Schauspieler und Musiker:Über Umwege zu sich selbst

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Michael Fitz spielt in der erfolgreichen Krimiserie "Die Toten von Salzburg" einen bayerischen Ermittler. (Foto: Toni Muhr/oh)

Michael Fitz spielte lange Zeit Carlo Menzinger im München-Tatort, aber er wollte nicht der ewige Assistent und Spaßmacher sein. Mittlerweile ist er 60 Jahre alt - und er macht im Grunde wieder das, was er als Teenager getan hat: eigene Texte vertonen und auf Bühnen spielen

Von Gerhard Fischer

Das Palais Neustein in Salzburg hat einen großen, romantischen Garten. Leider regnet es an diesem Dienstag Ende Mai. Leute mit Jacken, die den Aufdruck "Die Toten von Salzburg" tragen, laufen im Garten herum. "Michael Fitz?", sagt einer. "Der sitzt im Darstellerraum. Kommen Sie mit."

Klopfen. "Herein!" Vier Menschen sitzen im Darstellerraum, Fitz hockt hinter einem Tisch. Er trägt einen Schlapphut und einen langen Mantel, der Mann sieht lässig aus. Fitz hebt die Hand zum Gruß.

Michael Fitz, das war doch der Carlo Menzinger aus dem "Tatort", der lustige Assistent vom Batic und vom Leitmayr. Der mit den langen Haaren, die er manchmal zum Pferdeschwanz gebunden hatte. Lange her. 2007 stieg er beim Tatort aus. Menzinger war eine populäre Figur. Aber Fitz wollte nicht der ewige Assistent und Spaßmacher sein. Er ist heute Musiker und Schauspieler, und in beiden Genres hat er sich entwickelt.

Der Regisseur will im Garten die nächste Szene drehen. Fitz steigt in seinen Jeep. "Erste Probe!", ruft der Regisseur. Florian Teichtmeister, der einen Polizisten im Rollstuhl spielt, öffnet die Tür seines Autos und spricht mit seiner Assistentin, dargestellt von Fanny Krausz. Fitz kommt mit seinem Wagen ins Bild. Er steigt aus. Im Palais soll ein Verdächtiger festgenommen werden. Krausz und Fitz gehen voran, Teichtmeister rollt hinterher. Der Boden ist nass und voller Kieselsteine. "Und jetz' schiab aa!", ruft der Regisseur. Teichtmeister lacht. Die Leute mit den Jacken lachen auch. Wenige Minuten später steht Teichtmeister neben dem Regisseur und bespricht die Szene.

In der Krimireihe "Die Toten von Salzburg", deren sechste Folge gerade gedreht wird, geht es um die Zusammenarbeit der bayerischen und der österreichischen Polizei. "Oder um ihre Nicht-Zusammenarbeit", sagt Fitz, der nach drinnen gekommen ist und, an einen Türstock gelehnt, über die Dreharbeiten redet. Teichtmeister spielt den Major Peter Palfinger aus Salzburg, und er den Hauptkommissar Hubert Mur aus Traunstein. Der eine, Palfinger, sei zurückhaltend und habe eine scharfe Zunge, sagt Fitz. Der andere, Mur, sei cholerisch und laut. Sie kämpfen um Kompetenzen, sie fetzen sich, aber sie mögen sich.

"In Österreich ist diese Reihe ein Straßenfeger", sagt Fitz. Die vierte Folge, "Mordwasser", hatte dort mehr als eine Million Zuschauer. "Das ist schon Fernsehkrimi-Mainstream, und will auch nichts anderes sein", sagt er. "Die Kritiker sind uns jedenfalls gewogen." Der Standard schrieb einmal, der Krimi sei politisch inkorrekt - und am stärksten, "wenn er auf die kleinen Diskriminierungen Behinderter im Alltag verweist, auf die schiefen Blicke der Körper-Fetischisten im Fitnessstudio, auf das ungewollte Mitleid, auf die unausgesprochene Frage, wie das als Rollstuhlfahrer so mit dem Sex klappt".

Es regnet hartnäckig. Vor dem Palais diskutieren die Leute mit den Jacken. Fitz, immer noch mit Schlapphut und Mantel, guckt nach draußen. Es kann jeden Moment weitergehen mit den Dreharbeiten. Es ergibt also keinen Sinn, tiefer einzusteigen, über die Künstlerfamilie Fitz zu reden oder über seine Entfaltung als Musiker.

