Handwerksmesse und Schmuck:München schmückt sich

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Eine Besucherin in der Galerie Vitsoe während des Ausstellungswochenendes bei „Schmuckmünchen“.
Eine Besucherin in der Galerie Vitsoe während des Ausstellungswochenendes bei „Schmuckmünchen“. (Foto: Johannes Simon)

Broschen aus duftendem Papier, Kette aus Rindermägen: In Museen, Galerien und an vielen anderen Orten ist zu sehen, wie Kunsthandwerker und Designer den Umgang mit Materialien neu denken.

Von Sabine Buchwald

Adrien Brody hat Anfang März bei der Oscar-Verleihung in Los Angeles erneut deutlich gemacht: Mann trägt Broschen. Der Schauspieler holte sich mit einem auffällig geflügelten Anstecker seinen Academy-Award. Bemerkenswert viele Broschen sind dieses Jahr auch bei der „Schmuckmünchen“ zu sehen, der über die ganze Stadt verteilten Schmuckschau, die noch bis Sonntag an vielen Orten - Galerien, Museen, Geschäften, Hotels - stattfindet. Einmal im Jahr wird München zur Metropole für Schmuckkunst, im Zusammenhang mit der Internationalen Handwerksmesse in Riem. Auch dort gibt es alljährlich eine exzellente Schmuckschau.

Leider, man muss es sagen, fällt dieser Termin in den noch immer  frösteligen März, weshalb die Besucher auf dem Weg zu den beteiligten Ausstellungsorten ihren eigenen Schmuck meist unter dicken Schichten tragen. Schade, denn zu diesem inzwischen gigantisch angewachsenen Event reisen Schmuckkünstler und Studierende, Galeristen und Connaisseure aus der ganzen Welt an  - und natürlich nicht ohne eigene Statement-Pieces. Um zu zeigen, was man kann, wie man denkt. Immerhin, bei der Vernissage in der Pinakothek der Moderne am Freitagabend verschwanden Mäntel und Jacken in der Garderobe, und so kamen Broschen, Ketten und Schmuckobjekte verschiedenster Materialien zum Vorschein. Gold, dessen Preis enorm hoch ist in diesen Tagen, und für Designer dadurch eine unwägbare Investition darstellt, war dabei am wenigsten zu sehen. Dagegen fiel etwa das Gehänge aus Haustürschlüsseln und bunten Namensetiketten an der Brust einer jungen Frau auf, das Metallgebilde eines etwa gleichaltrigen Mannes, der sich damit seine schmalen Schultern verbreiterte und Plaketten am Sakko-Revers mit Aufschriften wie: „No, no, no“.

Die Stücke in der Pinakothek der Moderne zogen auch das Interesse vieler junger Menschen auf sich.
Die Stücke in der Pinakothek der Moderne zogen auch das Interesse vieler junger Menschen auf sich. (Foto: Robert Haas)

Bei viel Weißwein und trockenen Brotscheiben drängten sich viele hundert Menschen in der Rotunde und nach den Reden dann um die Ausstellungsstücke. Im Souterrain gibt es bis 21. April Arbeiten von knapp 40 Studierenden der Kookmin Universität in Südkorea zu sehen. Ivan Nalivaiko hat ein „Kettenhemd“ aus getrockneten Orangenschalen mitgebracht, Eunseo Kim einen Halsschmuck aus Rindermägen. Das klingt schräg, zeugt aber von künstlerischer Freiheit, die man dort gewährt. Im oberen Stockwerk zeigt der Neuseeländer Warwick Freeman seine auf der Maori-Tradition basierenden Stücke. So war zur Eröffnung auch ein zeremonielles Lied, gesungen von seinem begleitenden Team, zu hören - als Gastgeschenk an die Pinakothek und die Besucher.

Die Ausstellung „Mindful Mining“ in der Pinakothek der Moderne zeigt Arbeiten von Studierenden aus Südkorea.
Die Ausstellung „Mindful Mining“ in der Pinakothek der Moderne zeigt Arbeiten von Studierenden aus Südkorea. (Foto: Robert Haas)

Die Atmosphäre in der Maxvorstadt, wo sich die Ausstellungsorte ballen, erinnerte davor am Nachmittag ein wenig an die Pariser Fashionweek, wo sich regelmäßig auf den Straßen die Frage stellt: Wo kommen all diese auffällig zurechtgemachten Menschen her? Aus London zum Beispiel, wo in der Galerie des Möbelherstellers Vitsoe Arbeiten der renommierten Central Saint Martins zu sehen sind. Diese Verbindung bestehe seit neun Jahren, erklärt Dozent Max Warren sichtlich erfreut darüber. Denn hier können Studierende und Professoren gemeinsam zu einem Thema ausstellen. In diesem Jahr lautet es „Cycles“, womit Kreise, aber auch Kreisläufe gemeint sind. Er selbst zeigt ein Besteckset, Schmuckstücke für den Tisch, aus recyceltem Silber und Holz. Für Sonntagvormittag stand in der Pinakothek außerdem ein Vortrag der ebenfalls ausstellenden englischen Professorin Caroline Broadhead auf dem Programm.

