Der Sammler: Christos Davidopoulos
Im Musikzimmer, im Hinterzimmer, im Lagerraum, im Nebenraum und bei einem Freund lagert Christos Davidopoulos seine Schallplatten. Fünf Zimmer voll, im engen München. Inzwischen sind es etwa 40 000 Stück. Was für viele ein Trend ist, gehört für Davidopoulos schon immer dazu. Die erste Platte hat sich der gebürtige Grieche vor 47 Jahren gekauft und besitzt sie bis heute: ein Best Of von Bob Marley. Doch so schnell wurden es nicht mehr, denn Vinyl war teuer. Wenn es gut lief, konnte er sich eine neue Platte im Monat leisten.
Das änderte sich, als Davidopoulos vor 40 Jahren zum Studium nach München kam. Der erste Plattenkauf in der Stadt bedeutete für ihn ein Gefühl von Ankommen: "A Love Supreme" von John Coltrane. Mit jeder Platte hat sich der Grieche mehr und mehr heimisch in München gefühlt. Anfangs lebte er in der Studentenstadt und hatte noch gar keinen Plattenspieler - trotzdem hat er schon erste Scheiben gekauft. Er hat immer wieder nachgezählt und war stolz auf seine Sammlung.
In den Semesterferien 1982 jobbte Davidopoulos in einem Kleidungsversand in Milbertshofen. Gleichzeitig verkaufte ein Plattenladen in der Nachbarschaft seinen Bestand billig ab und der Student gab sein gesamtes Gehalt von 2000 DM dort aus. Er hat sich so Scheiben zugelegt, von denen er bisher nur träumen konnte. "Essen oder Platte? Man musste sich entscheiden. Alles, was übrig war, hab' ich in Platten investiert. Lieber mal hungrig ins Bett als eine gute Platte verpasst", sagt Davidopoulos.
Auch wenn der Musikliebhaber verreist, schaut er sich nach neuen Scheiben um. Bei seinem ersten Besuch in Barcelona war ein bekannter Plattenladen selbstverständlich das erste Ziel. Er hat Physik studiert, als Lehrer gearbeitet und eine Doktorandenstelle angeboten bekommen, aber entschied sich für die Platten. Er wohnte neben dem Plattenladen Optimal Records, arbeitete irgendwann dort und gehörte schlussendlich dazu. Den Plattenladen im Glockenbachviertel, der weit über München hinaus als Institution gilt, verantwortet er bis heute mit. Außerdem legt er selbst mit Vinyl auf, organisiert eigene Events und hört neue Musik nur von der schwarzen Scheibe.
Davidopoulos war schon immer stolz auf seine private Sammlung, aber als Sammler sieht er sich nicht. Er erklärt: "Sammler wollen ein bestimmtes Label komplett haben, Covers von einem bestimmten Künstler oder ganze Nummerserien von Plattenfirmen." Davidopoulos will Vinyl hören. Das, was ihm gerade gefällt - Sammlerwert egal.
Angefangen hat es mit Musik, die er aus der Jukebox kannte. Jeden Tag die gleichen Lieblingssongs im Kiosk auf seinem Schulweg - dort stand der Musikautomat. Viel Pop, zwischendrin ein bisschen Disco. Irgendwann las er dann in einer Frauenzeitschrift seiner Oma von der Punk-Band Sex Pistols und wurde neugierig. Der Name reizte ihn, er kaufte eine Platte und entdeckte so den Punk für sich.
Seine neuste Scheibe ist "Singe Tema" von Zuhura & Party, eine Pop-Platte mit Afrobeat aus Sansibar von muslimischen Musikern. Davidopoulos hört gern Musik aus der ganzen Welt, "nicht nur weiße Nordamerikaner und Europäer." Gerade läuft die neue Scheibe bei ihm zwei bis dreimal täglich. Aber die nächste Platte ist schon bestellt.
Der Verkäufer: Maoz Barda
Maoz Barda sucht die Platte heraus, die als nächstes laufen soll.
(Foto: Carina Müller)Gelb gemusterte Tapete, orange Guzzini-Lampen, am Eingang ein Plattenspieler, auf dem eine Scheibe ihre Runden dreht. Ein Besuch in Maoz Vinyl-Café ist wie ein Zeitsprung zurück in die Siebzigerjahre. Ruhiger Jazz tönt aus den Lautsprechern über die Regale hinweg und verteilt sich im Raum. In einer Ecke sitzt Maoz Barda.
Vor sechs Jahren kam er mit seiner Familie aus Tel Aviv nach München. Zwei Jahre später eröffnete er sein Ladencafé in der Maxvorstadt. Er wollte einen Ort schaffen, an dem man Platten hört, nicht nur kauft. Tatsächlich schlendern einige Besucher durch den Laden in der Hiltenspergerstraße, stöbern zwischen 15 000 Scheiben, trinken einen Kaffee und verlassen den Laden, ohne etwas zu kaufen. Fragt man den 45-Jährigen nach einer bestimmten Platte, kann es passieren, dass er sich auf die Suche macht, in den hinteren Räumen Kisten durchsucht und mit leeren Händen zurückkommt, weil er sie nicht finden konnte. Der erste Gedanke, wenn er den Laden morgens betritt? Er lacht: "What a mess." Was für eine Unordnung.
Das liegt unter anderem an Bardas unkonventioneller Art, die Platten zu ordnen. Gebrauchte und neue Platten werden durchmischt und nicht wie in anderen Läden getrennt aufbewahrt. Barda sortiert die Künstler außerdem nach ihrem Vornamen. Er halte nichts von Distanz und duze die Künstler gerne. David Bowie findet man unter D. Außerdem dürfen bei Barda bis auf versiegelte Sammlerstücke grundsätzlich alle Platten geöffnet und Probegehört werden.
"Zuerst kommt die Musik", sagt er und hört wie zur Demonstration Robert Gasper am Piano zu. "Ich glaube, viele Vinylsammler verlieren irgendwann den Blick für die Musik. Sie kaufen Platten wegen des Labels oder der Pressqualität und nicht wegen der Musik." Aber auch solche Sammler gehören zu seinen Kunden. Im Laden begegnen sich verschiedene Generationen. Ein Mann Ende 50 stöbert durch eine Plattenkiste. Die goldene Ära des Vinyls hat er selbst miterlebt. "Und ich hab' die Platte sterben sehen", erzählt er. Auf der anderen Seite der Kiste hat sich eine junge Frau mit Fransenpony in die Platten vertieft. Barda meint: "Die junge Generation hat etwas zum Anfassen vermisst." Damit erklärt er das Comeback der Langspielplatte. "Sie hat ihren Charme, sie hat Charakter. Vinyl ist Plastik mit Seele."