Planck-Gymnasium.

Nicht alle Container werden zum Schulanfang fertig, einige sind baufällig. Die Ausnahme: Das provisorische gelungene Max-Planck-Gymnasium.

(Foto: Catherina Hess)

Doch leider ist der Bau in schlechtem Zustand, wie der Beschreibung der Verwaltung zu entnehmen ist. Seit fast 40 Jahren ist nicht viel passiert, der Brandschutz entspricht nicht mehr den Vorgaben, das Gebäude verbraucht zu viel Energie, die Technik ist von gestern. Es ist viel zu laut und an Barrierefreiheit hat vor vier Jahrzehnten keiner gedacht. Bildungs- und Baureferat wollen Schule und Hallen sanieren und eine Hausmeisterwohnung schaffen. Die Instandsetzung soll 2022 beendet sein und bis zu 45 Millionen Euro kosten.

Wie viele Schüler es voraussichtlich im Jahr 2030 geben wird

112 793 Schüler wird es laut Prognosen im Jahr 2030 in München geben. Das ist der Zeitraum, bis zu dem die große Schulbauoffensive der Stadt München abgeschlossen sein soll. Zum Vergleich: Derzeit besuchen 101 076 Mädchen und Jungen eine allgemeinbildende öffentliche Schule. Eine Steigerung um 11 700 Kinder bedeutet, so rechnet Schulbürgermeisterin Christine Strobl (SPD) vor, dass es etwa 468 zusätzliche Klassen mit einer Stärke von 25 Kindern geben müsse.

Der Schulbau ist eine Pflichtaufgabe

Die CSU, die viele Jahre lang die Opposition im Rathaus gab, wirft der SPD große Versäumnisse vor. Viel zu spät habe sie während der rot-grünen Koalition auf den Anstieg der Schülerzahlen reagiert, weshalb man nun kaum mehr nachkomme mit dem Bauen und Sanieren. Die Sozialdemokraten weisen diese Anschuldigung naturgemäß zurück: Die Entwicklung sei so nicht absehbar gewesen. Fakt ist aber auf jeden Fall, dass es viel zu tun gibt in München.

Wie viel vier Projekte im Sportprogramm kosten werden

18,2 Millionen Euro für vier Projekte finden sich für 2017 im Sportprogramm, das neben dem zweiten Schulbauprogramm ebenfalls am Mittwoch im Stadtrat behandelt wird. Denn im wachsenden München gibt es nicht nur mehr Schüler, die Hallen für den Schulsport brauchen, sondern allgemein auch mehr Leute, die Sport treiben.

Als erstes stehen die Freisportanlagen an der Moosacher Straße, der Agilofinger und der Thalkirchner Straße sowie die Bezirkssportanlage an der Ebereschenstraße an. Hier sollen Gebäude und Sportflächen auf Vordermann gebracht und modern ausgestattet werden. "Mehr als vier Anlagen pro Jahr geht nicht", sagt Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD). Der Grund: Der Bedarf an Sportflächen sei so hoch, dass es zu Einschränkungen im Spielbetrieb kommen würde, wenn mehr Sportplätze gleichzeitig geschlossen würden. Insgesamt stehen 45 Sportanlagen als Neubau, Erweiterung oder Sanierung im Programm.

Dazu kommen 19 Großprojekte wie die künftige Nutzung der Olympiaregattaanlage, die Renovierung des Dantestadions oder das Actionsportzentrum an der Paul-Gerhardt-Alle. Teil drei des Sportbauprogramms umfasst 47 Baumaßnahmen von Vereinen auf deren eigenen Anlagen, an denen sich das Bildungsreferat beteiligt. Dafür sind 31 Millionen Euro vorgesehen, 18 Millionen für Zuschüsse und 13 Millionen als zinslose Darlehen.

