Mit sogenannten Schockanrufen gelingt es aus dem Ausland agierenden Banden immer wieder, meist ältere Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Methode ist perfide, aus Sicht der Täter aber höchst erfolgreich. Die Anrufer geben sich am Telefon als Polizisten oder Staatsanwälte aus und behaupten ihren Opfern gegenüber, eines von deren Kindern oder ein Verwandter habe einen schweren Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Mensch schwer verletzt oder gar ums Leben gekommen sei. Um zu verhindern, dass ihr Kind oder Angehöriger in Untersuchungshaft komme, müssten sie eine Kaution hinterlegen. Dabei handelt es sich meist um einen sehr hohen Geldbetrag oder Schmuck. Die Beute wird von einem Bandenmitglied an der Haustüre des Opfers abgeholt oder an einem zuvor am Telefon vereinbarten Ort übergeben.
Mykhailo S. und Andrij L. gehörten einer Bande von Schockanrufern an. Am Montag mussten sie sich vor einem Schöffengericht am Amtsgericht München verantworten. Im Frühjahr 2022 machten sie als sogenannte Abholer einer von Polen aus agierenden Bande innerhalb nur eines Tages Beute in Höhe von 68 000 Euro. Am Vormittag des 11. April hatten die Komplizen der beiden zunächst eine 65 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck angerufen und behauptet, ihre Tochter habe einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Radfahrer zu Tode gekommen sei. Nur durch Zahlung einer Kaution könne verhindert werden, dass die Tochter inhaftiert werde.
Bargeld und Schmuck
Die 65-Jährige übergab schließlich 14 000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von 5000 Euro. Abgeholt wurde der Betrag von Mykhailo S. und seinem Komplizen. Das Geld ist weg. Ebenso wie im Fall eines 84-jährigen Münchners. Ihn hatten die Komplizen der Angeklagten ebenfalls an jenem 11. April angerufen und damit konfrontiert, seine Tochter habe bei einem Verkehrsunfall eine Frau tödlich verletzt. Der Senior glaubte, was ihm am Telefon erzählt wurde und übergab an die Mykhailo S. und Andrij L. in Haidhausen 49 000 Euro.
Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Anklage verlesen hatte, kam es auf Initiative der Verteidiger zu einer Verständigung. Im Fall eines umfassenden Geständnisses sicherte das Gericht den Angeklagten Haftstrafen zwischen drei Jahren zehn Monate und maximal vier Jahre zu. Darin einbezogen werde, wie das Gericht festlegte, eine Verurteilung durch das Amtsgericht Ulm im Oktober 2022. Nur zehn Tage nachdem sie im Landkreis Fürstenfeldbruck und in München vermeintliche Kautionen von ihren Opfern entgegengenommen hatten, hatten Mykhailo S. und Andrij L. das Gleiche auch bei einem Mann in Ulm versucht. Doch die Tat misslang. Bei der Übergabe konnten sie festgenommen werden. Das Amtsgericht Ulm verhängte Haftstrafen von zweieinhalb beziehungsweise knapp drei Jahren.
Einen Drahtzieher benannt
Im Pkw von S. und seinem Komplizen hatten die Ermittler zahlreiche Handys sicherstellen können. Fahnder aus München entdeckten bei der Auswertung der Geräte Hinweise darauf, dass diese auch bei der Tat im Landkreis Fürstenfeldbruck und in Haidhausen verwendet wurden.
Nach ihrer vorläufigen Festnahme taten Mykhailo S. und Andrij L. etwas, was in Prozessen um sogenannte Schockanrufe eher selten ist: Sie offenbarten den Ermittlern der Kriminalpolizei den Namen eines der Drahtzieher der Bande in Polen. Der Mann sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Gegen S. und seinen Komplizen verhängte das Schöffengericht jeweils drei Jahre und elf Monate Haft. Die Haftbefehle wurden aufgehoben.