Ein Rind liegt noch einsam herum, der Rest des Zulaufs zur Schlachtung ist leer. Ein paar Häuser weiter pickt eine Krähe in einer kleinen Blutpfütze. Geschäftig laufen Männer und Frauen in weißen Kitteln und mit weißen Hauben über den Hof, Lieferwagen fahren aufs Gelände, Blutgeruch liegt in der Luft. Schilder von Fleischhändlern sind allgegenwärtig, Kunden stehen Schlange an den Verkaufsständen. Es herrscht geschäftiges Treiben im Münchner Schlachthof. Doch inzwischen hat man den Eindruck, dass auf dem Gelände eher der Verkauf als die Schlachtung von Tieren im Vordergrund steht.
Anfang der 2000er Jahre wurden die Schlachtbetriebe für Rinder und Schweine privatisiert, der Hof hat sich über die Zeit stark verkleinert. An der Kapuzinerstraße hat in einem großen Teil der ehemaligen Anlage das Arbeitsamt seinen Platz gefunden. Die Geschäfte, so ist von Beschäftigten auf dem Schlachthofgelände zu hören, seien schwierig. Die Fleischbranche sei durch Preisdumping kaputt gemacht worden, Fleisch werde auch von außen zur Verarbeitung angeliefert. Genaue Zahlen sind schwer zu bekommen.
Die Schlachtbereiche sind seit gut zehn Jahren an zwei GmbHs verpachtet: an die Schweineschlachtung und die Schlachthof Betriebs GmbH, die Rinder tötet und zerlegt. Hinter der Schweineschlachtung stehen die großen Drei der Münchner Fleischbranche: Vinzenzmurr, MRT Leidmann und Fleischgroßhandel Bauer, sie sind zugleich diejenigen, deren Tiere dort fast ausschließlich geschlachtet werden. Für kleinere Metzger lohnt es sich kaum noch, selbst zu schlachten. Fleisch ist so billig, dass nur die Masse Gewinn bringt. Hinter der Rinderschlachtung, die 8000 Quadratmeter des Schlachthofs gepachtet hat, steht die Firma Attenberger. Sie kann nach eigenen Aussagen 70 Tiere in der Stunde schlachten, wie viele es tatsächlich sind, ist nicht zu erfahren.
Es ist ein verschlossenes Metier. Vor drei Jahren gab es mächtig Ärger auf dem Gelände. Da verloren 25 Schweineschlachter über Nacht ihren Auftrag, den sie 30 Jahre lang erfüllt hatten: als Gemeinschaft, per Werkvertrag hatten sie Sauen getötet und halbiert, zum Stückpreis von 2,50 Euro, plus 4300 Euro Reinigungspauschale monatlich. Als ihre Auftraggeber den Preis drücken wollten, kam das Aus. Die Arbeit übernahmen, wie an nahezu allen deutschen Schlachthöfen, Schlachter aus Osteuropa.
Die Behörden und Politiker hüllten sich damals zu den Vorgängen in Schweigen, denn seit 2004 ist die Stadt nur noch der Betreiber des Geländes. "Das ganze Schlachthofgelände ist zwar in städtischem Besitz, allerdings gilt für die Privateigentümer das Erbbaurecht", sagt Gerhard Harter, Verwaltungsleiter des Eigenbetriebs, zu dem auch Viehhof und Großmarkthalle gehören. Dass der Schlachtbetrieb geschrumpft ist, wundert Harter nicht. "Das Konsumverhalten hat sich verändert", das merke man daran, dass immer mehr Schlachthöfe zusammengelegt werden. "Es wird weniger geschlachtet, wenn weniger Bedarf da ist", so Harter.
Das trifft auch den Münchner Schlachthof, der eine bewegte Geschichte hinter sich hat. Unhaltbare hygienische Zustände, unter anderem ausgelöst durch die Entsorgung von Schlachtabfällen über die Stadtbäche, brachten im 19. Jahrhundert mehrere Choleraepidemien über die Stadt. 1876 wurde deshalb der zentrale Schlacht- und Viehhof nach den Plänen des Stadtbaurates Arnold Zenetti gebaut. Im Laufe der Zeit gab es mehrere Erweiterungen, Bank- und Bürogebäude fanden hier ihren Platz. Trotz großer Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ging der städtische Betrieb weiter, die Anlagen wurden im Laufe der Zeit immer wieder modernisiert.
Historisch gehört auch der ehemalige Viehhof zur Anlage des ehemaligen Schlachtbetriebs. Hier wurden früher die Tiere angeliefert, bevor sie auf dem Schlachthof ihr Ende fanden. Heute entdeckt man nur noch wenige Anzeichen, die auf die frühere Nutzung hinweisen. In einer abgelegenen Ecke des Areals wird Mist abgeladen. Ein Mann im weißen Kittel wäscht ein Fleischtransportauto mit Desinfektionsmittel aus, in einer Ecke steht ein Metzger. Ansonsten: Ein Spirituosenladen, ein Feinkostgeschäft, ein Fisch-Großhandel, ein Messer-Schleifer und mehrere kleine Büros.
Insgesamt 59 gewerbliche Mieter befinden sich auf dem Gelände. Mit Fleischproduktion hat kaum einer etwas zu tun. An einer Seite, durch einen Bauzaun vom restlichen Areal abgetrennt, gibt es im Sommer ein Freiluftkino. Alles ein wenig heruntergekommen, aber durchaus mit Charme, Unkraut sprießt an vielen Ecken, die alten Backsteinhäuser wirken abgewohnt.
Lärm und Gerüche
Es könnte sich hier aber bald einiges ändern. Es gibt Pläne, dem Volkstheater hier eine neues Zuhause zu geben, auch von Wohnungsbau ist die Rede. "Wir wollten, dass es einen ordentlichen Bebauungsplan gibt, damit das Gelände nicht opportunistischen Bestrebungen zum Opfer fällt", sagt Beate Bidjanbeg vom Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. "Das Gelände ist Vielem ausgesetzt, Lärm, Gerüchen, die Bauten stehen unter Denkmalschutz. Diese vielen Einflüsse erschweren die Planung des Areals." Um das Gelände des Viehhofs im Sinne der Bürger zu gestalten, habe man diese befragt und Ideen gesammelt. Bezahlbarer Wohnraum, Grünflächen, vor allem aber die Identität des Areals zu erhalten, sei den Bürgern wichtig gewesen.
"Genau weiß aber niemand, was hier gemacht wird", sagt Angelika Mocciaro. Sie betreibt seit zwölf Jahren mit ihrem Mann einen italienischen Feinkostladen. "Die Gewerbetreibenden fürchten, dass hier Wohnungen gebaut werden." Lieferwagen mit der Ware kommen hier morgens an, es riecht häufig nach Essen. "Das würde einigen Krach geben, Wohnungsbesitzer sind da meistens nicht so tolerant."
Man müsse in diesem Fall wohl mit starken Auflagen rechnen. Im Herbst werden Planungs- und Kommunalreferat die Ergebnisse der Ideenworkshops dem Stadtrat vorlegen. Angelika Mocciaro hat eine eigene Vorstellung davon, wie es auf dem Viehhof weitergehen soll. "Man sollte hier einen Kompromiss finden, sodass man die Freiflächen nutzt, aber auch die Gewerbetreibenden einbindet."