Schankbetrug auf dem Oktoberfest:Bierschaum-Sheriffs vom "Verein gegen betrügerisches Einschenken"

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Vielleicht lag es auch bloß an der eindrucksvollen Beweiswürdigung in diesem Fall. Schon damit hat sich dieses Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 1986 einen Platz in der deutschen Rechtsgeschichte verdient. Kurz gesagt: Die Richter am Oberlandesgericht München kannten ihren Pappenheimer - aus persönlicher Erfahrung. So hielten sie das in ihrem Urteil fest: Den Vorwurf des knauserigen Ausschanks "bestätigten auch die im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigenden eigenen Beobachtungen der Mitglieder des erkennenden Senats des Berufungsgerichts in der weiteren und näheren Vergangenheit, nach denen im Biergarten der Beklagten beim Ausschank von einer Maß Bier regelmäßig weniger als ein Liter Bier ausgeschenkt werde."

Im Namen des Volkes erging eine Bußgeldentscheidung, und da konnten die Karlsruher Richter, als die wütende Revision des Wirts auf ihrem Tisch landete, ihren Münchner Kollegen nur beipflichten. Der Wirt hatte mit seiner Revision keine Chance. Heute, fast drei Jahrzehnte später, wird dieses Urteil noch immer als Präzedenzfall zum Wettbewerbsrecht zitiert.

Das harte Wort "Schankbetrug" unterdessen hat noch kein Gericht je wörtlich genommen. Echter Betrug im Sinne des Strafgesetzbuchs, das ist ein schwerer Vorwurf, der noch über den bloßen Wettbewerbsverstoß hinausgeht, der lediglich ein Bußgeld zur Folge haben kann. Bei Betrug droht eine Haftstrafe, bei wirtschaftlichen Größenordnungen, wie sie auf der Wiesn herrschen, sogar schnell eine saftige.

Ein Betrug setzt aber voraus, dass der Täter sein Opfer täuscht. Und dort, wo dicker weißer Schaum über dem Bier schwappt, in einem gläsernen Krug, der Transparenz gewährleistet, dort kann von List und Täuschung nicht die Rede sein, erklärt der Wirtschaftsstrafrechts-Spezialist Lutz Eidam. "Ich sehe ja, was Sache ist, wenn ich den Krug in Empfang nehme." Schon deshalb müsse eine Strafanzeige gegen einen Wirt scheitern. Daneben setze die Strafbarkeit wegen Betruges ohnehin auch noch voraus, dass der Täter in der "Absicht rechtswidriger Bereicherung" handle. Das müsse man erst einmal einem Wirt nachweisen, sagt Eidam, der auch als Anwalt in Wirtschaftsstrafverfahren arbeitet und privat Pils bevorzugt: "Keine Chance". Die Bierschaum-Sheriffs vom "Verein gegen betrügerisches Einschenken" hat das freilich nie von etwas abgehalten. Vor zwei Jahren erstatteten sie eine Strafanzeige gegen Christian Ude: wegen Beihilfe zum Betrug. Der Bürgermeister, so klagten sie, unterstütze nämlich den Fortbestand des Wiesn-"Schankbetrugs", indem er an der Toleranzregelung festhalte.

So stur sind die privaten Bierkontrolleure, dass niemand sich gegen ihre Kontrollen immun fühlen darf. Da nützte es dem Rathauschef Ude auch nichts, dass er vor 18 Jahren in der Hitze des Pschorrkellers selbst dem Verein beigetreten war, als Mitglied mit der Nummer 3636.

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