Was macht er sonst noch als Schauspieler? Was ist mit dem Hattinger? Fitz hat im ZDF zweimal den Kommissar Hattinger gespielt, der im Chiemgau ermittelt. Fitz lächelt. Es ist ein ratloses Lächeln. Er nennt ein paar Gründe, warum das mit dem Hattinger "schwierig auf unterschiedlichen Ebenen" sei und fasst das Ganze schließlich so zusammen: "Der Sender findet keine Entscheidung, ob die Reihe fortgesetzt werden soll."

Ansonsten hatte er Rollen beim Netflix-Dreiteiler "Zeit der Geheimnisse" und bei der Krimiserie "München Mord". Und im Sommer wird er nach Paros fliegen, um dort zu drehen. "Ein Freitagabendfilm", sagt er, "eine Dramödie."

Draußen tut sich was. Die Leute in den Jacken packen zusammen. "Drehschluss!", ruft die Aufnahmeleiterin. Der Regen ist zu stark. Fitz verabschiedet sich kurz und kommt ohne Schlapphut und Mantel zurück, dafür mit T-Shirt und Sakko. Das Gespräch findet jetzt im Sitzen statt, in dem Raum des Palais, in dem die Schauspieler auch geschminkt werden.

Michael Fitz ist der Sohn des Volksschauspielers Gerd Fitz, der Cousin der Kabarettistin Lisa Fitz, der Neffe der Schauspielerin Veronika Fitz. Als er drei Jahre alt war, trennten sich die Eltern, Michael Fitz wuchs bei seiner Mutter auf. "Sie war eine Geschäftsfrau und viel unterwegs", sagt er, "ich bin zehn Jahre lang tagsüber bei einer Pflegemutter aufgewachsen."

Mit 13 fing er an, Gitarre zu spielen. "Ich habe dann - von Weltschmerz geprägte - Gedichte geschrieben und sie vertont", erzählt er. Mit 16 ging Fitz auf die Bühne. Er sang und spielte in einer Folk-Gruppe. Ein Beruf wurde das noch nicht.

Fitz ging auf die Filmhochschule. Er bekam 1986 eine Rolle beim "Schwammerlkönig", wo er mit Wolfgang Fierek und Walter Sedlmayr drehte. Jetzt war er bekannt. 1992 wurde er dann der Carlo Menzinger beim "Tatort". Er könnte weitere Rollen aufzählen, Fitz tut das nicht. Er redet im Palais Neustein nicht darüber, was er gespielt hat, sondern darüber, wie seine Einstellung dazu gewesen ist. Er sah aus wie ein wilder junger Mann, der nichts anbrennen ließ. Aber er war auch verbissen.

"Ich habe früher vieles nicht für mich gemacht, sondern um dem Vater zu imponieren oder der Familie gerecht zu werden", sagt er.

1996, er drehte gerade für die Serie "Aus heiterem Himmel", hatte er auf dem Heimweg einen Autounfall. Er hatte zuvor getrunken. Michael Fitz hat in dieser Zeit viel getrunken. Er hatte sich beruflich unter Druck gesetzt. Und er war Vater geworden, eine Rolle, die er erst mal annehmen musste. Der Unfall zwang ihn, genauer hinzuschauen. "Ich habe angefangen, mich mit diesen Fragen zu beschäftigen: Wer bin ich? Woher komme ich? Was will ich eigentlich selbst?" Es wurde ihm klar, dass er sich in einer "eigenartigen Abhängigkeitssituation" und in einer "Ehrgeiz-Maschinerie" befand. Er musste etwas verändern. "Hätte ich das nicht gemacht, wäre ich heute ein ausgewachsener Alkoholiker", sagt er.

Natürlich ging es nicht von heute auf morgen. Es war ein Prozess.

Fitz war in den Neunzigerjahren mit einer Band unterwegs. "Wir haben Popmusik gespielt, hochdeutsch. Wir hatten ein eigenes Label, gingen auf Tour, haben viele CDs verkauft und waren einige Wochen in den Charts", zählt er auf. Sie haben auch die Filmmusik für die Serie "Die Bögers" gemacht, in der Fitz mitgespielt hat. Sie waren erfolgreich.

"Aber eines Abends stand ich auf der Bühne und dachte, was mache ich hier eigentlich?", sagt Fitz. Wieder zählt er auf: Es habe keinen Spaß gemacht. Er habe sich in der eigenen Musik nicht gespürt. Es habe wenig mit ihm zu tun gehabt.

