Süddeutsche Zeitung

Schauspieler Florian Karlheim:Auf der inneren Linie

Bekannt wurde er als Olli Ebert in der ARD-Soap "Marienhof". Inzwischen zählt Schauspieler Florian Karlheim zu den Lieblingen von Regisseur Franz Xaver Bogner und spielt auch in dessen Heimatkrimi "München 7" mit. Ansonsten meidet er die roten Teppiche - und studiert.

Philipp Crone

Wenn Florian Karlheim die Geschichte von der verpassten U-Bahn erzählt, könnte man von diesem Mann schnell einen falschen Eindruck bekommen. Der schlanke Schauspieler sitzt am Abend im Stadtcafé, kurze blonde Haare, grauer Schal um den Hals und im Gesicht ein Blick, als ob er jederzeit loslächeln würde. Aber er tut es nicht, jedenfalls kaum.

Das irritiert ein wenig, oder, wie es der Regisseur Franz Xaver Bogner formuliert: "Ich arbeite sehr gerne mit ihm zusammen, weil ich an allem interessiert bin, was nicht durchschnittlich ist." Solche Sätze, Bogner-Sätze, die spricht Karlheim auch. Es sind Sätze, die jedem Drehbuch gut stehen würden und die den Menschen Karlheim erklären.

Zunächst einmal aber erklärt der 35-jährige Münchner, warum er ein paar Minuten zu spät gekommen ist. "Die U-Bahn hatte Verspätung", sagt er, und dann hätten so viele Leute einsteigen wollen, dass er nicht mehr reingekommen sei. Das wundert kaum, Karlheim wirkt nicht wie jemand, der sich vordrängelt, sich durchboxt.

Vielmehr wirkt er zurückhaltend, vorsichtig, unscheinbar. Die Kellnerin im Stadtcafé vergisst seine Bestellung auch prompt, "ein Zweigelt war's", sagt Karlheim, während die Lachfalten um seine Mundwinkel starr bleiben.

Wie kommt es, dass einer, der lieber zehn Minuten wartet, als sich zu den anderen in einen Waggon zu zwängen, von Bogner als "stur" bezeichnet wird, dessen Konsequenz er bewundere, der "seinen Willen durchsetzen" würde? Vielleicht liegt es daran, dass es eine Zeit gab im Leben von Karlheim, in der er wenig durchsetzen konnte und fremdbestimmt war. 1992, als Darsteller bei der TV-Serie "Marienhof".

Karlheim ist 1992 16 Jahre alt, geht in Pasing aufs Gymnasium und fährt jeden Sommer mit Freunden und seinem vier Jahre älteren Bruder zum Wellenreiten nach Frankreich. Zu einer Zeit, als das Surfen noch kein ostentatives Statement der Coolness ist. "Der Lebensstil hat mir gefallen: Für eine bestimmte Zeit alles andere zurückzulassen." Karlheim sieht zwar so aus, als ob er den Surfertyp geben könnte, aber er ist alles andere als ein oberflächlicher blonder Sunnyboy. Noch heute gibt es die Ausflüge mit Freunden, mittlerweile nach Portugal. Man könnte das konsequent nennen.

Die Rolle in "Marienhof" bekommt Karlheim zufällig. Ein Freund von ihm wird auf der Straße angesprochen und zu einem Casting eingeladen, wohin ihn Karlheim begleitet. Er bekommt selbst eine kleine Rolle, und bald schon mehr. Bis 2000 spielt er die Figur des Olli Ebert, macht nebenher sein Abitur, hat kaum eine freie Minute. "Ich musste mein Leben ändern, es strukturieren, planen."

Er ist nicht Herr über sich selbst. "Für mich war es aber immer wichtig, nicht der Zeit hinterher zu sein, nicht reagieren zu müssen." Er agiert. 2000 hört er bei "Marienhof" auf, beginnt zu studieren, "um nicht stehen zu bleiben". Oder, in karlheimischem Bognerdeutsch gesprochen: "um den Fuß wieder ins Leben zu kriegen".

Wenn Florian Karlheim spricht, saugt er manchmal die Luft so ein, wie das der ehemalige Nationaltorwart Oliver Kahn gerne macht. Seinen rechten Mundwinkel zieht er dabei nach oben, so dass es aussieht, als ob er auf der einen Seite (der linken) ernst ist, und auf der anderen (der rechten) lächelt. Immerhin ein halbes Lächeln.