Wie viele Monate sich die Stadtverwaltung bei Bauprojekten spart

Vier bis sechs Monate spart sich die Stadtverwaltung bei jedem Bauprojekt, weil sie die Baumaßnahmen im Schulbereich nicht einzeln vom Stadtrat beschließen lässt, sondern immer gleich im Paket. Der Stadtrat hat zudem in Standardraumprogrammen festgelegt, wie groß Klassenzimmer sein sollen - etwa im Gymnasium 72 Quadratmeter und in der Grundschule 64 Quadratmeter -, wie viele Lehrerzimmer oder Ersatzräume es geben soll, und dass alle Schulen im Lernhauskonzept gebaut werden, bei dem sich jeweils vier Klassenzimmer um eine zentrale Mitte gruppieren.

Programmbeschlüsse, standardisierte Raumkonzepte, die zeitgleiche Abarbeitung von mehreren Planungsschritten und Modulbauweisen sollen schnell und kostengünstig moderne und zukunftsfähige Schulen bringen. Gäbe es keine Baupakete, hätte sich der Stadtrat 76 Mal mit dem Thema beschäftigen müssen.

Wie viel Prozent der städtischen Investitionen in Schulen fließen

33 Prozent der städtischen Investitionen fließen im Jahr 2017 in Schulen (359 Millionen Euro). Weitere 63 Millionen Euro oder sechs Prozent werden in Kinderbetreuungseinrichtungen gesteckt. Zum Vergleich: Insgesamt sind im Haushalt 1,078 Milliarden eingeplant - 256 Millionen für Wohnungsbau (24 Prozent) und 130 Millionen für Verkehrsprojekte (zwölf Prozent).

Im Sozialbereich werden 31 Millionen an Investitionen ausgegeben, für die städtischen Kliniken 30 Millionen (je drei Prozent), für die Feuerwehr 24 Millionen und für die Kultur 21 Millionen (je zwei Prozent). Der Rest setzt sich aus sonstigen Investitionen zusammen (164 Millionen Euro, 15 Prozent). Diese Aufstellung zeigt, dass die Bildung in der Landeshauptstadt einen hohen Stellenwert genießt. Allerdings handelt es sich beim Schulbau auch um eine Pflichtaufgabe, um die die Stadt nicht herumkommt. Der Freistaat fördert die Bauten zum Teil.

Wie viele Projekte das erste Schulbauprogramm umfasste

39 Projekte umfasst das erste Schulbauprogramm, das der Stadtrat bereits im vergangenen Jahr beschlossen hat. Der Großteil dieser Neubauten und Sanierungen soll in den Jahren 2020 und 2021 bereits fertig sein - bisher liege alles im Zeitplan, wie Baureferentin Rosemarie Hingerl nun in einer ersten Zwischenbilanz vermeldet. Acht der 39 Maßnahmen liefen schon, bevor das Programm beschlossen wurde, von ihnen sind sieben im Bau, darunter wiederum vier Grundschulen, die in diesem September eröffnen.

338 Millionen Euro für das teuerste Schulprojekt der Stadt

Die verbleibenden 31 neuen Projekte haben sich um eines reduziert, denn die Generalinstandsetzung des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums entfällt. Stattdessen wird die Schule am Salzsenderweg neu gebaut. Bleiben also noch 30 Projekte: Fünf Maßnahmen sind im Bau, vier stehen kurz vor Baubeginn, acht haben eine abgeschlossene Vorplanung.

Die Kosten belaufen sich auf 703 Millionen Euro. Die restlichen 13 Maßnahmen brauchen noch Zeit, könnten geschätzt aber mit etwa 709 Millionen Euro zu Buche schlagen. Schafft das Baureferat das, würde das Bauprogramm um etwa 31 Millionen Euro günstiger werden als angenommen. Allerdings spielt das bei einem Gesamtvolumen von gut 1,8 Milliarden Euro wohl eher eine untergeordnete Rolle.

Was das bisher teuerste Schulprojekt kostete

338 Millionen Euro kostet das bisher teuerste Schulprojekt in München für 3000 Schüler. Der Bildungscampus der Superlative entsteht in Freiham, er umfasst ein Gymnasium, eine Realschule, eine Grundschule und ein Förderzentrum für 241 Millionen Euro sowie einen Sportpark mit zwei Sporthallen, einem Schulschwimmbad, einer Gaststätte, einer Tiefgarage und großen Freisportanlagen für 97,4 Millionen Euro. Ein ähnliches Prestigeprojekt soll am anderen Ende Münchens in der Messestadt Riem entstehen.

