Theaterkritik:Schwimmen im Ungewissen

Theaterkritik: Da sind sie noch vereint: Das Freundestrio Ronja (Lucia Schierenbeck, Mitte), Paula (Helene Schmitt, links) und Rafik (Janosch Fries) in der "Eisbachwelle".

Da sind sie noch vereint: Das Freundestrio Ronja (Lucia Schierenbeck, Mitte), Paula (Helene Schmitt, links) und Rafik (Janosch Fries) in der "Eisbachwelle".

(Foto: Judith Buss/Schauburg)

In der Schauburg kommt Florian Wackers Auftragswerk "Eisbachwelle" zur Uraufführung.

Von Barbara Hordych, München

Von ihren Biografien erfährt man zunächst nicht viel. Ronja (Lucia Schierenbeck), Paula (Helene Schmitt) und Rafik (Janosch Fries) sind drei Freunde, die regelmäßig im Englischen Garten abhängen. So auch am ersten Tag der Sommerferien in Florian Wackers Stück "Eisbachwelle", das jetzt in der Regie von Johannes Schmid Uraufführung an der Schauburg hatte. Alles ist hier im Fluss und in Bewegung, die Jugendlichen, ihre Herkunft, ihre Identität. Umso wichtiger, dass sie sich immer wieder ihrer Freundschaft versichern - "wir sind drei, wir sind eins, Arme und Beine". Sie klauen im Park Würstchen vom Grill - eine Mutprobe, für die sie in die Ränge der Zuschauertribüne hinauf- und wieder hinuntersprinten, glücklich, mit ihrer Beute noch einmal entkommen zu sein. Mitreißende Energie wird freigesetzt, choreografiert von Anna Holter; Wasser strömt auch in den atmosphärisch dichten Tanz-Videos, die rundum an die Wände projiziert werden.

Nur da und dort schimmert Persönliches auf: Paulas Vater arbeitet Nachtschicht im Krankenhaus, ihre Mutter ist krank und bettlägerig. Deshalb gibt es bei ihr zu Hause meist Toast mit Scheiblettenkäse zu essen, was sie hasst, wovon sie Ausschlag bekommt, beklagt sich Paula bei Rafik. Dessen Mutter ist Deutsche, der Vater kommt aus Iran. Zunächst habe sie die Haushälterin für seine Mutter gehalten, erinnert sich Paula. Wohlstandsverwahrlosung trifft auf Brennpunktviertel, in Neuperlach wohnt Ronja, die Dritte im Bunde. Seltsam mutterlos auch sie, die mit ihrem Vater alleine lebt, wenn er denn überhaupt ihr Vater ist, wie eine Nachbarin argwöhnisch mutmaßt. Die hörte das Mädchen tagsüber lachen, nachts aber Schreie, eine Mutter habe sie nie gesehen.

Da ist Ronja bereits verschwunden, weshalb ihre besorgten Freunde sie zu suchen beginnen. Hat das Wasser sie mitgerissen? Oder hat sie nur ihren Traum wahr gemacht, ist auf einen Güterzug gesprungen und nach Frankreich ans Meer gefahren? Sicher ist jedenfalls, dass Ronja abends oft die Letzte war, die ging. Und morgens die Erste, die an der Eisbachwelle auf die anderen wartete. Das hat die Surferin Alicia beobachtet. Am Ende dieses krimiartigen Vexierspiels gibt es zwar einige Puzzleteile zu "Ronja Räubertochter, Ronja Löwenherz, Ronja Adlerauge". Die aber ergeben kein vollständiges Bild. Wie im wahren Leben eben.

Eisbachwelle, nächste Vorstellungen am 28. und 30. April sowie 2. Mai, Schauburg

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