Satire:Gerhard Polt gibt Tipps - für die kreative Beleidigung

Satire: Anleitung zu mehr Kreativität beim Beleidigen: "Der Grosse Polt" und sein Autor bei der Buchvorstellung am Sonntag.

Anleitung zu mehr Kreativität beim Beleidigen: "Der Grosse Polt" und sein Autor bei der Buchvorstellung am Sonntag.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im neuen Buch von Gerhard Polt geht es aber nicht nur um Brunzkachln oder Zwischenwirte. "Der grosse Polt" ist ein Konversationslexikon für Freunde gehobenen bayerischen Humors.

Von Karl Forster

Im grünen Saal des Augustiner-Wirtshauses in der Fußgängerzone brodelt es, lange bevor das Evidenzerlebnis startet. Ein Evidenzerlebnis ist laut Gerhard Polt, wenn man "zufrieden feststellt, dass das, was stattfindet, auch stattfindet". Zur kurzen Klärung sei erwähnt, dass dieses Schlagwort samt Erklärung sich in jenem Büchlein befindet, dessen Vorstellung durch den Autor, die Herausgeberin, den Verlagschef und eine alles umrahmende famose Volksmusikcombo diesen Sonntagmittag zum Evidenzerlebnis adelt. Noch kürzer: Gerhard Polt präsentierte das lexikalische Opus "Der Grosse Polt".

Es brachte einer der mehrere hundert geladenen Gäste das Ambiente auf den Punkt: Würfe man gerade jetzt eine Bombe in diesen Grünen Saal, stünde es künftig schlecht um München und Bayerns Humor. Ein Satz, der zweierlei bedeutet. Erstens, dass der ortsansässige Humor sich den aktuellen Ereignissen, stark schwarz gefärbt, zu stellen weiß; zweitens, dass zu diesem Evidenzereignis wirklich alles gekommen war, was auch nur im Entferntesten mit Humor und seinem so herausragenden Protagonisten Polt zu tun hat.

Regisseure, Schauspieler, Musiker, Veranstalter, Freibierlätschn. Wozu der Buchvorstellende in seinem "Grossen Polt" feststellt, Freibier sei "ein Zeichen internationalen Verständigungswillens der Völker für Frieden; Nächstenliebe, die auf Hopfen und Malz beruht." Dass der Schweizer Verlag Kein & Aber zwar für Weißwürste und Senf aufzukommen bereit war, nicht aber auch für die Getränke, nimmt der Poltschen Deutung nichts. Man darf das im Sinne des Autoren dahingehend interpretieren, dass Weißwürste irgendwie auch Freibier sind.

Verlagschef Peter Haag startete, nach entsprechend fetzigem Auftaktlandler der Musiker aus dem Hause Well, kühnen Muts, Humoriges über den Humorissimus Polt zu erzählten, was ihm dank des einnehmenden Klangs seines schweizerischen Idioms und der feinsinnigen Gegenüberstellung von Wikipedia vs. "Grosser Polt" recht gut gelang.

Noch inniger dann die Ausführungen der jungen Herausgeberin Claudia Pichler: Sie erzählte, in herrlichstem Bairisch, von der harten Arbeit, bei Riesenschnitzel plus Getränk aus den Endlosschlaufen der Poltschen Gedanken zu Schlagwörtern wie "Just-in-time-Wiesler" (überpünktlicher Opportunist) oder "Antilopentrachtenlederanzug" (mit Gamsbart aus Glasfaser) lexikalische Formulierungen zu destillieren.

Kennen Sie die Kaulquappennummerierer?

Dann aber kam, dramaturgisch so einfach wie logisch, der Auftritt des Lexikonautors selbst. Polt stellte hier seinem gedruckten Vorwort noch ein gesprochenes voraus ungefähr des Inhalts, dass es heiße: "Am Anfang war das Wort." Dass da aber sonst noch nichts gewesen sei, auch nicht das, was das Wort bedeute. Nichts anderes habe er - stellenweise - in seinem Buch erschaffen. Wenn man also sage: "So ein Depp", passiere es oft, dass der so benannte sich später tatsächlich als Depp herausstelle.

So gewinnen Begriffe wie "Kaulquappennummerierer" (Antagonisten gegen Versöderung der Landschaft), "Öha" (körperliches, schwerfälliges Erstaunen) oder "Brunzkachl" (mögliche Beleidigung weiblicher Personen) deutlich an Gewicht. Apropos Beleidigung: Gerhard Polt sieht sein Lexikon von "Abfent" (Synonym für pränatale Zeit) bis "Zwischenwirt" (Mensch) auch als Anleitung zu mehr Kreativität beim Beleidigen, weil es hier noch Nachholbedarf gebe. So steht denn auch als Nachwort der für Polt nicht untypische Satz: "Das vorliegende Buch will eher als Mach- denn als Werk verstanden sein."

In etwa zwei Wochen feiert Gerhard Polt seinen 75. Geburtstag. Mit dem "Grossen Polt" (170 Seiten, 12 Euro) ist ihm auch ein hübsches Vermächtnis gelungen: Aus jeder Zeile dieses Konversationslexikons tönt der Sprachduktus des Redners Polt. So findet man große Freude daran, einzelne Definitionen selbst laut jemandem vorzulesen, weil so Polts kunstvolle Sprachquerungen noch deutlicher werden. Aber vielleicht kommt "Der Grosse Polt" ja bald als Hörbuch heraus. Dafür käme man gerne wieder zum Elfuhrläuten in den Grünen Saal des Augustiner.

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