Kampagne:Polizei warnt vor Wucher bei Schlüsseldiensten und Rohrreinigern

Die Polizei warnt vor kriminellen Schlüsseldiensten und Rohrreinigern.

Der 27-jährige Tobias S. sperrte sich aus. Als der Schlüsseldienst kam, musste er 2000 Euro bezahlen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Nach Polizeiangaben ist die Zahl der Fälle von Wucher bei Schlüsseldiensten und Rohrreinigern in letzter Zeit "exorbitant gestiegen".
  • Weil die Täter schwer zu finden sind und die Rechtslage problematisch ist, setzt die Polizei auf Prävention.
  • Wer sich unsicher ist, ob er gerade ausgenommen wird, sollte etwa nicht zögern, die Polizei anzurufen.

Von Julian Hans

Als er nur mit T-Shirt und Trainingshose bekleidet in der Kälte stand, den Wäschekorb in der Hand, und die Türe hinter sich ins Schloss fallen hörte, da ahnte Tobias S. schon, dass dieser 3. November wohl nicht sein Tag war. Der 27-Jährige war erst frisch nach München gezogen, er kannte noch keine Nachbarn und hatte nirgends einen Zweitschlüssel deponiert. Zu allem Überfluss ging der Akku seines Handys zur Neige - er reichte gerade noch, um im Internet einen Schlüsseldienst zu suchen.

"Wie viele Millionen kostet der Spaß", fragte er noch halb im Scherz. Das könne man erst nach Begutachtung der Türe und des Schlosses sagen, war die Antwort. Vier Stunden später war Tobias S. um fast 2000 Euro ärmer. Erst am nächsten Tag ging er zur Polizei.

Die Fälle von Wucher bei Schlüsseldiensten und Rohrreinigern seien in letzter Zeit "exorbitant gestiegen", sagt Michaela Neueder, die stellvertretende Leiterin des Kommissariats 76, das sich mit Betrugsdelikten befasst. Konkrete Zahlen darf sie nicht nennen, dieses Privileg behält sich der Innenminister für seine jährliche Kriminalstatistik vor. Aber die Rede ist von einer "Vervielfachung".

Ein Grund für den Boom könnte sein, dass es rechtlich aber kaum Handhabe gegen die Täter gibt. Wucher liegt dann vor, wenn sich das Opfer in einer Notlage befindet. Nun könnte man es durchaus so deuten, dass eine Notlage vorliegt, wenn Tobias S. im November im T-Shirt auf der Straße steht und nicht weiß, wie er wieder in seine Wohnung kommen soll. Aber in dem Moment, wo die Tür auf ist, hat sich die Notlage erledigt und in der Regel wird die Rechnung danach gestellt.

Weil er die Geschichten von überteuerten Schlüsseldiensten kannte, die von weit her anreisen, hatte der Bahnangestellte darauf geachtet, eine Firma mit Münchner Nummer zu beauftragen. "Am Telefon meldete sich ein Mann mit bairischem Dialekt, das hat mich erst einmal beruhigt", erinnert er sich. Aber die Nummer führte zu einer Firma in Regensburg, die den Auftrag an einen Subunternehmer in Essen weitergab, der seinerseits einen Subunternehmer beauftragte, wie Ermittlungen später ergaben.

Weil die Täter schwer zu finden sind und die Rechtslage problematisch ist und kaum jemand nach einem Verlust von ein- oder zweitausend Euro noch einen Anwalt bezahlen will, setzt die Polizei auf Prävention. Neben dem Zweitschlüssel beim Nachbarn rät Neueder dazu, im Voraus einen Schlüsseldienst in der Nachbarschaft zu suchen. Google spuckt als erstes beworbene Seiten aus, die oft professionell aussehen und gerade damit in die Irre führen.

Er habe sich von dem bulligen Türaufbrecher bedroht gefühlt, der immer aggressiver auftrat und ihn drängte, zur Bank zu gehen, um sofort und in Bar zu bezahlen, erinnert sich Tobias S. Trotzdem rief er nicht die Polizei, weil er sie nicht mit Kleinigkeiten von Wichtigerem abhalten wollte. Ein Fehler, sagt die Kommissarin: Die Einsatzzentrale entscheidet im Zweifel, was wichtig ist. Die Polizisten können zwar weder die Tür aufbrechen, noch einen Preis aushandeln. Aber in Anwesenheit der Beamten dürften sich die Wucherer wenigstens mit Drohungen zurückhalten.

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