Schauspielerin Marlene Morreis:Mal derb, mal mädchenhaft

Lesezeit: 5 min

Schon allein der Mund ist großartig: Schauspielerin Marlene Morreis hatte in den USA fast eine große Serienrolle erhalten. Nun ist sie nach München zurückgekehrt, jobbt als Türsteherin im Atomic Café - und rückt dem großen Durchbruch immer näher.

Michael Bremmer

Schon der Mund ist großartig. Ein Versprechen. Auf einen Witz. Auf einen richtig guten Witz. Alleine das ganz normale Lächeln der jungen Münchner Schauspielerin Marlene Morreis reicht, um Menschen, die ihr gegenüber sitzen, in gute Laune zu versetzen. Beginnt sie dann auch noch zu lachen, mit weit geöffnetem Mund und zugekniffenen Augen, fällt es schwer, nicht mitzulachen.

Dieses Gesicht sollte man sich merken: Im vergangenen Winter ist die Schauspielerin Marlene Morreis aus New York zurück nach München gekommen. Nun bekommt sie jede Menge Rollen angeboten: für Kinofilme, größere TV-Produktionen, Werbetrailer. (Foto: Stephan Rumpf)

Aber auch das ist noch nicht alles. Spätestens wenn die Schauspielerin dann auch noch ihren Mund zu einer breiten Grimasse verzieht, wenn sich ihre Lippen mit den Grübchen verbrüdern, weiß man, warum Regisseure die gebürtige Österreicherin auswählen, wenn sie für ihr Stück ein Päckchen Brausepulver brauchen.

Marlene Morreis ist keine Ulknudel. Sie ist eine Frau um die 30 mit einer spannenden Vita. Eine Schauspielerin, die schon als Studentin in einem Kinofilm von Klaus Lemke die Hauptrolle bekam. Die das Angebot von Pro 7, bei einer Daily Soap mitzuspielen, ablehnte und stattdessen bei einer Shakespeare-Produktion in Alaska anheuerte. Die nach New York zog, um dort Schauspiel zu studieren, die bereits die Zusage für eine Episoden-Hauptrolle bei der US-amerikanischen Fernsehserie "Law & Order" hatte - bis sich herausstellte, dass sie nur ein Künstlervisum und keine Green Card besitzt.

Die seit vergangenem Winter wieder zurück in München ist, ab und an als Türsteherin im Atomic Café arbeitet - und seit wenigen Wochen jede Menge Rollen angeboten bekommt: für Kinofilme, größere TV-Produktionen, Werbetrailer. Und die sich bei diesen Aussichten gerade ärgert, ihren Koffer mit Winterklamotten im April zurück nach New York gebracht zu haben. Doch der Reihe nach.

Wenn man so will, hat die Schauspielkarriere von Marlene Morreis am Zapfhahn begonnen - und als Folge zufälliger Begegnungen. Nach dem Abitur zieht die junge Österreicherin nach München, um dort Nordische Philologie und Germanische Altertumskunde zu studieren. Nebenbei arbeitet sie als Kellnerin in zahlreichen Kneipen, auch im Atzinger, einer Studenten-Kaschemme im Uni-Viertel. Stammgast ist damals unter anderem Klaus Lemke, eigenwilliger Münchner Filmregisseur, der früher Sternchen und Schauspieler wie Dolly Dollar, Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek entdeckt hat und 2010 mit dem Filmpreis der Stadt München ausgezeichnet worden ist.

Bande film- und sexsüchtiger Jugendlicher

Gewöhnlich arbeitet Lemke nur mit Laien, demnach auch mit Bedienungen, weswegen Marlene Morreis eines Abends mit einer Kollegin in Lemkes Appartement eingeladen ist. "Was ist denn das für einer", denkt sich die Studentin. Völlig gelangweilt sei sie beim Privat-Casting dagesessen, unbeeindruckt - am Tag darauf hat sie die Hauptrolle in dem Film "Running Out of Cool" - in dem, so die Kurzbeschreibung, eine Bande film- und sexsüchtiger Jugendlicher Kamera, Besetzung und Story für ihren ersten Film zusammenklauen.

Viel Lob, wenig Publikumsbeachtung gibt es für diesen Streifen - aber für Marlene Morreis ist es immerhin der Start ihrer Schauspielkarriere, die durch weitere Kellnerjobs angetrieben wird. So bedient sie im Lustspielhaus - und bekommt dort erste Bühnenrollen: Sie spielt unter der Regie von Gabi Rothmüller eine Jungfer in "Siegfried", eine Magd in "Der Watzmann ruft". Ein Casting für eine Daily Soap im Privatfernsehen läuft erfolgreich, aber Morreis sagt Pro 7 ab. Sie zieht lieber nach Alaska.

2003, nach ihrem Uni-Abschluss, ist sie schon einmal ein halbes Jahr dort gewesen. Hat in einem Kaff namens Ester im "Golden Eagle Saloon" bedient, Bier an Holzfäller, Zimmermänner, Goldgräber, Geologen und Hippies verkauft. Hat in ihrer Freizeit einen Theaterregisseur kennengelernt, der jeden Sommer in die Gegend kommt, um mit Laien ein Shakespeare-Stück einzustudieren.

