Schießen:Gleiche Ladung für alle

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„Es wird schon ein bisschen anstrengender“, ahnt Lisa Haensch vom Bund München. Die Angleichung an die Wettkämpfe der männlichen Schützen findet sie aber fair: „Warum sollten wir weniger Schüsse haben?“ (Foto: Claus Schunk)

Die Weltelite der Schützen trifft sich in Garching. Erstmals müssen dort Frauen im Vorkampf ebenso viele Schüsse abgeben wie Männer.

Von Julian Ignatowitsch, München

Er müsse gleich los, sagt Ralf Horneber. Die Schützen aus Sri Lanka vom Bahnhof abholen. Er stockt kurz. Nein, vom Flughafen natürlich, verbessert er sich und lacht. In diesen Tagen kann man schon mal durcheinander kommen beim Bayerischen Schützenbund (BSSB). Es gibt viel zu tun, viel zu planen und aufzubauen. Beim Internationalen Wettkampf (IWK) auf der Olympia-Schießanlage in Garching, der seit diesem Jahr zwecks Sponsoring offiziell H&N Cup heißt, gehen von Donnerstag bis Samstag (25. bis 27. Januar) etwa 700 Schützen aus 51 Ländern an den Start. Und nicht nur das weit gereiste Team aus Sri Lanka fordert Betreuung ein. "Die Organisation eines solchen Wettbewerbs ist schon immer eine Herausforderung", sagt Horneber. Schließlich handelt es sich nicht um irgendein Event.

Der IWK gilt alljährlich als Saisonauftakt für die internationalen Profischützen im Luftdruckbereich und als Testlauf für Europa- und Weltmeisterschaften. So auch in diesem Jahr. Vier Wochen vor der EM im ungarischen Györ sind fast alle deutschen Top-Athleten am Start, darunter auch die Münchnerin Isabella Straub und der Lengdorfer Maximilian Dallinger (beide Luftgewehr) sowie die Olympia-Zweite Monika Karsch aus Regensburg (Luftpistole). Sie alle rechnen sich auch gute Chancen auf eine WM-Teilnahme in Changwon in Südkorea aus. Dort beginnt im August der Kampf um die ersten Quotenplätze für die Olympischen Spiele 2020.

Der Mehraufwand durch die neuen Regeln könnte für kleinere Veranstalter zum Problem werden

Dazu wird in München erstmals nach den neuen Regeln des Internationalen Schießverbandes (ISSF) geschossen - nämlich bei Frauen und Männern einheitlich. Das Thema Gleichberechtigung, vom Internationalen Olympische Komitee vorangetrieben, macht auch vor der Schützenwelt nicht Halt. Ab dieser Saison absolvieren Frauen und Männer im Vorkampf die gleiche Schusszahl. Statt wie bisher 40 Mal drücken nun auch die weiblichen Athleten 60 Mal den Abzug. Das finden aber nicht alle gut. BSSB-Sportdirektor Horneber sieht die Anpassung kritisch. "Der Organisationsaufwand wird für uns noch größer", erklärt er. "Die Wettkämpfe dauern länger, der Zeitplan wird straffer." In drei Tagen lässt sich der IWK gerade noch so bewältigen - der Größe und guten Infrastruktur auf der Olympiaschießanlage sei Dank. Anderenorts könnte es schwieriger werden, meint Horneber, der auch auf einen finanziellen Mehraufwand für Vereine und kleine Veranstalter hinweist. Gerade im Kleinkaliber-Bereich schlage die Aufstockung der Schusszahl besonders durch, weil hier auch Kraft und Ausdauer eine große Rolle spielen. Beim deutschen und bayerischen Verband zeigt man sich doch "sehr überrascht" von dieser kurzfristig vorgenommenen Regeländerung. "Beim Biathlon laufen Männer und Frauen ja auch unterschiedlich lange Strecken", meint Horneber.

Die weiblichen Schützen sind indes eigentlich ganz glücklich mit der Gleichbehandlung. "Ich finde das fair", sagt Lisa Haensch vom Bund München und fragt: "Warum sollten wir weniger Schüsse haben?" Die Ergebnisse von Frauen und Männern werden nun vergleichbarer. Und so dürfte sich bestätigen, was in den vergangenen Jahren schon der gefühlte Eindruck war: Die deutschen Frauen sind den Männern im Luftdruckbereich momentan überlegen. Die Fränkin Julia Simon erzielte gleich bei der EM-Qualifikation am Luftgewehr einen neuen Maximalwert von 634,1 Ringen mit 60 Schuss. Weitere Top-Ergebnisse werden folgen.

Die Unterschiede zwischen der Weltspitze und dem Rest könnten durch mehr Schüsse zukünftig bei den Frauen deutlicher zu Tage treten. "Und es wird schon ein bisschen anstrengender", erklärt Haensch. "Aber mehr auf Konzentrations- als Konditionsebene". Probleme sieht sie, wenn dann, auch im KK-3-Stellungswettkampf, wo die Anpassung tatsächlich eine körperliche Mehrbelastung mit sich bringt. "Das Kniend-Schießen wird verdammt schwer", meint Haensch. Die Hobbyschützen könnte das abschrecken, Horneber spricht von "Motivationsproblemen". Hier ist nun der nationale Verband gefragt, der bei den nichtolympischen Veranstaltungen eingreifen könnte. Aber 60 Schuss - "das ist kein Problem", sagt Schützin Lisa Haensch.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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