Werden Frauen im Literaturbetrieb immer noch ungleich behandelt? Viel habe sich nicht geändert, findet Augusta Laar. Ob bei Verlagen oder Veröffentlichungen, Einladungen oder Honoraren – alle Gründe dafür, warum sie 2012 das Schamrock-Festival der Dichterinnen gegründet habe, gebe es immer noch. „Aber deshalb muss man es ja trotzdem machen“, sagt sie sanft.
Augusta Laar macht also weiter und, wenn man es richtig interpretiert, in eher noch gesteigerter Intensität. Das nunmehr siebte Internationale Schamrock-Festival, das sie zusammen mit Kalle Aldis Laar organisiert hat, bringt unter dem Motto „Conference of the Birds“ vom 25. bis 27. Oktober wieder mehr als 50 Autorinnen und Musikerinnen aus mehr als 20 Ländern im Münchner Werksviertel zusammen. Und es endet diesmal sogar, unterstützt von der EU, mit einem Symposium zum Thema Gerechtigkeit. Unter dem Kürzel EPESEP, das für „Equal Pay, Equal Show, Equal Pension“ steht.

Das Symposium füllt den Festival-Sonntag und soll laut Laar vor allem ein „Netzwerk-Treffen“ von kleinen und großen Veranstaltern, Lesereihen und Institutionen sein, bei dem man sich darüber Gedanken macht, wie man den Austausch und die Situation von Frauen „gemeinsam verbessern“ kann. Federführend organisiert wird das EU-Projekt von der Wiener Interessengemeinschaft feministische Autorinnen igfem; dazu kommen neben Schamrock ein niederländisches Autorenkollektiv und eine armenische Initiative.
Doch Dichterinnen aller Partnerorganisationen werden nicht nur diskutieren, sondern auch mit ihren Texten präsent sein – bei einer „Mitternachtslesung“ am Samstag, die bereits um 21.30 Uhr beginnt, aber vermutlich gen Mitternacht ausufern wird. Dabei werden neben Augusta Laar weitere Autorinnen wie Birgit Kempker und Doro Pointner aus einer monatlichen „English Writing Group“ des Projekts ihre Gedichte vorstellen. Wer sich dafür interessiert, einen neuen Literaturkanon zu erarbeiten, kann dagegen zum Beispiel auch an einem Workshop namens „Reading List“ am Freitag teilnehmen.
Ansonsten aber dominiert am Freitag und Samstag das lyrische Wort, wenn unterschiedlichste Schriftstellerinnen das Podium der White Box betreten werden. Und wenn mal wieder klar wird, dass die Grenzüberschreitung in jeder Hinsicht ein Kennzeichen dieses Festivals ist: ob hin zu anderen Künsten wie bildender Kunst, Performance und Musik, ob in der dezidiert internationalen Ausrichtung, die bewusst auch in ihren Ländern verfolgte Autorinnen einschließt.
Ein Fokus ist eindeutig auszumachen: Gleich neun Schweizerinnen kommen diesmal nach München, von Anaïs Meier (eingeladen von der Reihe „Meine drei lyrischen Ichs“) bis zu Stella Glitter, der mit 75 Jahren vermutlich ältesten Transgender-Performerin der Schweiz, die mit VW-Bus und E-Gitarre anreisen wird, wie Laar erzählt. Ihr ist ohnehin wichtig, dass neben jungen auch alte Autorinnen auftreten: „Das sind unsere Vorbilder!“ Man brauche doch einen Ausblick: „Wie kann man als Künstlerin leben, wenn man über 80 ist?“

Daher gehören für sie Beat-Poetinnen wie Anne Waldman, Lyrikerinnen wie Barbara Yurtdas oder die Klangkünstlerin Limpe Fuchs selbstverständlich ebenso ins Programm wie junge Autorinnen von Radmila Petrović aus Serbien bis zu Vera Linder aus Italien. Bekannte Namen wie Barbi Marković aus Wien sind darunter – die schon bei Schamrock zu erleben war, als sie noch nicht den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen hatte. Auch Sabine Gruber aus Wien wird wieder dabei sein oder Lynn Parkerson aus New York, mit der Laar eine gemeinsame Performance plant. Aus München sind neben Yurtdas und Karin Fellner auch Susanne Darabas, Nora Zapf und Theresa Seraphin eingeladen – letztere gestaltet zusammen mit der Musikerin Daniela La Luz am Freitag um 15 Uhr die Eröffnungsperformance.
Auch wenn die Gedichte bei Schamrock stets als Übersetzungen im Hintergrund mitlaufen: Für spanischsprachige Literaturfans etwa wird der Lateinamerika-Fokus am Samstagnachmittag interessant sein. Dann ist neben der aus Venezuela stammenden Lyrikerin und Gründerin des Verlags Hochroth Heidelberg, Geraldine Gutiérrez-Wienken, auch die in München lebende peruanische Autorin Ofelia Huamanchumo de la Cuba zu erleben – ebenso wie Andrea Fontán aus Argentinien, derzeit Stipendiatin der Feldafinger Künstlervilla Waldberta.

Besonders intensiv versprechen auch wieder die Lesungen derzeitiger PEN-Stipendiatinnen zu werden. Neben der in München bereits mehrfach aufgetretenen Autorin Stella Nyanzi aus Uganda werden Stimmen aus Iran, der Türkei und Fernost zu hören sein: Nazli Karabiyikoglu bekam in der Türkei als queerfeministische Autorin Probleme und wurde ebenso ins deutsche „Writers in Exile“-Programm aufgenommen wie Phyu Nu Sabal aus Myanmar und Behnaz Amani, die in Iran im Zuge der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste im Gefängnis saß.
Unterschiedlichste Sprachen, Formen, Themen werden also wieder anklingen bei dieser „Conference of the Birds“. Das Motto erinnert Laar an eine alte persische Sage ebenso wie an eine Free-Jazz-Platte von Dave Holland aus den Siebzigerjahren. Doch vor allem, so sagt sie, sei das Motto von der ukrainischen Autorin Iryna Tsilyk inspiriert worden, die Dichter und Dichterinnen einmal als eine Art „Frühwarnsystem“ bezeichnet hat, wie einst die Kanarienvögel in den Schächten der Grubenarbeiter. Was ihr Gesang wohl diesmal bedeuten mag?
Internationales Schamrock-Festival der Dichterinnen, Freitag bis Sonntag, 25. bis 27. Oktober, White Box, Atelierstraße 18, Werksviertel München, Infos unter www.schamrock.org