Süddeutsche Zeitung

Savoy:Alpine Küche, ganz anders als man denkt

Der Chef am Herd des Savoy in Schwabing interpretiert die Küche aus den Bergen sehr weit, von Freising bis Frankreich.

Von Rosa Marín

Dieser Artikel ist leider nicht mehr aktuell, da das Restaurant mittlerweile geschlossen ist.

Beginnen wir mit Sashimi vom Thunferkel. Was mag das sein? Es wird gleich nach dem Dicken Fritz gereicht und steht auf der Speisekarte ein paar Stellen vor dem Priesterwürger. Zugegeben, die Leute vom Savoy in Schwabing haben einen Sinn für einfallsreiche Bezeichnungen auf ihrer Karte. Würde man nicht nachfragen, wüsste man oft nicht, was man bekommt.

Doch Rosa Marín fasste sich ein Herz und bohrte nach - was auch nicht schwer fiel, denn die Menschen, die hier servieren, dekantieren, kochen, sie scheinen nur drauf zu warten, etwas erzählen zu dürfen über ihr Lokal, ihr Konzept, ihr Projekt. Sie betreiben es mit Herzblut, das merkt man gleich, wenn man das Savoy betritt. Man fühlt sich wie zuhause, es wirkt wie ein Wohnzimmer mit großzügigen weißen Sprossenfenstern. Richtig schön eingerichtet in einem Stil, den man wohl als Urban Vintage bezeichnen könnte und den man weit weg, im New Yorker Meatpacker District beispielsweise, genau so vorfinden kann.

Um das mit dem Thunferkel gleich mal aufzulösen: Es handelt sich um rosa Ferkelfleisch in Scheiben, gebeizt in Rote Beete, drapiert auf Erbsenkren, was nicht nur zur überraschenden Anmutung, sondern auch zur originellen Geschmacksnote führt. Rosa Marín hätte sich die Scheiben unter Paprikakraut ein wenig feiner geschnitten gewünscht, à la Carpaccio, aber dies sei nur eine kleine Mäkelei am Rande. Als Auftakt für das Empfehlungsmenü passt dieses Sashimi ganz ausgezeichnet. Vereint es doch vieles von dem, was dieses neue Lokal in der Bismarckstraße ausmacht. Alpine Küche - ganz anders als man denkt.

Wenn man sagt, die Wirte hätten neues Leben in alte Burggemäuer gebracht, ist das nicht gelogen. Die Fassade ist stadtbekannt, aus den Siebzigern ist hier ein gemauerter Eingang übrig geblieben - vom legendären Jazzclub Alte Burg. Später gingen die Gastronomen ein und aus. Hier logierte das Le Sud und zuletzt das Tapagallos. Als die Wirte Stefan Schmalschläger (vorher Goldenes Kalb), Anita Harambasa und Daniel Mraz das Gemäuer übernahmen, wollten sie es eigentlich nur ein bisschen herrichten.

Daraus wurde eine achtmonatige Altbau-Kernsanierung. Es hat sicht gelohnt - türkise Kacheln blitzen aus der offenen Küche hervor, schlichte Holztische harmonieren mit geflochtenen Stuhllehnen vor Backsteinwänden, dicke Rohre an der Decke, Polsterbänke in Petrol, Bücherregale und, achja, als Neuerwerbung eine Madonna mit Rosenkranz vom Flohmarkt gesellen sich komod dazu.

Es ist schön, wie diese Gastronomen und Küchenchef Michael Meyerhof die alpenländische Küche interpretieren: Sehr weit gefasst nämlich, die Alpenregion erstreckt sich von Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich bis Italien. Weil es in den hohen Bergen nun mal keinen Meeresfisch gibt, kommen die Flossentiere aus Seen und Flüssen, vom Tegern- bis zum Gardasee. Alles bio, alles regional. Auch die Garnelen sind echt bayerisch - vom Züchter im Erdinger Moos.

Das Empfehlungsmenü lässt sich mit drei Gängen bestellen (55 Euro) oder auch mehr: Jeder weitere Gang kostet dann zehn Euro. Nach dem Sashimi kommt die Suppe vom Pink Banana Kürbis, schön sämig mit Kernöl. Wer es mag, wählt dann den Aal mit Safrankartoffeln, Fenchelsalat, in Waldmeister-Buttermilch. Rosa Marín entschied sich für den Freisinger Lammrücken im Kräutermantel als Hauptgang. Der kam ganz prima und zartrosa im kräftigen Jus daher, erstickte jedoch fast unter dem Kräuterbett mit heftig dominierender Petersilie. Weniger wäre mehr gewesen. Ein kleines Kunstwerk die Nachspeise, die süße Wiesn (einzeln für 10,50 Euro) mit Allerlei von Schokoäpfeln, Weißbier-Schokoladenespuma, Radlergel und, tatsächlich, Brezneis.

Wer sein Menü selbst zusammenstellen möchte, darf keinesfalls die Tatar-Auswahl übergehen, köstlich! Saiblingstatar (15,50) versteckt sich in einer raffiniert nachgebauten Avocado unter cremiger Mousse mit Dill. Der Steaktatar (180 Gramm für 18,50 Euro) mit Ei in der Mitte und allem was dazu gehört, ist eine superfrische, herzhafte Grundlage.

Manchmal kamen nicht alle Teller gleichzeitig auf den Tisch, aber das machte die Kellnerin mit Freundlichkeit wett. Die Renke im Ganzen (21,50) hinterließ einen sehr positiven Eindruck: auf den Punkt gegart, gefüllt mit Thymian und Rosmarin, der wilde Brokkoli und Buchweizennudeln an Chili-Limetten-Mayonnaise schmeckten außergewöhnlich. Die Fischsuppe Savoy (21,50) mit Tegernseer Fischen, Miesmuscheln, Fenchel und Paprika offenbarte ein kleines Problem, das sich durch den Abend zog: Sie war schlichtweg versalzen. Und für ein Hauptgericht war die Portion einfach zu klein. Beim Zürcher Kalbgeschnetzeltem (18,50) schien der Koch ebenfalls ein bisschen zu verliebt, ansonsten aber war es eine runde Sache mit knusprigem Kartoffelrösti und Champignons.

Die Weinkarte sucht ihresgleichen, den ausgewählten Gewächsen müsste man eigens einen Abend widmen. Der "Dicke Fritz" ist eine perlende Alternative zu Prosecco, ein schäumender Müller-Thurgau (7). Bliebe da noch das Rätsel mit dem Priesterwürger: Wörtlich übersetzt heißt das Strozzapreti, das ist eine Pastasorte aus Mittelitalien. Im Savoy gibt es sie mit Salbeibutter und Cushawkürbis. Das testen wir das nächste Mal.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2018
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