Schulberatungsstelle:Wenn Eltern nur das Beste wollen

Ferienbeginn in Frankfurt

Keine Angst vor schlechten Noten: Eltern sollen am Freitag etwas Schönes mit ihren Kindern unternehmen.

(Foto: Arne Dedert/dpa)
  • Die Schulberatungsstelle in München muss in mehr als 12 000 Fällen im Jahr einspringen - das ist ein deutlicher Anstieg in den vergangenen Jahren.
  • Zur Zeugnisausgabe sollte jedes Kind einen "Familientag" bekommen und in seinem Weg bestärkt werden.

Von Melanie Staudinger

Die Mittelschule? Und dann noch in einer Übergangsklasse, in der Jugendliche erst einmal die deutsche Sprache lernen? Das kommt für die Mutter aus Südtirol nicht infrage. Sie hat an diesem Donnerstag bei der Schulberatung in München angerufen, weil sie im September einen Job in der bayerischen Landeshauptstadt antreten will und dringend einen Schulplatz für ihre Tochter braucht. Ja, italienisch spreche das Mädchen. Englisch? Ein wenig. Deutsch? Eher nicht. Aber ein Gymnasium soll es trotzdem sein. Wo die Familie wohnen wird? Steht nicht fest, eine Bleibe müsse die Frau erst noch finden.

Helga Ulbricht könnte viele solcher Geschichten erzählen. Seit 25 Jahren arbeitet sie in der staatlichen Schulberatungsstelle am Pündterplatz in Schwabing, einer von neun solcher Einrichtungen bayernweit. Mittlerweile ist sie Chefin von sieben Schulpsychologen, fünf Beratungslehrern und zwei Sekretärinnen. Jetzt, so kurz vor den Sommerferien, sind Ulbricht und ihre Kollegen wieder besonders beschäftigt. Die Mutter aus Norditalien ist kein Einzelfall - für Eltern ist die Mittelschule in der Regel erst einmal ein Tabu. Sie suchen in diesen Tagen, sozusagen auf den letzten Metern, eine Alternative.

Mehr Schüler, mehr Zugezogene

In mehr als 12 000 Fällen im Jahr versucht die Beratungsstelle, die für Stadt und Landkreis München zuständig ist, zu helfen: bei Zeugnissorgen, Unsicherheiten oder schlicht Unkenntnis des bayerischen Schulsystems inklusive all seiner Schlupflöcher. Die Arbeit hat enorm zugenommen - vor fünf Jahren zählte die Institution mehr als 3000 Beratungen weniger.

Die Steigerung liegt nicht nur daran, das es schlicht mehr Schüler und damit potenzielle "Kunden" gibt, sondern sie liegt auch am Zuzug von außerhalb Bayerns sowie am gestiegenen Problembewusstsein der Eltern, denen es darum geht, die beste Zukunft für ihr Kind zu planen. Im Schnitt kommen 3000 zusätzliche Schüler pro Jahr an Münchens Schulen - ein nicht zu vernachlässigender Teil stammt aus dem Ausland oder anderen Bundesländern. Sie sind aus ihrer Heimat geflohen oder ihre Eltern haben schlicht einen besseren Job hier gefunden. In den kommenden Wochen werden wieder viele Familien aus zum Teil vollkommen anderen Schulsystemen nach München ziehen - einige wissen heute noch nicht, welche Schule ihr Kind von September an besuchen soll.

Schulberatungsstelle: Helga Ulbricht leitet die staatliche Schulberatungsstelle für Stadt und Landkreis München.

Helga Ulbricht leitet die staatliche Schulberatungsstelle für Stadt und Landkreis München.

(Foto: Robert Haas)

Zusätzlich rufen bei Ulbricht verzweifelte Eltern an, die zwar irgendwie schon ahnten, dass dieses Schuljahr in die Hose gehen wird, es aber bis zum Zeugnistag an diesem Freitag erfolgreich verdrängten: Nachprüfung oder lieber gleich wiederholen? Einmaliger Ausrutscher oder doch ein längerfristiges Problem? Wieder andere wollen nur quatschen, darüber etwa, was Erstklässler erwartet.

Eltern wollen das Beste für ihren Nachwuchs

Da kann es passieren, dass eine Mutter anruft und sich unschuldig nach der Einschulungsgrenze erkundigt. Der 30. September ist diese Schwelle. Wer danach geboren wird, kann später in die Schule gehen. Wer eher dran ist, müsste sich zurückstellen lassen. Das macht schulrechtlich einen Unterschied, hat aber praktisch kaum Auswirkungen. Der Mutter aber war das wichtig. Sie plane gerade den Termin für ihren Kaiserschnitt, und da sie sich keine Wahlmöglichkeit vergeben wolle, werde sie diesen Anfang Oktober legen. "Ich kann viele Sorgen verstehen", sagt Ulbricht. Eltern hätten heute meist nur noch ein oder zwei Kinder. Deren Leben sollten perfekt werden. "Dazu gehört das Abitur", sagt die Pädagogin. In ihrer Beratung versuche sie, alternative Wege aufzuzeigen.

Für den Freitag empfiehlt sie: Die Zeugnisausgabe sollte ein "Mc-Donalds-Tag" sein, wobei sie damit freilich nicht meint, dass gute Noten dringend mit günstigem Fast Food belohnt gehören. "Es sollte ein Familientag sein, an dem Kinder nicht geschimpft, sondern bestärkt werden", sagt sie. Die Sommerferien sollten Eltern und Kinder auch für eine Auszeit nutzen, und dann gemeinsam überlegen, welcher Weg der richtige sei. Wie sie selbst den Zeugnistag verbringen wird? "Meine älteste Enkelin kommt mich besuchen", sagt die Leiterin der Schulberatungsstelle. Und was es als Belohnung gibt? Einen Furby, ein intelligentes, elektronisches Plüschtier, das sich jetzt auch mit dem Tablet verbinden lässt. "Durch meine Enkel bleibe ich an den neuesten Entwicklungen dran", sagt Ulbricht.

Die Schulberatungsstelle ist telefonisch erreichbar unter 089/38 38 49 50. Sprechzeiten sind am Freitag, 31. Juli, Montag 3. August und Dienstag, 4. August, von 9 bis 16 Uhr sowie am Mittwoch, 5. August, von 9 bis 14 Uhr.

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