Süddeutsche Zeitung

Bahnhofsviertel:In die Schillerstraße kommen noch mehr Hotels

  • Die Münchner Hotellandschaft ist in Bewegung: Das "Conrad-Hotel de Ville" in der Schillerstraße muss schließen.
  • Das Haus gehört nicht dem Hotelier selbst, sondern dem Kollegen vom Hotel Condor um die Ecke, dessen Tochter nun ein eigenes Haus eröffnen wird.
  • Außerdem kommt neue Konkurrenz in die Straße, der die höchste Hoteldichte Europas zugeschrieben wird: Offenbar plant ein Investor einen Neubau zusammen mit der Kette "Motel One".

Von Franz Kotteder

Als Conrad Mayer im Sommer öffentlich seinen Rückzug vom Vorsitz des Münchner Hotel- und Gaststättenverbands ankündigte, wussten die wenigsten im Saal, dass der 59-Jährige nicht amtsmüde geworden war. Sondern dass ihm ganz einfach zum Jahreswechsel sein eigenes Hotel abhanden kommen würde. Denn das "Conrad-Hotel de Ville" in der Schillerstraße 10 wird es in ein paar Wochen nicht mehr geben. Das Gebäude, in dem er sein Hotel betreibt, gehört ihm nicht. Der Hauseigentümer - pikanterweise der Hotelierskollege vom Hotel Condor um die Ecke - hat eine Tochter, die Hotelkauffrau gelernt hat und das Erlernte nun in die Praxis umsetzen will.

Es sind bewegte Zeiten in der Münchner Hotellerie, und die Schillerstraße steht in mehrfacher Hinsicht beispielhaft für das, was sich so tut in der Branche. 35 neue Hotels werden in den nächsten zwei Jahren in München eröffnet. Es sind einige Häuser im Hoch- und Höchstpreissegment dabei, etwa das Rosewood in der ehemaligen Bayerischen Staatsbank, deren Umbau im Januar beginnen soll. Es sind vor allem aber auch viele große, zum Teil internationale Ketten zugange. Für die ist ein Beherbergungsbetrieb in München offenbar das Gleiche wie eine gut gehende Goldgräberei. Würde im gleichen Verhältnis so viel Geld in den Wohnungsbau investiert wie in den neuer Bettenburgen, dann wäre die Stadt längst komplett überbaut und hätte wohl auch, mangels Nachfrage, kein Problem mit viel zu hohen Mieten mehr.

Auch das lässt sich exemplarisch erleben in der Schillerstraße, die gerne als "die Straße mit der größten Hoteldichte von ganz Europa" bezeichnet wird. Ob das stimmt, lässt sich kaum nachprüfen. Südlich des Bahnhofs gibt es aber schon jetzt fast 120 Hotels, die meisten in unmittelbarer Bahnhofsnähe. In der Schillerstraße reiht sich eines an das nächste, und für Unruhe sorgen die Pläne eines Grünwalder Investors, zusammen mit "Motel One" einen Neubau mit 280 Zimmern und dann wohl 560 Betten an den Anfang der Schillerstraße hinzustellen. Damit nicht genug: Auch auf der anderen Straßenseite, in der Bayerstraße 25, soll ein Hotel entstehen, mit weiteren 177 Zimmern (sowie 3000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche, aber das nur nebenbei). All das auf einem Gebiet, das nur 0,2 Prozent der Stadtfläche umfasst, aber bereits jetzt 60 Prozent aller Münchner Hotels beherbergt.

Für die vielen kleinen, familiengeführten Hotels an der Schillerstraße sind die neuen Pläne ein Desaster, sollten sie tatsächlich verwirklicht werden. Und es kann gut sein, dass die Nachfolgerin von Conrad Mayer, die ihr AWA-Hotel schon im März eröffnen will, angesichts der drohenden Konkurrenz nicht so glücklich werden wird, wie sie sich das heute vielleicht noch vorstellt.

