Schäftlarn:Tiefgrüne Überzeugungen

Bernhard Baudler tritt im Stimmkreis München-Land Süd für die Linke an. Er will Chancengleichheit und fordert eine Verkehrs- und Energiewende

Von Stefan Galler, Schäftlarn

Natürlich kommt Bernhard Baudler nicht mit dem Auto zum Gespräch in der Gaststätte am Isartalbahnhof in Großhesselohe. Wie sollte er auch, der Landtagskandidat der Linken im Stimmkreis München-Land Süd hat ja gar keinen motorisierten Untersatz. Und zwar aus purer Überzeugung, denn eigentlich ist Baudler, was seine politischen Ansichten angeht, tiefgrün. Er war sogar dabei, als sich die Partei 1979/80 gegründet hat. "Ökologie, Naturschutz, Anti-Atomkraft - das war damals meine Grundmotivation, mitzumachen", sagt der 58 Jahre alte Sekretär der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Damals habe es im Programm der Grünen vier Säulen gegeben, nach denen sich die Politik orientieren solle: ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei. "Heute macht die Partei bei Regierungsbeteiligungen bei jedem dieser vier Punkte das exakte Gegenteil", sagt Baudler und ist sogleich mittendrin in der Generalabrechnung mit seiner früheren politischen Heimat. "Mit der Partei wollten wir die Gesellschaft verändern. Es ist leider umgekehrt gekommen: Die Gesellschaft hat die Partei verändert." Vor allem die Zustimmung zur Teilnahme der Bundeswehr am Balkankrieg hätte seine Entfremdung von den Grünen beschleunigt: "Ein Jahr, bevor Joschka Fischer dem Bombardement zugestimmt hat, bin ich ausgetreten. Nach 19 Jahren, davon zehn Jahre, in denen ich aktive Basisarbeit geleistet habe." Drei Jahre lang hat er beispielsweise im Kreistag in seiner damaligen Wahlheimat im Landkreis Rottal-Inn gesessen. "Der Haushalt ist jedes Jahr mit 59 zu eins gegen meine Stimme verabschiedet worden", erzählt er.

Schäftlarn: "Bayern ist wunderschön, wir müssen aufhören, das Land derart herunterzuwirtschaften", sagt der Linken-Kandidat Bernhard Baudler.

"Bayern ist wunderschön, wir müssen aufhören, das Land derart herunterzuwirtschaften", sagt der Linken-Kandidat Bernhard Baudler.

(Foto: Claus Schunk)

Nach seinem Parteiaustritt hat er erst einmal Abstand gewinnen müssen von der Politik, war allerdings weiterhin in einzelnen Gruppen tätig wie der Friedensbewegung, der globalisierungskritischen Organisation Attac oder der Occupy-Bewegung, die sich im Zuge der Finanzkrise gründete und Spekulationsgeschäfte der Banken sowie soziale Ungleichheiten bekämpft. Erst Ende 2016 ist er dann den Linken beigetreten. "Ich war schon länger davon überzeugt, dass deren Programm mit meinen politischen Auffassungen übereinstimmt", sagt Baudler. Das betreffe die Schulpolitik, die ihm schon deshalb wichtig ist, weil er einst Lehramt Grundschule studierte und vor seinem Umzug nach Schäftlarn 2010 viele Jahre in Rosenheim als Lehrer arbeitete. Aber auch die immer schärfer werdende Klimakrise und das Thema Flüchtlinge und deren Bildung bewegen ihn und trieben ihn direkt in die Arme der Linkspartei. Wobei Baudler keineswegs unkritisch ist im Umgang mit den Protagonisten: "Ich bin kein Fan von Oskar Lafontaine und vielen seiner Äußerungen", sagt er. Mit Sahra Wagenknecht hat er auf dem Münchner Marienplatz eine Wahlkampfveranstaltung absolviert, über ihre "Aufstehen"-Bewegung will er sich erst noch ein Bild machen. "Aber eines ist klar: Wir müssen im Wahlkampf als Partei an einem Strang ziehen, damit in guter Tradition von Kurt Eisner, der 1918 den Freistaat Bayern ausgerufen hat, endlich bald eine linke Fraktion im Landtag sitzt."

Die politische Meinung von Baudler ist sehr dezidiert, er stellt klare Forderungen. Das beginnt bei seinem Leib- und Magenthema Schulpolitik: "Kinder von Nicht-Akademikern müssen gleiche Chancen bekommen wie Akademikerkinder", fordert er und rechnet vor, dass derzeit nur 23 von 100 Kindern, deren Eltern keinen Universitätsabschluss haben, studieren. Bei den Akademikerkindern gingen dagegen rund 70 Prozent an die Uni. "Sie werden bevorzugt", sagt der 58-Jährige. Er kritisiert die Selektion in der vierten Grundschulklasse und fordert eine Schule für alle: "Wir müssen an den Schulen für Integration und Inklusion sorgen, die Selektion muss aufhören." Noten seien unzeitgemäß und sollten abgeschafft werden, erst von der zehnten Jahrgangsstufe an solle dann eine Spezialisierung der Schüler wie beim früheren Modell der Kollegstufe an den Gymnasien stattfinden. Baudler fordert kostenfreie Kitas und viel mehr Geld für das Schulwesen, um Lehrerstellen zu schaffen und die Infrastruktur zu stärken.

Schäftlarn: SZ-Grafik

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Und auch auf anderen Feldern positioniert sich der Schäftlarner klar und deutlich: "Ich bin gegen alle Abschiebungen, das sind für mich Deportationen." Sämtlichen Flüchtlingen müsse der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt ermöglicht werden, schließlich handele es sich dabei um Menschenrechte. Baudler fordert die Abschaffung der Geheimdienste, er mahnt an, endlich eine überzeugende Verkehrs- und Energiewende einzuläuten und erklärt, analog zu dem Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, der Verbrennungsmotor gehöre "auf den Müllhaufen der Geschichte". Denn, so der Linkenpolitiker weiter: "Wenn wir das Klima schützen, schützen wir uns selbst."

Baader ist ein Naturmensch, der die Landschaft im Freistaat liebt: "Bayern ist wunderschön, wir müssen aufhören, das Land derart herunterzuwirtschaften." Dazu passt auch, dass er, nicht unbedingt typisch für einen Linken, bayerische Traditionen schätzt und die Dialektförderung unterstützt. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin hat er eine Gartenparzelle gepachtet, in der die beiden eifrig Gemüse und Blumen anbauen. Zumindest einen grünen Daumen hat Bernhard Baader also offenbar immer noch.

Die SZ stellt in loser Folge die Direktkandidaten der sieben größten Parteien im Landkreis vor. Alle Porträts sind nachzulesen unter wow.sueddeutsche.München.

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