Eine enge Verbindung von Dozenten und ihren Auszubildenden ist auch der weiße Bus mit Stücken aus der Hochschule Pforzheim. In „Schmuck on wheels“, einer Art kleinem „White Cube auf Rädern“, fährt der aus der Schweiz stammende Schmuckprofessor Andi Gut die Arbeiten seiner Studierenden durch München. Unter der Telefonnummer 0049/15 15 188 33 15, die auf den Außenseiten zu lesen ist, kann man den Bus sogar spontan bestellen. Ebenfalls in kleinem Rahmen stellt die in München lebende Australierin Helen Britton in der Galerie Kunzt66 ihre Objekte aus. Seepferdchen, Hammerhaie, Geckos, Schwerter als Warnsignal.

Stücke aus der Ausstellung „Evolutionary Oddities“ von Helen Britton in der Galerie Kunzt66 in der Türkenstraße.
Stücke aus der Ausstellung „Evolutionary Oddities“ von Helen Britton in der Galerie Kunzt66 in der Türkenstraße. (Foto: Johannes Simon)

Seit vielen Jahren schon stellen die Inhaber der Kunstgießerei in der Schleißheimer Straße, Hasan Göktepe und seine Söhne, ihre Werkstatt für die Schmuck- und Produkt-Klassen der Hochschule Düsseldorf zur Verfügung. Die Münchner Galeristin Sylvia Katzwinkel (84 GHz) kuratiert die Schau. Auch hier: Broschen. Fein gewebter Draht von Kira Huth und gefaltetes, duftendes Papier von Jinrok Do zum Beispiel.

Die Münchner Kunstgießerei in der Schleißheimer Straße ist einmal im Jahr Gastgeber für Schmuckarbeiten der Düsseldorfer Kunsthochschule Peter Behrens.
Die Münchner Kunstgießerei in der Schleißheimer Straße ist einmal im Jahr Gastgeber für Schmuckarbeiten der Düsseldorfer Kunsthochschule Peter Behrens. (Foto: Johannes Simon)

Im Hotel Mariandl in der Goethestraße durften auch dieses Jahr Künstler vier Zimmer belegen. Wortwörtlich. Betten, Heizkörper, Lampen fungieren als Präsentationsobjekte. Der Berliner Silberschmied Ludwig Menzel lässt Ringe in einer frei stehenden Badewanne schwimmen, Friederike Maltz ihre Stahldraht-Ketten und -Armreife auf Bettdecken ruhen und die Zürcher Galeristin Bruna Hauert stellt ihre Fantasiefiguren für kleine Kerzen auf einem Tischchen aus. Vor den Zimmern hört man Künstler und Gäste über Schmuck diskutieren.

Im Hotel Mariandl in der Goethestraße waren unter anderem Arbeiten des Berliner Schmuckdesigners Ludwig Menzel zu sehen.
Im Hotel Mariandl in der Goethestraße waren unter anderem Arbeiten des Berliner Schmuckdesigners Ludwig Menzel zu sehen. (Foto: Johannes Simon)
Arbeiten der Schweizer Galeristin Bruna Hauert.
Arbeiten der Schweizer Galeristin Bruna Hauert. (Foto: Johannes Simon)

Es gibt viele Gründe, um ihn zu tragen. Barbara Schmidt, Leiterin der Galerie Handwerk in der Münchner Max-Joseph-Straße, hat 25 in einem Buch benannt und beschrieben. Auch ihre Galerie ist dieses Jahr wieder ein Mittelpunkt der Szene. Schmuck kann ein Zeichen der Liebe sein, ein Symbol der Gruppenzugehörigkeit, ein Kommunikationsmittel und nicht zuletzt eine Wertanlage. Ein Grund schließt den anderen nicht aus, weil es eben viele Gründe gibt, Schmuck zu tragen oder sich dafür zu interessieren.

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