Noch hat sich die Schillerstraße ja ihren rauen Charme und ihr eigenes Gesicht bewahrt. Hier ist noch wirkliches Bahnhofsviertel. Es gibt Table Dance im "Broadway Club", direkt daneben, in der "Dolly Bar", wird noch gestrippt, was das Zeug hält und das Lokal "Bad Angel" sieht auch so aus, als ob da die Würde der Frau eher eine Frage des Geldes ist. Zugleich findet man kleine Läden, die Gemüse und Lebensmittel verkaufen, aber auch diverse andere Waren. So genau lässt sich das nicht sagen, wenn man nicht gelernt hat, arabische Schriftzeichen zu lesen. Manche in der Straße stört das - es stört sie weniger, dass die Fassade des Hauptbahnhofs ums Eck aussieht wie ein verlassener Verwaltungsbau in Daressalam, aber das ist eine andere Geschichte. Die Hoteliers, die mit ihren arabischen Nachbarn zu tun haben, loben hingegen oft die Qualität ihrer Ware und auch, dass sie ausgesprochen hilfsbereit seien und sehr höflich.

Freilich: Die Schillerstraße ist auch einer der wenigen Orte in der Stadt, wo man abends oder nachts jenes mulmige Gefühl bekommen kann, das man von Reisen nach New York oder Tanger kennt. Dass man nämlich urplötzlich in die falsche Gegend geraten ist, ohne es zu merken.

Die kleinen Hotels helfen sich gegenseitig

"Ja", sagt Ludwig Reinbold, "so zufrieden unsere Gäste mit den Zimmern sind - manche schreiben uns schon als Feedback, dass sie beim Aussteigen aus dem Taxi Angst bekommen haben." Reinbold ist nicht nur mit seinem Bruder Mathias Wiesnwirt im Schützen-Festzelt, sondern auch Geschäftsführer des Hotels "Drei Löwen" auf Nummer 8, in der Schillerstraße wohl das beste Haus am Platze. Er hat keine Angst vor der neuen Konkurrenz. Die wildert schließlich in einem anderen Segment. Sein Haus ist gerade renoviert worden, alle Zimmer haben Klimaanlage und große Bäder, seine Kundschaft ist eine andere als die von "Motel One". Eine bessere Lage als die seines Hotels kann er sich nicht vorstellen, selbst wenn es manchmal Klagen gibt: "Eigentlich sind die Verhältnisse in unserem Bahnhofsviertel wirklich gut. Verglichen mit Berlin oder Hamburg können wir uns da glücklich schätzen."

Ninja Höfler vom "Schillerbräu" und dem MK-Hotel auf Nummer 23 sagt das im Grunde auch. Der Zusammenhalt speziell der kleinen Hotels in der Straße sei sehr schön, man helfe sich auch gegenseitig aus. Das ist schon beachtlich, denn eigentlich war ja auch das MK-Hotel ein Eindringling: Es gehört ebenfalls zu einer - wenn auch kleinen - Kette, die wiederum dem mittelständischen Unternehmen Lindner Group aus dem niederbayerischen Arnstorf gehört. Erst vor eineinhalb Jahren wurde das neugebaute Hotel mit seinen 51 Zimmern und dem Wirtshaus mit der Mini-Brauerei eröffnet. Sorgen machen sich die Höflers schon, was die Zukunft angeht, denn die Hotelpläne am Nordende könnte ihr Hotel hart treffen: "Wir können nicht so flexibel auf die Auslastung reagieren wie eine große Kette", sagt Ninja Höfler. Deshalb haben sie sich der Initiative des Hotels "Schiller 5" angeschlossen, die den Widerstand von gut 15 kleineren Hotels in der Straße koordiniert.

Den wiederum organisiert Peter Schörken, Schwiegersohn des Hotelbesitzers. Der sieht bei aller Bedrohung doch auch Licht am Horizont: "Die neuen Projekte sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Jetzt muss die Politik handeln, wenn sie den Kollaps eines ganzen Viertels vermeiden will." Das sagt Conrad Mayer als Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands schon länger, auch bezogen auf die ganze Stadt. Sollte sich der Wind tatsächlich drehen, wird ihm das freilich nichts mehr nützen, das Conrad-Hotel wird trotzdem schließen. Ob und wie er weitermachen wird, weiß er derzeit noch nicht.

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SZ vom 24.11.2018/axi
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