Dort will das Bildungsreferat ein Gymnasium, eine Realschule, einen Sportpark mit Schwimmhalle und ein Stadtteilzentrum für die Volkshochschule bauen. Hier rechnen die Experten mit Kosten von bis zu 190 Millionen Euro, 2400 Schüler finden dort Platz. Klingt nach sehr viel Geld, spart aber im Endeffekt einen nicht geringen Betrag ein. Denn im Schulcampus lassen sich Synergien nutzen, weil Flächen wie Sporthalle, Aula oder Mensa den Schulen gemeinsam zur Verfügung stehen. Um Synergien zu nutzen, braucht es aber nicht immer gleich Mega-Schulprojekte. Auch im Kleinen lassen sich Geld und Fläche sparen. Im zweiten Bauprogramm zum Beispiel entstehen Mensen an 23 Standorten, die sich insgesamt 32 Schulen teilen.

Was das zweite Bauprogramm kosten wird

2 400 000 000 Euro wird das zweite Bauprogramm nach derzeitigem Stand kosten. 38 Projekte sind an 42 Schulen geplant: 14 Gymnasien, zwölf Grundschulen, fünf Realschulen und berufliche Schulen, eine Förderschule und die Willy-Brandt-Gesamtschule sind an der Reihe. Nur sechs Maßnahmen sind Sanierungen im Bestand, ebenso viele Schulen entstehen neu (Gymnasium am Ratzinger Platz, Realschule an der Franz-Mader-Straße, Grundschulen an der Aidenbach-, der Passauer- und der St.-Veit-Straße sowie eine Berufsschule für Maler und Lackierer). Der Rest sind Erweiterungen.

Nebenbei entstehen sieben Häuser für Kinder und ein Kindertageszentrum, die 47 Betreuungsgruppen bieten. Sie erhalten eigene Küchen, weil sie, anders als die Mensen an Schulen, nicht an externe Pächter vergeben werden. Caterer liefern das Essen zu, auch in den Ferien. Um die Grundstücke optimal auszunutzen, entstehen insgesamt 30 Tiefgaragen mit 1100 Stellplätzen.

Die Kämmerei mahnt allerdings an, dass das Bildungsreferat ein Stellplatzkonzept erstellen soll, da Tiefgaragen teuer sind. Mit der Verabschiedung des zweiten Bauprogramms geben die Stadträte auch den Auftrag, 25 Projekte an 37 Schulen vorauszuplanen - damit es bei den folgenden Baupaketen schneller gehen kann.

Wie viele Container für Entlastung an Schulen sorgen sollen

51 Container sollen für Entlastung an den übervollen Schulen sorgen. Sie lassen sich schneller aufstellen und sind günstiger als feste Schulbauten, sollen also die größte Not lindern. Doch nicht immer geht alles gut. Von den 15 im Jahr 2015 beschlossenen Containern steht einer immer noch nicht. An der Flurstraße gab es gravierende Statikprobleme, die Firma hat den Schulpavillon allerdings entgegen aller Absprachen nicht abgebaut. Nun muss das Baureferat ran. Für 2016 sieht die Bilanz nicht besser aus: Nur 23 von 27 mobilen Schulraumeinheiten sind in Betrieb.

Die anderen vier - am Max-Reinhard-Weg, der Torquato-Tasso-Straße, der Guardinistraße und der Forstenrieder Allee - sollen im September eröffnen, ebenso wie die drei Pavillons, die der Stadtrat im Jahr 2017 beschlossen hat. Die Bauten haben 320 zusätzliche Klassenzimmer und elf Mensen gebracht - für 265 Millionen Euro. Am Mittwoch soll der Stadtrat das fünfte Programm mit weiteren sechs Pavillons beschließen für die Grundschulen an der Osel- und der Weißenseestraße, die Grund- und Mittelschulen an der Hanselmann- und der Zielstattstraße sowie die Kita an der Schönstraße und das Haus für Kinder im Prinz-Eugen-Park. Kosten: 55,7 Millionen Euro.

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