Spendenaktion:Eine Radltour durch den Himmel

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"Mir geht es schon auch darum, der Erste zu sein, der das macht": Frank Noe bereitet sich auf eine außergewöhnliche Alpenüberquerung vor. (Foto: The 5000+)

Rekordversuch für einen guten Zweck: Frank Noe hat sich "die höchste, schnellste und kälteste Alpenüberquerung mit dem Fahrrad" vorgenommen - auf einem Rollentrainer im Korb eines Heißluftballons.

Von Patrik Stäbler

Die Idee ist Frank Noe ausnahmsweise nicht im Sattel gekommen, diesmal saß er im Sessel. Am Tag vor Heiligabend war er gerade zurück von einer Radtour, und aus dem Kopfhörer wummerten Beats von Ben Böhmer. "Da kam ein Song, den fand ich richtig cool", erzählt Frank Noe. Das Musikvideo auf dem Tablet zeigte den DJ beim Auflegen in luftiger Höhe, an Bord eines Heißluftballons. "Ich hab' mir gleich gedacht: Das will ich auch machen", sagt Noe, aber "natürlich auf dem Fahrrad." Das ist für den 43-Jährigen nicht bloß Trainingsgerät und Verkehrsmittel erster Wahl, sondern auch Beruf und Berufung. Einsam auf der Straße vor sich hin radeln oder in einem stillen Kämmerlein - das ist nicht seine Sache. In diesem Fall will er hoch hinaus. Mit dem Rad. Auf einem Rollentrainer. Im Korb eines Heißluftballons. Über die Alpen.

"Wenn ich so was mache, dann mache ich es möglichst laut", sagt Noe. Nicht mal eine halbe Stunde nach seinem Geistesblitz hatte er den Chef einer Heißluftballonfirma am Telefon. "Der hat mir gleich gesagt, dass das nicht funktioniert", erzählt er. "Weil man das Fahrrad gar nicht in den Korb bekommt." Spätestens jetzt würden die meisten Menschen die Idee aufgeben - Schwamm drüber, lieber noch ein Plätzchen essen, morgen ist ja Heiligabend. Doch ein solcher Gedanke ist Noe fast genauso zuwider wie für den Semmelkauf ins Auto zu steigen. Also unternahm er einen zweiten Anlauf, diesmal bei einem Ballonfahrer im Allgäu, und der sagte ihm: Das könnte schon klappen, komm halt mal vorbei.

Ein halbes Jahr später ist aus der fixen Idee ein Plan geworden. Irgendwann im kommenden Winter - wegen des Windes und der Thermik sind Alpenüberquerungen im Ballon nur zu dieser Jahreszeit möglich - wird Frank Noe im Allgäu in die Lüfte steigen und drei bis vier Stunden später in der Nähe von Venedig wieder landen. Während der Fahrt will er auf seinem Rollen-Rennrad sitzen und strampeln; mit im Korb wird neben zwei Piloten auch ein Kameramann sein. Die Aktion hat Noe auf den Namen "The 5000+" getauft, da der Ballon die Alpengipfel in mehr als 5000 Metern Höhe überqueren wird. Das Vorhaben ist nicht ohne: So weit oben wird die Luft schon dünn, der Sauerstoffgehalt schrumpft auf die Hälfte zusammen, der Körper versucht den Mangel durch erhöhten Puls und verstärkte Atmung auszugleichen. Für Untrainierte ist das nichts.

"Mir geht es schon auch darum, der Erste zu sein, der das macht."

Beim Guinness-Buch der Rekorde ist das Ganze auch schon angemeldet. Geplant ist "die höchste, schnellste und kälteste Alpenüberquerung mit dem Fahrrad". Allein wegen so viel geballtem Superlativ könnte man Noes Pläne nun leicht in eine Reihe mit anderen, allerdings eher zweifelhaften Rekordversuchen stellen: barfuß auf die Zugspitze, einen Marathon rückwärtslaufen, so etwas. Und ja, sagt der drahtige Mann mit dem Bürstenschnitt und dem Siebentagebart: "Mir geht es schon auch darum, der Erste zu sein, der das macht." Darüber hinaus verfolge er mit seiner Aktion aber weitere Ziele. Er sammelt Spenden für die Organisation "World Bicycle Relief", um mindestens hundert Fahrräder für Menschen in Entwicklungsländern zu finanzieren. Außerdem will er andere zu einem nachhaltigeren Leben inspirieren, sagt der 43-Jährige. "Meine Vision ist es, jeden Menschen von klein bis groß für das Radfahren zu begeistern."