Bei 30 Grad im Pelzmantel

Im ersten Sommer ist Morreis zu spät dran - aber im kommenden Jahr solle sie doch zum Vorsprechen kommen, sagt der Regisseur. "Wenn ich sage, ich mache es, dann mache ich das auch", sagt die Schauspielerin - und bekommt 2004 die Rolle im Shakespeare-Stück "Das Wintermärchen", bei 30 Grad im Schatten, eingekleidet auf der Bühne in dicken Pelzmänteln. So was kann abschrecken , für Marlene Morreis ist danach klar, dass sie Schauspielerin werden will, ausgebildete Schauspielerin.

Für Schauspielschulen in Deutschland ist sie bereits zu alt. London ist ihr zu nah. "Und LA kam nie in Frage, da gehen nur die ganzen Kasperl hin."

Marlene Morreis trägt zu einem Streifenshirt und enger Bluejeans knöchelhohe Lederschuhe. Sie sitzt in einem kleinen Café im Münchner Westend, ein wenig cowboyhaft, weil sie ab und an ihre Füße nach außen spreizt und ihre Hände auf den Oberschenkeln abstützt. Das ganze Gespräch über spricht sie hochdeutsch, nur selten rutscht der österreichische Dialekt bei ihr durch. Etwa beim Wort Kasperl, das dadurch gleich ein wenig derber wirkt, krachiger.

Mal derb, mal mädchenhaft - dieses Wechselspiel beherrscht Marlene Morreis perfekt. Sie ist nur leicht geschminkt, Lippenstift, Wimperntusche, Rouge. Sie trägt kaum Schmuck, nur einen mächtigen Goldring an der rechten Hand, Rapper-Style, vier Buchstaben: Leni.

Der Ring ist ein Andenken an New York, hergestellt und gekauft in einem kleinen Laden mitten in der Bronx. Ob die Österreicherin wieder zurückkehren wird in diese Stadt, ist derzeit noch unklar. 2005 hat sie dort ihre Ausbildung an der "New School for Drama" begonnen. Tagsüber Unterricht, abends kellnern - und dazwischen jede Menge Drehs, kurze Produktionen, aber auch Kinofilme wie "Stags", der diesen Sommer in New York beim Visionfest Film Festival mit dem "Special Jury Award" ausgezeichnet worden ist.

Eine klassische Erfolgsgeschichte also - bis zu dieser Geschichte mit der Greencard: Ihr Manager hat ihr ein Casting verschafft, bei der Krimiserie "Law & Order: Special Victims Unit". Die Rolle: Eine bulgarische Frau, hochschwanger, wird vergewaltigt, beobachtet einen Mord und kann den Killer vor Gericht bringen. Keine Schauspielerin mit bulgarischem Akzent ist in New York aufzutreiben - "und mein Manager, der Depp, hat sich gedacht, eine Österreicherin spricht so ähnlich".

Keine Green Card, keine Rolle

Die ganze Nacht über sucht sie im Internet nach bulgarisch-englischen Hörbeispielen - und sticht am nächsten Morgen beim Casting all die Ostblock-Models aus. So eine Rolle bedeutet nicht unbedingt eine Karriere-Garantie - aber zumindest große Aufmerksamkeit, immerhin hat Sharon Stone in dieser Folge die Staatsanwältin gespielt. Hätte es bedeutet, denn: keine Green Card, keine Rolle.

Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis hat Marlene Morreis mittlerweile beantragt, wartet aber immer noch auf das Ergebnis. Am 30. Oktober vergangenen Jahres besucht sie noch das Konzert der Sportfreunde Stiller in New York, zwei Tage danach fliegt sie nach München.

An Silvester spielt sie zum Spaß bei einer Westernparodie im Vereinsheim mit. Es folgen Rollen in den Stücken "Das Weiße Rössl" und "Schwabinger Laterne", Morreis' großer Brausepulver-Einsatz. Aber erst, seitdem ihr Demo fertig und in der Branche verteilt ist, häufen sich die Anfragen. "Innerhalb einer Woche kamen gleich drei geile Sachen", sagt sie. "Aber davon kann man sich nichts kaufen." Einzelheiten will sie nicht nennen. "Ich mag so eine Prahlerei nicht, vor allem, wenn es dann nichts wird." Diese Lektion hat sie in New York gelernt, wo alle angeben, in welcher Serie sie mitgespielt haben, und dann doch nur Statisten waren.

München läuft anders. Das ist von Vorteil für Morreis. "Ich bin nicht gut im Netzwerken", sagt sie. "Ich bin gut darin, Leute zuzuschwallen, wenn ich zwei Prosecco getrunken habe." Nach diesem Satz zieht sie wieder eine breite Grimasse. Sie kräuselt ihre Nase dabei, so dass jede Menge Lachfältchen zu sehen sind. Eigentlich ist auch die Nase toll.

© SZ vom 27.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: