Schuldneratlas:Wo München pleite ist

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Wie ist die finanzielle Lage der Münchner? Ein Überblick. (Foto: N/A)

Wie geht es den Münchnern finanziell? Jeder sechste Bewohner des Hasenbergls ist überschuldet, Obermenzinger kommen am besten mit ihrem Geld aus. Besonders betroffen von hohen Schulden sind Menschen zwischen 50 und 60 Jahren - und vor allem Männer. Ein Überblick.

Von Sven Loerzer

Jedem sechsten Bewohner des Hasenbergls wachsen die Schulden über den Kopf. Keine schlechte Nachricht, denn seit 2006, als dort noch 21,69 Prozent der erwachsenen Bewohner überschuldet waren, ist die Quote auf derzeit 15,67 Prozent gesunken. Das ist allerdings immer noch mehr als drei Mal so viel wie in Obermenzing, dem Stadtviertel mit der geringsten Quote an Überschuldeten (4,82 Prozent).

Im stadtweiten Durchschnitt beträgt die Quote in diesem Jahr 8,13 Prozent, was einen geringfügigen Anstieg von 0,09 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Knapp 94.000 Münchner weist der Schuldneratlas 2013 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform als überschuldet aus.

Die Schuldnerquote in München liege aber seit langem etwa eineinhalb Prozentpunkte unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von derzeit 9,81 Prozent, erklärte der geschäftsführende Gesellschafter von Creditreform München, Philipp Ganzmüller. Er führt das darauf zurück, dass der "Freistaat Bayern und mit ihm seine Landeshauptstadt offensichtlich wirtschaftlich gestärkt" aus der Wirtschaftskrise 2008/9 hervorgegangen seien.

Innerhalb der Stadt sind die Unterschiede sehr groß: Die geringsten Schuldnerquoten gibt es in Obermenzing, Solln, Harlaching, Bogenhausen und Nymphenburg, also dort, wo viele Besserverdienende wohnen.

Teure Ein-Personen-Haushalte

Die Stadtteile Giesing, Riem, Altstadt, Am Hart, Ludwigsvorstadt, Berg am Laim und Hasenbergl weisen dagegen die höchsten Werte auf. Bei den Innenstadtgebieten hat das wohl mit dem hohen Anteil an Ein-Personen-Haushalten zu tun, die nur über ein geringes Einkommen verfügen. In den Randbereichen mit Sozialwohnungssiedlungen sind es dagegen nach den Erfahrungen der Leiterin der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung, Erika Schilz, vor allem Familien mit Kindern, die in Bedrängnis geraten.

Am stärksten zugenommen im Vergleich zum Vorjahr hat die Schuldnerquote in Neuperlach, um 0,8 Prozentpunkte auf 8,64 Prozent. Auch Am Hart, Hasenbergl und Berg am Laim verzeichneten merkliche Anstiege, wobei Creditreform allerdings den Aussagewert einschränkt: Denn die Erhöhung könnte zum Teil auch dem sogenannten Zensuseffekt geschuldet sei, da die Bevölkerungszahlen in diesem Jahr auf der Basis des Zensus 2011 teilweise merklich nach unten korrigiert worden seien.

"Schulden sind ein männliches Problem"

In 21 der 37 untersuchten Münchner Stadtviertel ist die Schuldnerquote gestiegen, in der Mehrzahl der Stadtteile aber bleibt sie dennoch unter zehn Prozent. "Schulden sind ein männliches Problem", erklärte Ganzmüller. Dem bundesweiten Trend entsprechend ist in München die Schuldnerquote bei Männern doppelt so hoch wie bei Frauen.

"Männer gelten auch in der persönlichen Finanzplanung bezüglich Kreditaufnahme und Kredithöhe als risikobereiter", heißt es in der Analyse. "Sie zeigen eine höhere Neigung zur Selbstüberschätzung auch bei der Übernahme von finanziellen Verpflichtungen, wie psychologische Analysen belegen." Bei der Schuldnerberatung allerdings suchen annähernd gleich viele Frauen und Männer Rat. "Frauen holen sich eher Hilfe", meint Erika Schilz.

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Ihren Zahlungsverpflichtungen können besonders viele Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren nicht mehr nachkommen. Im Hasenbergl sind mehr als 20 Prozent der Einwohner in dieser Altersgruppe überschuldet, während Obermenzing nur auf 5,6 Prozent kommt.

Für den Schwerpunkt bei den 50- bis 60-Jährigen gibt es eine Erklärung: "Zusätzliche Überschuldungsauslöser, die in jungen Jahren weniger eine Rolle spielen, wie Krankheit oder Trennung vom Lebenspartner, kommen hier zum Tragen", nennen die Creditreform-Experten mögliche Ursachen. Allerdings bleibe Arbeitslosigkeit als Überschuldungsursache generell an erster Stelle, auch wenn sie rückläufig sei, betont Erika Schilz, wie auch die gescheiterte Selbständigkeit.

Wenn das Einkommen nicht zum Leben reicht

Klaus Hofmeister, Abteilungsleiter im Amt für soziale Sicherung, beobachtet auch immer häufiger, dass Niedrigeinkommen auf Dauer in die Überschuldung führen. Die etwa 14.000 Münchner, deren Arbeitseinkommen nicht zum Leben reicht und die deshalb zusätzlich Hartz-IV-Leistungen erhalten, hätten es besonders schwer: Das knappe Budget kann dann schon die Nachzahlung bei der Jahresabrechnung für die Energiekosten sprengen.

Daneben hätten "unangemessenes Konsumverhalten" und Krankheit als Ursachen von Überschuldung an Bedeutung gewonnen, erklärte Ganzmüller. Trotz "positiver Konjunkturdaten, stabil zunehmender Beschäftigung und steigender Einkommen ist die Zahl von Schuldnern mit hoher Überschuldungsintensität weiter groß."

Um Betroffenen besser helfen zu können und auch die Präventionsarbeit zu stärken, hat die Stadt deshalb jetzt die Zahl der Schuldnerberater deutlich aufgestockt.

© SZ vom 28.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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