Schloss Nymphenburg:Neues Naturkundemuseum "Biotopia" soll 2023 eröffnen

Schloss Nymphenburg: Auf 7000 Quadratmeter soll die Ausstellungsfläche von "Biotopia" wachsen.

Auf 7000 Quadratmeter soll die Ausstellungsfläche von "Biotopia" wachsen.

(Foto: Stand Wettbewerb/oh)
  • Laut Bauplan soll das gesamte Bauvolumen knapp 12 800 Quadratmetern betragen, die Ausstellungsfläche soll fast dreimal so groß werden wie bisher.
  • Die Kosten belaufen sich auf 95 Millionen Euro, die der Freistaat gemeinsam mit einem privat eingerichteten Förderkreis trägt.
  • Der "Masterplan" des Museums sieht enge Kooperationen mit dem Rieskrater-Museum Nördlingen, dem Jura-Museum Eichstätt, dem Urwelt-Museum Bayreuth und dem Naturkundemuseum Bamberg vor.

Von Martina Scherf

Am Anfang steht ein Wort: Biotopia. So soll das neue Naturkundemuseum Bayern heißen, das in Schloss Nymphenburg als Erweiterung des Museums Mensch und Natur gebaut wird. Für Michael John Gorman, den Gründungsdirektor, ist dieser Name Programm.

Es geht ihm um ein neues Verständnis der Lebenswissenschaften und ihrer Vermittlung. Nicht mehr Mensch und Natur, sondern der Mensch als Teil der Natur. Biotopia, in dem Begriff steckt, dass dies ein Ort des Lernens über das Leben ist, aber auch ein Stück Utopie von einer besseren Welt. Am Dienstagabend hat Gorman erstmals seinen Masterplan für das Life Science Museum vorgestellt.

Demnach wird die Ausstellungsfläche künftig fast dreimal so groß wie bisher. Es wird ausreichend Platz für die Dauerausstellungen geben, in denen die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen endlich eine bedeutende Auswahl ihrer mehr als 25 Millionen Sammlungsstücke zeigen können. Darunter finden sich Schätze wie die weltweit größte Schmetterlingssammlung, Mammutschädel, einzigartige Fossilien oder das 27 Meter lange Skelett des Sauriers Diplodokus, das bislang zerlegt im Keller der Zoologischen Staatssammlung schlummert. Mehr als 1000 Quadratmeter sind für Sonderausstellungen reserviert.

Das Museum Mensch und Natur ist mit mehr als 200 000 Besuchern pro Jahr schon jetzt eines der meistbesuchten staatlichen Museen Deutschlands. Hunderte von Schulklassen müssen jedes Jahr abgewiesen werden, weil die Kapazitäten nicht reichen. "Das ist der exzellenten museumspädagogischen Arbeit und der hohen Qualität der Ausstellungen geschuldet", sagte Wissenschaftsstaatssekretär Bernd Sibler beim Festakt im Schloss.

Um diese Möglichkeiten auszubauen und international für den Wissenschaftsstandort Bayern zu werben, erteilte die Staatsregierung vor zwei Jahren den Auftrag für die Erweiterung. Möglich geworden war dies, weil die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ihre Räume in einem Anbau ans Schloss freigemacht hatte. Voraussetzung für die Finanzierung durch den Freistaat war aber, dass mindestens ein Prozent der Baukosten von privater Seite aufgebracht würden.

Auguste von Bayern, Zoologin und Ururenkelin des letzten bayerischen Königs, gründete mit Mitstreitern einen Förderkreis, rührte unermüdlich die Werbetrommel und sammelte in kurzer Zeit eine Million Euro an Spenden ein. Sie will auch weiterhin für das Museum werben. "Ich sehe Biotopia als Chance, den Menschen die Life Sciences näher zu bringen. Es wird immer wichtiger, vor allem Kindern mehr Zugang zur Natur zu ermöglichen", sagt die 37 Jahre alte Vogelkundlerin und Mutter.

Den Architektenwettbewerb gewann im Frühjahr 2014 das Berliner Büro Staab Architekten. Vor einem Jahr kam dann Michael John Gorman aus Dublin, wo er die Science Gallery mit weltweiten Ablegern gegründet hatte, nach München. Er hat seither auch den Lehrstuhl für Life Science in Society an der LMU inne und nahm sich ganz bewusst die nötige Planungszeit.

"Es gibt zu viele Beispiele, wo Gebäude errichtet wurden, ohne dass die Inhalte klar umrissen waren", sagt der 45-Jährige, "dann wird hinterher nur alles viel teurer." Diesen Fehler wollte er unbedingt vermeiden. Zusammen mit dem bisherigen Museumsdirektor Michael Apel, dem Leiter der Zoologischen Staatssammlung Gerhard Hazprunar, Wissenschaftlern der Staatlichen Sammlungen, der Universitäten und künftigen Partnern wie dem Tierpark oder dem Deutschen Museum arbeitete der Ire seine Visionen aus. Das Konzept entstand unter Mitwirkung der amerikanischen Agenturen Lord Culture und Ralph Appelbaum, weltweit führende Museumsplaner.