War es tatsächlich dieser eine Moment? Er lacht. "Ja", sagt er. Das "a" zieht er in die Länge. Aber natürlich ist eine Entwicklung vorausgegangen. Ein Prozess, den auch Freunde befeuert haben, die sagten, er mache Musik, die nicht zu ihm passe. Doch in diesem Moment auf der Bühne wurde ihm klar, dass er damit aufhören musste.

Und dann hat er erst mal vier Jahre lang keine Gitarre angefasst.

Stattdessen hörte er Musik, die er mochte: Damien Rice oder Mike Scott, zum Beispiel. Diese habe ihn "berührt bis auf die Knochen". Fitz hatte zu Boden geblickt, als er das sagte. Jetzt schaut er auf. Er sagt erst mal nichts, aber man weiß, was er meint: dass es um Leidenschaft geht. Ums Musik hören und - in seinem Fall - ums Musik machen ohne Ehrgeiz. Ohne Druck. Weil es Spaß macht. "Wenn man es für Anerkennung und Geld tut, ist das ist eine beschissene Ausgangsposition", sagt er. "Ich habe dann gedacht, ich will Musik machen, die mich berührt und die dann auch andere berührt."

Er übersetzte Rice und Scott ins Hochdeutsche und spielte ihre Musik - und war nicht zufrieden. Er übersetzte sie ins Bairische - das funktionierte. "Es ist wohl eine Frage der Emotionen, da kann ich mehr ausdrücken, das ist viel direkter und authentischer", sagt er. Und dann hat er selbst bairische Texte geschrieben.

Zunächst hat er mit einer Band gespielt, seit 2008 ist er alleine unterwegs. "Ich dachte, das sei besser für meine künstlerische Entwicklung", sagt er. Jetzt hat er manchmal 100 Auftritte pro Jahr. "Ich genieße das", sagt er. In einem Interview hat er über seine Mundart-Soloauftritte einmal Folgendes gesagt: "Das bin ich. Das kann ich und das will ich machen."

Die Leute mit den Jacken gehen vorbei. Sie verabschieden sich. "Ciao, Baba."

Er könnte sich jetzt Liedermacher nennen. Oder Singer-Songwriter. Aber Fitz mag diese Zuschreibungen nicht. "Liedermacher haben politische Inhalte und spielen schlecht Gitarre", sagt er und lächelt. Er sei mittlerweile ein beschlagener Gitarrist. "Und ich habe meine eigene Nische, ich erzähle auch vieles zwischendrin, es geht um Menschliches." Er wolle das Publikum "aufweichen, empfänglich machen". Das verlange Hinhören, wie in der Schule, und das sei anstrengend. "Manche Leute halten mich so lange auf der Bühne nicht aus", sagt er. Fitz bat auch schon Zuschauer, die redeten oder auf dem Handy tippten, die Vorstellung zu verlassen. Er sei da nicht wütend, sagt er, sondern klar.

Zuletzt ging es auch in seinen Texten um Klarheit. "Man macht sich damit manchmal keine Freunde", sagt er. Früher, als junger Schauspieler, sei er Everybody's Darling gewesen. Ein Schwiegersohn-Typ, ein lässiger zwar, aber auch einer, der wenig Ecken und Kanten hatte. "Es ist schön, dass ich das nicht mehr sein muss", sagt er und lächelt. Es gab mal eine Fernseh-Dokumentation, in der ihn Freunde als eigenwillig und unangepasst beschrieben. Ist das ...? Fitz nickt sofort. "Das kann ich unterschreiben. Und stur kann ich auch sein", sagt er. "Wobei: Ich passe mich schon an, wo es Sinn macht - etwa beim Filmteam. Gesamtgesellschaftlich bin ich aber unangepasst: einer, der sein Ding macht."

Das nächste Thema, das nach der Klarheit anstehe, sei das Altern. Mutter und Vater sind schon tot. "Ich stehe jetzt in der ersten Reihe", sagt er und lächelt. "Jetzt bin ich dran." Man müsse das Alter in Demut annehmen, und mit Freude, denn es gehöre dazu.

Fitz ist 60. Und er macht im Grunde wieder das, was er als Teenager gemacht hat: eigene Texte vertonen, auf Bühnen spielen. "Das ist schon irre", sagt er. "Ich habe nur einen großen Umweg gemacht."

Das ZDF zeigt "Mordwasser", die vierte Folge der Krimireihe "Die Toten von Salzburg", am Mittwoch, 26. Juni, um 20.15 Uhr.

© SZ vom 19.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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