Die Liebe zum Zweirad hat Noe schon als Vierjähriger entdeckt, als ihm sein Vater aus dem Klapprad der Mutter ein BMX-Rad zusammenschweißte. Fortan saß der Bub ständig im Sattel. Noe, der im thüringischen Arnstadt aufgewachsen ist, trat in der DDR früh einem Radverein bei und nahm an Wettkämpfen teil - erst Rennrad, später Mountainbike. Auch als es den gelernten Elektroinstallateur nach München verschlug, ließ ihn die Leidenschaft nicht los: In der Freizeit bretterte er die Isartrails entlang, beim Deutschen Alpenverein absolvierte er eine Ausbildung zum Mountainbike-Guide, und bei einer Radtour lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen; sie haben zwei Kinder und leben seit 2016 in Sauerlach. Dort stehen im Keller sein Rennrad, sein Mountainbike, ein Alltagsrad und ein Klapprad. Auch im Job hat er mit dem Thema zu tun - als Mitarbeiter einer Leasingfirma für Diensträder.

Während der Pandemie rief Noe zur Mitmachaktion "Mit dem Rad ins Home-Office" auf. Jeden Morgen, bevor er sich an den Laptop setzte, schwang er sich aufs Fahrrad, "mal zehn, mal fünfzehn Kilometer, einfach um rauszukommen". Im Sommer 2021 folgte die nächste Aktion: "Mit dem Rad zum Kunden". Noe fuhr fortan zu geschäftlichen Terminen konsequent mit dem Fahrrad. Einmal sogar bis Hamburg. Er hatte ein Notebook dabei, arbeitete während des Neun-Tage-Trips jeweils bis zum Nachmittag und radelte anschließend noch am Abend bis zu 100 Kilometer in Richtung Ziel. Seine Firma war, da sie vom Fach ist, einverstanden.

Im September beginnt ein spezielles Höhentraining

Seine Aktionen begleitet der Velo-Enthusiast mit Texten, Bildern und Videos auf diversen Internetplattformen. Zuletzt rief er im März die Initiative "BikeRepair4Ukraine" ins Leben, bei der er Fahrräder aus der Nachbarschaft reparierte und Spenden für die Ukraine sammelte. Mit einer eigenen Homepage rief er deutschlandweit Hobby-Schrauber dazu auf, sich seinem Beispiel anzuschließen, wozu er Vorlagen für Plakate und das eigene Social-Media-Profil zur Verfügung stellte. "Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet", sagt Noe, "lässt sich auch etwas bewegen."

Zunächst aber wird sich der Familienvater erst mal selbst bewegen - als Vorbereitung auf seine Alpenüberquerung im Ballon. Hierzu hat er sich von professioneller Hand einen Trainingsplan erstellen lassen, ab September kommt ein spezielles Höhentraining hinzu. Nicht nur die dünne Luft auf 5000 Metern wird eine Herausforderung darstellen; eine weitere dürften die Temperaturen von bis zu minus 20 Grad sein. Trotzdem gibt sich Noe zuversichtlich, dass er seine Tour über die Alpen packen wird - ohne Strampelpause und ohne Sauerstoffzufuhr.

Welche Mission er sich danach vornehmen wird? "Da wird mir sicher was einfallen. Allein mit dem Fahrrad auf Rollen ist vieles möglich. Da gibt es noch etliche ungewöhnliche Orte, wo noch nie jemand gefahren ist", sagt er und grinst. "Mit dem Fahrrad im Weltraum - das wär' doch mal was!"

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