Süddeutsche Zeitung

Schienenverkehr:Die Bahnstrecke Richtung Landshut bleibt ein Ärgernis für Pendler

  • Auf der Strecke der S 1 werden zwischen Moosach und Feldmoching beide Gleise erneuert.
  • Vom 4. bis 25. August müssen die Passagiere der S 1 für diesen Abschnitt in Busse umsteigen.
  • Der Ausbau der Strecke München-Freising-Landshut wird voraussichtlich nicht vor Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke starten.

Von Andreas Schubert

Jedesmal, wenn in Online-Fahrplänen das Kürzel SEV auftaucht, wird es den betroffenen S-Bahn-Fahrgästen ganz flau in der Magengegend. SEV steht für Schienenersatzverkehr. Es könnte aber auch für "super effektive Verzögerung" stehen, für "so ein Verhängnis" - oder Schlimmeres. Was genervten Passagieren halt so alles einfällt, wenn die Reise plötzlich eine halbe oder eine ganze Stunde länger dauert, da wird man schon mal ausfallend.

Von diesem Freitag an kommen die Freisinger in den vollen Genuss eines SEV. Denn die Bahn baut mal wieder: Auf der Strecke der S 1 werden zwischen Moosach und Feldmoching beide Gleise erneuert, das bedeutet: Vom 4. bis 25. August müssen die Passagiere der S 1 für diesen Abschnitt in Busse umsteigen. Wer direkt von München nach Freising will, tut gut daran, mit einem Regionalzug zu fahren. Die verkehren zwar in der Regel auf denselben Gleisen, werden aber während der Bauzeit umgeleitet, was den Reisenden immerhin das Umsteigen erspart - nicht jedoch, dass die Fahrt auch hier etwa 15 Minuten länger dauert.

Der Streckenabschnitt zwischen München und Freising gilt als anfällig - auch wenn gerade keine Bauarbeiten stattfinden. Seit Jahren müssen sich die Fahrgäste der S 1 mit Verspätungen abfinden. Langsamfahrzonen, Gleissperren, Probleme an den Bahnübergängen kennen die Pendler zur Genüge. Kein Wunder: Die Strecke ist hochfrequentiert. Inklusive Güterverkehr, Regionalzügen und S-Bahnen sind täglich rund 270 Züge darauf unterwegs. Der Mischverkehr führt dazu, dass S-Bahnen immer wieder verspätete Regionalzüge vorbeilassen müssen.

Und erst im vergangenen Jahr waren immer wieder Gleise gesperrt, denn die Strecke ist auch beim Material stark beansprucht: Alle zwei Stunden ist auf ihr ein Regionalzug über Regensburg nach Nürnberg unterwegs, er wechselt sich im Stundenrhythmus mit dem Alex ab, der über Regensburg nach Hof fährt. Zusätzlich nutzt der Donau-Isar-Express zwischen München und Passau stündlich die Strecke. Dazu kommen die vielen Güterzüge.

Auch wenn die Gleise nun nach und nach ertüchtigt werden, wird sich für die Passagiere der S 1 wohl so schnell nicht viel ändern. Zwar ist im "Drei-Stufen-Plan" von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zum Ausbau des Bahnknotens München in der dritten Phase der Ausbau der Strecke München-Freising-Landshut vermerkt. Eine zeitliche Angabe gibt es allerdings nicht, fest steht anscheinend aber: Vor Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke wird das Projekt nicht angegangen. Und die Stammstrecke wird frühestens 2026 fertig sein. Vielleicht könnte dann irgendwann in den 2030ern die S-Bahn-Strecke nach Norden ausgebaut werden, vielleicht aber auch erst später - oder gar nicht.

So manches Projekt wird sich noch gut 20 Jahre hinziehen

Denn neu ist die Idee, ein separates Gleis nur für die S 1 zum Flughafen entlang der Autobahn A 92 zu bauen, ja nicht gerade. Fahrgastverbände wie Pro Bahn fordern dies bereits seit Mitte der Neunzigerjahre. Und es gab bereits Überlegungen für die Trasse. Dann aber, vom Jahr 2000 an, plante die Bahn den Transrapid, der 2008 wieder beerdigt wurde, von der S-Bahn auf jener Strecke war seither nicht mehr die Rede.

Pro-Bahn-Sprecher Andreas Barth mutmaßt, dass es eine Präferenz für die Flughafenlinie S 8 gibt. Die soll bekanntlich tatsächlich ausgebaut werden und in Johanneskirchen unterirdisch verlaufen. Auch das ist ein Projekt, das sich noch gut 20 Jahre hinziehen wird. Barth sieht die aus seiner Sicht vernachlässigte S 1 künftig sogar noch mit mehr Problemen konfrontiert. Und zwar, wenn - wie geplant - die Bahnstrecke Regensburg-Hof elektrifiziert wird. Wenn dieser Ost-Korridor durchläuft, wäre auch auf der Schiene Platz für den sogenannten Seehafen-Hinterland-Verkehr, sprich: Von den Häfen im Norden könnten Güter per Bahn nach Italien transportiert werden - und diese Strecke würde dann voraussichtlich auf eben jenem Mischgleis verlaufen, das sich die S 1 schon heute mit den anderen Zügen teilen muss.

Klingt zunächst toll, wenn Waren nicht mit Lastwagen transportiert werden, sondern auf der Schiene. Doch ohne einen Ausbau der S 1 gehe das zu Lasten der Fahrgäste, glaubt Barth. Sein Urteil: "Die DB-Netz hat nicht den Fahrgast im Blick."

Bauen muss die Bahn dennoch: An diesem Wochenende geht auf der S 1 in Richtung Flughafen gar nichts mehr: Wer von München aus mit der S-Bahn zum Airport fahren will, muss die S 8 nehmen, da von Freitagabend bis Montagfrüh auch die S 1-Strecke zwischen Neufahrn und Flughafen gesperrt ist. Der Grund: Die Bahn baut neue Weichen für die Neufahrner Kurve ein. An zwei Nächten im August (12./13. und 26.27.) ist dieser Abschnitt ebenfalls gesperrt, weil die Bahn im Stellwerk ein Softwareupdate vornimmt.

Nach den Plänen des Innenministeriums soll es irgendwann besser werden mit der Flughafenanbindung von München aus, das aber dauert noch lange - und die Verbesserungen sind eh relativ. Die Neufahrner Kurve, die Ende 2018 in Betrieb geht, bringt vor allem dem Regionalverkehr aus Ostbayern etwas. Und wenn der Airport nach der avisierten Fertigstellung des Erdinger Ringschlusses um 2026 herum auch mit der S 2 über Erding erreichbar ist, würde die Anreise vom Marienplatz etwa eine Stunde dauern, nach Erding ist man derzeit 47 Minuten unterwegs.

Und die S 1? Die wird zwar schon bald auf neuen Schienen rollen, die altbekannten Probleme werden damit aber nicht beseitigt sein.

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Quelle:
SZ vom 03.08.2017/libo
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