Das modernste seiner Art

Biotopia, das neue bayerische Naturkundemuseum, soll nach dem Willen seiner Betreiber das modernste seiner Art werden. Es wird dann in Konkurrenz zum berühmten Frankfurter Senckenberg Museum und zum Berliner Museum für Naturkunde stehen. Biotopia wird 6000 Quadratmeter für Dauerausstellungen haben, in denen die wichtigsten Exponate aus den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen gezeigt werden: Schmetterlinge oder Saurier. Mehr als 1000 Quadratmeter sind für Sonderausstellungen reserviert, die viel größere Spielräume eröffnen als das bisher der Fall war. Schulklassen aus ganz Bayern sollen exklusive pädagogische Betreuung erhalten. Bisher reichten die Kapazitäten bei Weitem nicht, um die Nachfrage nach Angeboten des Museums Mensch und Natur zu decken. Auch die Forschung soll sichtbarer werden. mse

Museen müssten heute vor allem auf Dialog setzen und Bezüge zwischen Wissenschaft und dem eigenen Leben herstellen. Biotopia soll dabei für Naturkundemuseen weltweit Vorreiter sein. "Klimawandel, Umweltverschmutzung, Artensterben - die Auswirkungen dieser Phänomene sind täglich sichtbar, und wir sind ein Teil davon", sagt Gorman. Es gehe um Wissen, aber auch um Empathie, dieser Anspruch ist in der Tat neu für ein naturwissenschaftliches Museum. Über das Staunen sollen Besucher dazu kommen, sich Gedanken über ihre Lebensgewohnheiten zu machen, sagt der studierte Physiker und Philosoph.

Bis zur Eröffnung von "Biotopia" 2023 ist ein jährliches Festival geplant

"Es ist wichtig, die Perspektive zu wechseln", stimmt ihm der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar zu, der den Festakt am Dienstag moderiert hat. "In einer Welt, die sich so dramatisch verändert, müssen wir unsere Rolle in der Natur überdenken. Wir verstehen ja noch nicht mal genau, wie die Flügel einer Libelle funktionieren." Die Rolle eines Museums als Bildungsort sei dabei nicht hoch genug einzuschätzen. "Museen müssten eigentlich kostenlos sein", fügt Yogeshwar, an die Adresse der Bildungspolitiker gerichtet, hinzu.

Das Museum wird also nicht nach Arten oder Disziplinen gegliedert wie klassische Naturkundemuseen, sondern nach Aktivitäten und Lebensprozessen, die Mensch, Tier und Pflanze verbinden: "Essen", "Schlafen", "Bauen", "Fortpflanzen" oder "Kommunizieren". Dadurch soll sich der Mensch als eines unter Millionen verschiedener Lebewesen begreifen, die interagieren. Vier Labore werden zum Experimentieren einladen. Es wird Diskussionsplattformen und Exkursionen geben. "Wir haben 200 Vogelarten im Schlosspark, wer kennt die schon?", sagt Gorman.

Digitale Medien sollen eher behutsam eingesetzt werden. Aber Besucher werden zum Beispiel mit Augmented-Reality-Helmen Ökosysteme quasi "live" erleben können, etwa die Welt durch die Augen einer Giraffe oder eines Hammerhais sehen. Es wird ein Kinderreich für die Kleinen geben, Hauptzielgruppe seien aber die Zehn- bis 14-Jährigen, sagt Gorman. "Das ist die Nahtstelle zwischen Kind und Erwachsenem, da gilt es, die Neugier zu erhalten, die später oft verloren geht."

Eine enge Kooperation plant Gorman mit den umliegenden Forschungseinrichtungen, Universitäten, Hochschulen, der Max-Planck-Gesellschaft. Mit den Zweigmuseen, dem Rieskrater-Museum Nördlingen, dem Jura-Museum Eichstätt, dem Urwelt-Museum Bayreuth und dem Naturkundemuseum Bamberg, soll ein enges Netzwerk geknüpft werden. Die heimische Geologie, Flora und Fauna sollen einen besonderen Stellenwert erhalten.

In den kommenden Monaten werden die Pläne mit den Architekten weiterentwickelt. Dass es in jüngster Zeit Proteste von Anwohnern gab, überrascht ihn, sagt Gorman, "es war doch alles mit Stadtplanung und Denkmalschutz geklärt". Er habe "sehr viel Respekt vor den Architekten", die mit Dutzenden von Museumsbauten, etwa dem Richard-Wagner-Museum in Bayreuth oder dem Wittelsbacher Museum am Fuße von Neuschwanstein, bewiesen hätten, dass sie Moderne und historisch gewachsene Strukturen hervorragend zu verbinden wüssten. Sobald die Entwürfe konkretisiert seien, sollen sie der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Der bestehende Anbau ans Schloss wird abgerissen. Baubeginn wird frühestens 2019 sein. Das gesamte Bauvolumen mit Ausstellungsfläche, Laboren, Verwaltung, Service wird knapp 12 800 Quadratmeter umfassen. Die Kosten liegen laut Masterplan bei 95 Millionen Euro. In der Bauphase wird das bestehende Museum geschlossen werden. Damit die Besucher es nicht vergessen, will Gorman ein jährliches Festival veranstalten und mit kleineren Ausstellungen auf andere Orte ausweichen. Die Eröffnung von Biotopia ist für 2023 geplant.

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