München:Tödliche Schüsse auf der Baustelle

  • Ein 29-Jähriger hat am Donnerstagmorgen auf einer Münchner Baustelle einen 45 Jahre alten Mann und sich selbst erschossen.
  • Mit Dutzenden Streifenwagen rückten mehr als 150 Beamte zur Baustelle im Stadtteil Au unweit der Isar an. Auch schwerbewaffnete Spezialeinsatzkräfte sicherten den Einsatzort ab.
  • Zum genauen Tatablauf und möglichen Motiven machte die Polizei keine Angaben.

Von Julian Hans

Zwei Stunden hat der Ausnahmezustand am Mariahilfplatz gedauert. Zwei bange Stunden, in denen Polizisten mit Maschinenpistolen im Laufschritt durch die Ohlmüllerstraße eilten, in denen Kinder ihre Schulen nicht verlassen durften und die Mitarbeiter des nahen Landratsamts angewiesen waren, sich von den Fenstern fern zu halten. Derweil knatterten oben am Himmel die Rotoren eines Hubschraubers. Um 11 Uhr dreht er ab, Polizisten wickeln die Absperrbänder ein, Busse und Straßenbahnen fahren wieder und es kehrt wieder Ruhe ein über der Au.

Zwei Männer sind tot, das spricht sich schnell herum unter den Anwohnern. Erschossen mit einer Pistole auf einer Baustelle auf dem Gelände des ehemaligen Frauen- und Jugendgefängnisses Neudeck. Im März 1943 waren dort Mitglieder der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" inhaftiert. Noch bis vor zehn Jahren waren in der Justizvollzugsanstalt bis zu 124 Häftlinge untergebracht. 2011 hat der Freistaat das Gefängnis samt Grundstück für 16 Millionen Euro verkauft. Jetzt lässt die Firma "Legat Living" das klassizistische Gebäude vom Anfang des 20. Jahrhundert zu einer "hochklassigen Immobilie in Premiumlage" umbauen. Das Gelände liegt zentral und idyllisch: unterhalb des Nockherbergs direkt am Auer Mühlbach.

Es ist kurz vor 9 Uhr, als Anrufer der Polizei melden, dass in diesem Idyll Schüsse gefallen sind. Die Polizei stuft das Ereignis als "lebensbedrohliche Einsatzlage" ein und schickt sofort alle verfügbaren Kräfte aus der Umgebung in die Ohlmüllerstraße: Fast 30 Streifenwagen kommen angerast, dazu Spezialeinheiten in Kampfmontur und mit gepanzertem Gerät. Insgesamt sind mehr als 150 Beamte im Einsatz. Als sie Minuten später am Tatort eintreffen, finden sie die zwei Toten vor einem Baucontainer auf dem Boden, daneben eine Pistole des Herstellers Glock.

Nachdem die Tatwaffe sichergestellt und auch der Schütze tot ist, kann die Polizei bald Entwarnung geben: Es besteht keine Gefahr mehr. Trotzdem bleiben die Straßen in der Umgebung erst einmal gesperrt, damit die Ermittler ungestört ihre Arbeit tun können. Die Trambahn-Linie 18 und die Buslinien 52 und 62 müssen das Gebiet umfahren.

Wie sich die Tat zugetragen hat und was das Motiv des Täters war, das ist am Abend noch nicht klar. Es seien "umfangreiche kriminalpolizeiliche Ermittlungen" eingeleitet worden, teilt das Polizeipräsidium mit. Bestätigt wird nur, dass es sich bei dem Opfer um einen 45-Jährigen aus dem Landkreis Görlitz handelt. Geschossen hat ein 29-Jähriger aus Augsburg.

Er habe die Schüsse gar nicht gehört, sagt Bekim Behluli, ein dunkelhaariger Mann in staubiger Arbeitskleidung. Mit ein paar anderen steht er vor der Polizeiinspektion Am Neudeck und wartet darauf, dass seine Kollegen von der Befragung durch die Beamten zurückkommen. Der Mann aus dem Kosovo lebt seit mehr als zwei Jahrzehnten in München und betreibt hier ein Abrissunternehmen.

"Wir tragen ja Gehörschutz, die Baumaschinen sind so laut", sagt der 48-Jährige. Behlulis Firma war mit einem Dutzend Mitarbeitern auf der Baustelle beschäftigt: Fenster vergrößern, Stahlträger neu setzen, das Dach abtragen. Andere Firmen ziehen gerade einen neuen Rohbau auf dem Gelände hoch. Insgesamt seien zur Tatzeit wohl 50 Arbeiter anwesend gewesen, schätzt Behluli. "Die Polizei ist sehr schnell gekommen, aber leider war es da trotzdem schon zu spät."

Arbeiter sagen, der Täter sei Bauleiter gewesen

Das Opfer sei der Polier auf der Baustelle gewesen, sagt Behluli. "Ein sehr netter Kollege, wir haben viele Jahre zusammengearbeitet." Er und seine Mannschaft seien sehr betroffen, "es ist sehr traurig für seine Familie", sagt er. Von einem Streit haben sie nichts mitbekommen. Unter den Arbeitern heißt es, der Täter habe die Bauleitung des Objekts inne gehabt, aber von offizieller Seite gibt es dafür keine Bestätigung.

Die Arbeiter wundern sich über das massive Polizeiaufgebot: "Wir haben uns doch sofort alle ergeben", sagt einer und streckt die Hände hoch. Der "verrückte" Täter sei doch schon tot gewesen, als die Polizei eintraf. Und mehr als einen Verrückten auf einmal, so etwas gebe es doch nicht.

Aber nach der Erfahrung mit dem Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum vor bald drei Jahren hat die Polizei ihr Einsatzkonzept überarbeitet. Bei einer "lebensbedrohlichen Einsatzlage" schickt sie sofort massive Kräfte und Spezialeinheiten zum Tatort. Schüsse mitten in der Großstadt mit Schulen, Kindergärten und Behörden in der unmittelbaren Umgebung, das ist ohne Zweifel so ein Fall, bei dem rasch und entschlossen gehandelt werden muss.

Das massive Aufgebot diene letztlich auch dazu, der Bevölkerung die Gewissheit zu geben, dass die Polizei die Lage unter Kontrolle habe, sagt Polizeisprecher Sven Müller. Und als wenig später die Busse wieder fahren und die erste Tram in die Ohlmüllerstraße einbiegt, ist der Alltag zurück. Bald wird weiter gebaut am exklusiven Idyll am Mühlbach. Was den tödlichen Streit ausgelöst hat, wird ermittelt.

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An der Ohlmüllerstraße im Stadtteil Au sind Schüsse gefallen, zwei Männer starben. Die Polizei gibt nun erste Informationen zu den Toten bekannt.

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