Aber da bleibt Karlheim stur. Er lässt das Lächeln einfach weg, auch wenn es zu einer üblichen Unterhaltung dazu gehört. Weglassen. Das ist sein Thema. "Bogner ist ein Meister des Weglassens", sagt Karlheim. Das sei seine Haltung, seine Handschrift in der Dramaturgie des Drehens.

Und auch Karlheim kann weglassen. Er tut das oft, so wie er meist einige Sekunden überlegt, bevor er antwortet. Etwa bei der Frage, warum er Kommunikationswissenschaften, Psychologie und Soziologie studiert hat. "Um es abzuschließen." Ein Satz, der durch seine überraschende Einfachheit wie eine Pointe wirkt. Auch ein Bogner-Satz.

Der Regisseur erinnert sich an das erste Gespräch mit Karlheim, 2001. "Er folgt seiner inneren Linie", sagt Bogner, und der Filmemacher folgt damals wohl einer inneren Eingebung, als er Karlheim zunächst für drei Folgen von "Café Meineid" engagiert, ehe er ihn 2003 zum Polizisten Felix Kandler in "München 7" macht. Drei Jahre lang wird dafür jeden Sommer gedreht. Und was macht er den Rest der Zeit? "Zu der Arbeit gehört dazu, dass man nicht arbeitet - und das muss man können." Karlheim studiert.

Wer dem Mann gegenübersitzt und die Figur des Polizisten Kandler kennt, könnte glauben, dass eine große innere Ähnlichkeit zwischen beiden besteht. Ist das so? Pause, der rechte Mundwinkel geht hoch, die Luft zischt. "Die Frage ist doch: Wie viel Platz bekommt man, etwas von sich selbst in der Figur unterzubringen." Jemand, der sich noch mit in die U-Bahn quetscht, hätte vielleicht gesagt, er versuche, möglichst viel von sich selbst in der Figur zu zeigen.

Die Figur des Felix Kandler ist die eines jungen Polizisten, der aus seiner Zeit als Neuperlacher Kleinkrimineller den Spitznamen "Fexer" hat. Warum der Name Fexer? "Es schadet nicht, eine besondere Verbindung zu den Dingen zu haben, die nicht jeder wissen muss", sagt Karlheim. In dem Fall ist das Geheimnis, dass Bogner seinen Figuren gerne Namen gibt, in denen auch das X aus seinem Zweitnamen vorkommt.

Karlheim hat ein besonderes Verhältnis zur Schauspielerei. "Mir geht es um den Moment vor der Kamera." Und nicht um den Auftritt abseits des Drehorts. Kurz: "Nicht um die Zweitverwertung". Sich etwa, wie manche Kollegen, auf roten Teppichen fotografieren zu lassen, macht er nicht. Er tritt kaum in der Öffentlichkeit auf, gibt auch keine Interviews.

"München 7" wird 2006 in kürzester Zeit gefeiert und bald viel zitiert, wie schon Bogners Klassiker "Irgendwie und Sowieso". Karlheim spielt anschließend weiter bei Bogner, in der Serie "Der Kaiser von Schexing", ist zu sehen im Niederbayernkrimi "Sau Nummer vier", bei Soko 5113 sowie 2010 in "Orange" von Marcus H. Rosenmüller.

Vom 7. März an zeigt nun die ARD acht neue Folgen von "München 7". Bogner sagt: "Karlheim hat einen unheimlichen Sprung gemacht." Er habe jetzt eine feine Lässigkeit vor der Kamera. Und die Figur sei noch interessanter geworden. Stur, willensstark und doch lässig - offenbar hat Karlheim von Bogner viel Platz bekommen, um etwas von sich selbst in seiner Rolle unterzubringen.

Die Leute erkennen den Blonden mittlerweile, wenn der in der Innenstadt unterwegs ist. Wo Kandler auf Streife ist, zwischen Marienplatz und Viktualienmarkt, da ist Karlheim privat gerne. "Am Markt", da hat er seit Jahren seine Stammstände, so wie er seine Freunde hat seit Schulzeiten, da bleibt er sich treu, auch in dem was er schätzt.

Markt oder Gärtnerplatz? Er lacht, zum ersten Mal, wobei es mehr ein Grinsen ist mit einer Spur Unglauben. Er könnte erklären, warum ihm der Gärtnerplatz nicht taugt, aber er lässt das alles weg und antwortet in seiner Sprache: "Bekomme ich am Gärtnerplatz eine Leberkassemmel?"

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SZ vom 28.01.2012/tob
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