Till Hofmann legt wieder einmal selbst Hand an. Steigt auf die große Leiter und schnürt die großen "Goldgrund Immobilien Organisation"-Banner an den blauen Doppeldecker, der sonst seine normalen Stadtrundfahrt-Runden dreht. An diesem Sonntag steuert der Bus ganz andere Sehenswürdigkeiten an: die "Filetstücke und preiswerten Leckerbissen des Münchner Immobilienmarktes". Unter dem Motto "Die Zukunft Münchens - Wir können nur spekulieren" machen ein "Dirk von Stahlnik" und ein "Mark Bench" in edlem Maklerzwirn und mit goldenem Bauhelm die Reiseführer für anlegefreudige "finanzielle Highperformer".
Selbstverständlich ist Goldgrund keine echte Immobilienfirma, sondern der vom Kleinkunst-Dogen Hofmann, dem Journalisten Alex Rühle und dem Filmemacher und Galeristen Christian Ganzer ausgedachte satirische Hebel, um den Gegner mit den eigenen Waffen zu schlagen. Seit einem fiktiven Großprojekt mitten auf der Münchner Freiheit, spätestens aber seit der Guerilla-Sanierung einer angeblich unrenovierbaren städtischen Wohnung in der Müllerstraße ist die Initiative gegen die Degradierung der ganzen Stadt zur Handelsware von "Investoren" vielen ein Begriff. Vor allem den vielen Leidgeprüften des Münchner Immobilienmarkts.
Die rasch "ausgebuchte" Busfahrt ist die neueste Aktion. Schon beim Höchstpreis-Objekt "Munich Seven", dem ehemaligen Heizkraftwerk und nun höchsten und teuersten Wohngebäude in der Innenstadt, laufen die alerten Maklerdarsteller zu großer Form auf: "Es gab ja Irritationen wegen einer Kindertagesstätte, aber wir konnten dafür sorgen, dass es nun absolut ruhig ist." Weiter geht es zu ähnlichen "Traumobjekten": Dem ehemalige Frauengefängnis Neudeck, wo man im persönlichen Gespräch mit den "Hotel Biss"-Initiatoren erfahren kann, wer im Landtag für einen einmaligen Reibach zuungunsten eines sozialen Musterprojektes für Obdachlose entschieden hat.
Gleich gegenüber kommt der heruntergekommene Zacherlkomplex an die Reihe, mitsamt Planzeichnung, wie dem "wohl aus Versehen" erlassenen Denkmalschutz der Garaus gemacht werden soll. Und weiter geht es: Verdichtung wie am Biergarten an der Fraunhoferstraße, Segregation wie beim "Schwabinger Tor" auf dem ehemaligen Metrogelände (O-Ton Bench: "Was kann Architektur sozial erreichen? Wir haben es gezeigt: Wohnungen an die Stadt zurückverkaufen, zum Marktpreis") und Entmietung, die durch den Verkauf der GBW-Wohnungen an die Patrizia droht.
Überraschung in der Pilotystraße
Rapper Keno von Moop Mama schlägt sich schon im Bus in Anzug und Krawatte "auf die richtige Seite", sein Auftritt ist aber nur der Auftakt zu der geheim gehaltenen Bombe, die dann einen Steinwurf von der Staatskanzlei entfernt platzt. Dort in der Pilotystraße 8 lässt die Stadt ein prächtiges, denkmalgeschütztes Gründerzeit-Wohnhaus, das sie vor langem geerbt hat, verkommen, warum auch immer. Inzwischen lebt nur noch eine alte Dame hier, seit 1927, in dritter Generation.
Genau das richtige Objekt für eine Goldgrund-Aktion also. Im ersten Stock richtet sich ein "Vertriebenen-Büro" von Atomic Café, München 72 und Hotel Biss ein, drunter machen die obdachlosen Boxer des TSV 1860 Training, nebenan treten - per Großbildschirm in den Hof übertragen - illustre Unterstützer auf: Dr. Döblingers Kasperltheater, Jochen Busse, Frank-Markus Barwasser, Ecco Meinecke mit Anthony's Garden, Kammerspiel-Star Brigitte Hobmeier. Mehmet Scholl kümmert sich als "Hausmeister" um Recht und Ordnung. Polizisten erkundigen sich höflich, ziehen wieder ab. Höhepunkt: Als Gerhard Polt nochmal in die Rolle des rücksichtslosen Entmieters schlüpft. Der Sketch, der wie eine aktuelle Beschreibung des Schicksals dieses Hauses wirkt, stammt aus dem Jahr 1981.