Schadstoffe in der Luft:So soll München sauber werden

Verkehr

Der Luftreinhalteplan der Stadt bescherte den Münchnern 2008 die Einführung der Umweltzone.

(Foto: Jakob Berr)

Ein Urteil verpflichtet München, die Schadstoffbelastung der Luft deutlich zu reduzieren. Die schwarz-rote Rathauskoalition hat allerdings eine Liste mit Maßnahmen dafür deutlich entschärft - und damit die Grünen erzürnt.

Von Marco Völklein

Was unternehmen die Stadt und der Freistaat, um die Schadstoffbelastung durch den Autoverkehr zu drücken? In der kommenden Woche werden sich die Stadträte mit der Neuauflage des sogenannten Luftreinhalteplans befassen. Der hatte den Münchnern 2008 bereits die Einführung der Umweltzone beschert. Ähnlich einschneidende Maßnahmen sind diesmal zwar nicht zu erwarten. Zwischen der schwarz-roten Koalition und der Opposition führt genau das aber zu heftigem Streit.

Ursprünglich hatte die Regierung von Oberbayern zusammen mit den Fachleuten der Stadt härtere Maßnahmen gegen Autofahrer vorgeschlagen. So wollten die Beamten zumindest prüfen lassen, ob sich etwa durch Zufahrtsbeschränkungen oder gar -sperrungen in Zeiten hoher Schadstoffbelastung die Dreckkonzentration in der Luft signifikant senken lässt. Ebenso sollte geprüft werden, ob eine Senkung des Tempos von 50 auf 30 Stundenkilometer auf Hauptstraßen die Schadstoffbelastung mindert. Auch höhere Gebühren in den Parkwapperlzonen könnten dazu führen, dass weniger Autos unterwegs sind - und somit die Belastung durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und weitere Schadstoffe sinkt. Das sahen zumindest die Fachleute der Bezirksregierung und der Stadtverwaltung auf Arbeitsebene so, wie aus einem Protokoll hervorgeht.

Die Maßnahmenliste ist deutlich entschärft

Doch in der Vorlage der Stadtverwaltung, über die der Umweltausschuss nun beraten soll, finden sich all diese harten Maßnahmen nicht mehr. Die schwarz-rote Rathausspitze hat die Maßnahmenliste deutlich entschärft. Tempo 30 auch auf großen Straßen etwa "lehnen wir kategorisch ab", erklärt CSU-Umweltsprecher Manuel Pretz - zumal Tempo 30 laut Fachleuten auch keine wirkliche Schadstoffreduzierung bringe. Und dann sagt Pretzl: "In einer anderen Konstellation", also unter Rot-Grün, "wäre das sicher anders gelaufen."

Das wiederum bringt die Opposition in Wallung. So werfen die Grünen der Koalition vor, "schon im Vorfeld dafür zu sorgen, dass solche Punkte gar nicht erst diskutiert werden", sagt Stadträtin Sabine Nallinger. "Es sollen von vorneherein Denkverbote auferlegt werden." Wichtig sei es, auch "kurzfristig umsetzbare Maßnahmen" zumindest zu prüfen und gegebenenfalls einzuführen, um die Schadstoffbelastung "spürbar und nachhaltig" zu reduzieren.

Seit Oktober 2012 verpflichtet ein Urteil die Stadt und den Freistaat genau dazu. Nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hatte das Münchner Verwaltungsgericht die Verantwortlichen dazu verdonnert, "einschneidendere Maßnahmen" gegen den Dreck zu ergreifen. Eine konkrete Liste hatte das Gericht aber nicht genannt. Das lässt den Politikern nun eine ganze Menge Spielraum, um zu interpretieren, was ausreichend sein könnte, um die Vorgaben der Richter letztlich zu erfüllen.

Kritik an den Ideen

So genügt es aus Sicht von CSU-Mann Pretzl völlig, unter anderem den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, den Betrieb von Elektroautos oder das Anbieten von Carsharing-Fahrzeugen zu fördern. All das sieht die Vorlage für den Umweltausschuss vor, neben vielen weiteren Maßnahmen wie etwa den Bau neuer Autotunnels am Mittleren Ring, den Ausbau des Radverkehrs, Maßnahmen zur Verbesserung der Grünen Welle und die "Optimierung der Warenlieferung in der Innenstadt". Außerdem soll geprüft werden, ob an weiteren Stellen entlang des Mittleren Rings das Höchsttempo von 60 auf 50 Stundenkilometer gesenkt werden kann - so wie zuletzt an der Landshuter Allee. Mit diesem Katalog, glaubt Pretzl, "werden wir die Anforderungen des Gerichts erfüllen".

Grünen-Stadträtin Nallinger sieht das anders: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sei zwar dringend notwendig; so wie ihn SPD und CSU aber anpackten, nämlich mit teuren U-Bahn-Projekten, die noch Jahrzehnte bis zu ihrer Realisierung benötigten, bringe das auf kurze Sicht keine Entlastung beim Schadstoffproblem. Schwarz-Rot drücke sich davor, "klar Farbe zu bekennen", schimpft Nallinger. Es zeige sich, "dass CSU und SPD sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können - und das ist eben sehr wenig".

Auch die Umweltaktivisten der DUH sind skeptisch, ob der von Schwarz-Rot angepeilte Maßnahmenkatalog ausreicht, um die Schadstoffbelastung in naher Zukunft spürbar zu senken. "Das Gericht hat klar gesagt, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, die eine kurzfristige Erreichung der Schadstoffgrenzwerte ermöglichen", sagt Amrei Münster von der DUH. Der Verband werde sich den Katalog genau anschauen und gegebenenfalls erneut das Gericht anrufen. Möglicherweise drohen dann weitere juristische Konsequenzen: Denkbar wäre ein Zwangsgeld in Höhe von mehreren 10 000 Euro und im Extremfall Ordnungshaft gegen den zuständigen Behördenleiter. Das wäre in diesem Fall die neue bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU).

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