Schluss für eine Münchner Institution:Backstage sucht neue Heimat

Backstage in München, 2010

Neue Pläne für das Backstage in München

(Foto: Robert Haas)

Eine Münchner Institution für Musikjunkies muss schließen. Wo und wie es für das Backstage weitergehen soll, ist noch nicht sicher, aber Veranstalter Hans Georg Stocker hat schon einen Plan. Unterstützt wird er von einem ungewöhnlichen Bündnis.

Von Sonja Niesmann

Unerbittlich tickt die Uhr. Noch knapp sechs Monate, dann muss das "Backstage", das weit über Münchens Stadtgrenzen hinaus beliebte Veranstaltungszentrum an der Friedenheimer Brücke, sein "Werk" abreißen. In der kleineren Halle und im Club gehen Ende 2014 die Lichter aus. Mehr als die Hälfte des Geländes muss - so lauten die Verträge - zurückgegeben werden an die Grundstücksbesitzerin, die Aurelis Real Estate.

Auf den restlichen 2700 Quadratmetern Grund, die ihm gehören, könnte Betreiber Hans Georg Stocker ein neues Backstage bauen. Aber kann ein Kulturzentrum mit rund 600 Konzerten im Jahr und 200, 300 zusätzlichen Veranstaltungen, von politischen Diskussionen über Abiturbälle bis zum Seniorentag, tatsächlich einen scheibchenweisen Umzug bei laufendem Veranstaltungsbetrieb stemmen? Zumal das "Werk", die Haupteinnahmequelle, für zwei, drei Jahre ausfiele?

Die rettende Insel liegt nur ein paar Schritte entfernt: das sogenannte Deutschmanngelände, das stadteinwärts direkt angrenzt an Stockers Grund. Die Stadt hat dieses Grundstück als Standort für ein Citylogistikzentrum (CLZ) ausgesucht - neben Riem der zweite Standort am Rande der City, an dem mit großen Lastern gebrachte Güter gebündelt und mit möglichst schadstoffarmen Klein-Lkw weiter in die Innenstadt transportiert werden sollen.

Logistik oder Party?

Der Stadtratsbeschluss dazu ist mittlerweile schon einige Jahre alt, bisher hat sich jedoch kein Investor gefunden. Am heutigen Mittwoch steht eine neue Ausschreibung auf der Tagesordnung des Planungsausschusses.

In den vergangenen Monaten ist derweil - Not macht erfinderisch - ein Bündnis an der Friedenheimer Brücke geschmiedet worden. Auch die Post, Nachbarin des Backstage, muss nämlich ihr Paketzustellungszentrum bis spätestens 2015 für Wohnungsbau räumen. Könnte also nicht der Projektentwickler Aurelis, der schon mehrere DHL-Hallen in Deutschland gebaut hat und derzeit auch in Freiham ein altes Bahnausbesserungswerk für die Post umbaut, auf dem Deutschmanngelände ein neues DHL-Zentrum errichten - schließlich ist das auch Logistik?

Schluss für eine Münchner Institution: Hans Georg Stocker sucht nach einem neuen Ort für das Backstage.

Hans Georg Stocker sucht nach einem neuen Ort für das Backstage.

Und daneben wäre noch Platz für ein neues, attraktiveres Backstage, angelegt auf nicht mehr Besucher als jetzt, aber deutlich leiser, weil die Konzertbühnen im Untergrund verschwinden würden. "Das wäre absolut super", sagt Stocker geradezu euphorisch. "Wir sind die richtigen Partner, das Backstage und wir und die Aurelis als Projektant", bekräftigt Jürgen Roth, Immobilienbeauftragter der Post in München.

Die Initiative "Backstage erhalten", gegründet von der Jungen Union und den Jusos in Neuhausen, hatte schon mit einem maßgeschneiderten Antrag in der Neuhauser Bürgerversammlung Ende 2012 versucht, die Weichen in diese Richtung zu stellen: Die Stadt solle ihre Ausschreibung für das Deutschmanngelände revidieren und dem Backstage einen kleinen Teil des Areals verkaufen, forderte Sprecher Leo Agerer.

Es gibt neue Probleme

Einer solch "grundlegenden Umplanung" erteilen das Planungs- und das Kommunalreferat der Stadt in der Stellungnahme für die Sitzung des Planungsausschusses am Mittwoch allerdings eine Absage. Nur ein Zugeständnis will die Verwaltung machen: In die Ausschreibung für das Deutschmann-Gelände solle die Verpflichtung aufgenommen werden, 130 bis 150 Parkplätze einzurichten und sie an den Kulturbetrieb, also das Backstage, zu vermieten.

Denn das ist ein weiteres Problem beim Backstage-Neubau: Kulturzentrum plus die nötigen Parkplätze auf 2700 Quadratmetern unterzubringen. Grundsätzlich will die Stadt, heißt es in der Vorlage für die Sitzung, am Citylogistikzentrum festhalten. Die Umschlagstation sei ein bedeutender Bestandteil des Luftreinhalteplans für die feinstaubbelastete Großstadt.

München braucht Stocker

Stefan Wiegand, Geschäftsführer der Aurelis, will zwar nicht bestätigen, dass sich seine Firma mit dem DHL/Backstage-Konstrukt, quasi einem Citylogistikzentrum 2.0, an der Ausschreibung beteiligen wird. Seine große Sympathie für das Backstage und dessen hochtourigen Motor verhehlt der smarte Manager aber nicht: "So einen wie den Stocker braucht diese Stadt - auch wenn er manchmal mit Tempo 300 in den Bahnhof prescht und die Leute einsteigen lassen will."

Der so Gelobte, meist in ausgebeulten Cargohosen, Fußballschal und Strickmütze gewandet, erwidert das Kompliment zwar ("Die Zusammenarbeit mit der Aurelis ist echt cool"), ist aber zum Zerreißen angespannt. Zwar hat er in den vergangenen Wochen an viele Türen geklopft, bei Stadträten, beim Kommunalreferat, bei der Lokalbaukommission, um für seine Vision vom neuen Backstage zu werben. "Und alle versichern mir, sie wollen uns unterstützen."

Auch der SPD-Oberbürgermeisterkandidat Dieter Reiter hat kürzlich versichert, die SPD wolle künftig verstärkt die "Kreativwirtschaft" in München fördern.

Was aber, fragt sich Stocker, wenn andere Bieter bei der Ausschreibung auftreten, die den Zuschlag bekommen? Oder wenn die Kombination Post/Backstage scheitert? Die Aurelis hat gar nichts zu verlieren. Die Post, unter gewissem Zeitdruck, wird sich einen anderen Standort suchen. Das Backstage, das nach einer bewegten Vergangenheit und bereits drei Umzügen hier an der Reitknechtstraße endlich zur Ruhe kommen wollte, wird dann wohl vor dem Aus stehen.

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