Süddeutsche Zeitung

Sappralott:Die Bierhalle am Boulevard

Einst befand sich das "Sappralott" mitten in der Reeperbahn Münchens. Inzwischen geht es an der Donnersbergerstraße etwas gemütlicher zu - außer bei Fußballspielen.

Konstantin Kaip

Neuhausen ist heute eher ein Wohn- als ein Ausgehviertel, beliebt bei all denen, die es unaufgeregt mögen. Was das heißt, lässt sich gut an der heimlichen Lebensader des Viertels ausmachen: der Donnersbergerstraße, die gemächlich zwischen Arnulfstraße und Rotkreuzplatz verläuft. Bäckereien reihen sich an Gemüseläden, Friseur, Apotheke, Wäscherei. Dazwischen schmiegen sich fünf Lokale, vor denen bei gutem Wetter Leute aus der Nachbarschaft gemütlich ihr Bier trinken und ihr Schnitzel essen.

Schwer vorstellbar, dass der Boulevard mit seinen breiten Bürgersteigen Anfang des vergangenen Jahrhunderts eine quirlige Vergnügungsmeile gewesen sein soll, die in ihrer besten Zeit als "Reeperbahn Münchens" bekannt war, weil sie von 17 Kneipen gesäumt wurde, in denen sich allabendlich Feierlustige aus der ganzen Stadt und dem Umland versammelten.

Eine gastronomische Institution hat die unterschiedlichen Zeiten der Donnersbergerstraße durchgestanden, von den bewegten bis in die ruhigeren Tage: Im Haus Nummer 37, an der Einmündung der Hirschbergstraße, wird seit mehr als 100 Jahren Augustiner ausgeschenkt. 1905 eröffnete dort der "Hirschpark". Unter diesem Namen war das Lokal, abgesehen von einer kurzen Phase zwischen 1928 und 1930, wo es zur "Neuhauser Weißbierhalle" wurde, fast 80 Jahre lang bekannt. Seit 1986 heißt es trotzig "Sappralott".

Die Namensänderung geht auf eine GmbH um Michael Mosner und Karin Kratzin zurück, die als ehemalige Mitarbeiter des "Zoozie'z" am Baldeplatz damals die Wirtschaft von der Brauerei übernahmen. An die Zeiten des "Hirschparks" können sich nur noch wenige Stammgäste erinnern.

Einer von ihnen ist der Bierfahrer Rudi Heimgartner. "Seit 30 Jahren mach' ich hier Mittag", erzählt der 52-Jährige im blauen Augustiner-T-Shirt über seiner Halben. Diese Gewohnheit hat er beibehalten, seit er als junger Mann über dem Lokal in einer Betriebswohnung gelebt hat. "Eine rechte Spelunke" sei das Wirtshaus vor der Namensänderung gewesen, "etwas heruntergekommen".

Heute präsentiert sich das "Sappralott" in neuem Glanz. Erst im vergangenen Jahr hat die Brauerei das gesamte Lokal in drei Bauphasen renovieren und umgestalten lassen. Dabei ist aus der ehemaligen Küche ein Teil des Gastraums, und aus den ehemaligen Toiletten die neue Küche geworden.

Im hinteren Teil des Lokals führt nun eine Treppe zu den WCs im Kellergewölbe. Einige Stammgäste hätten den Umbau mit Skepsis beäugt, erzählt die Geschäftsführerin Daniela Lautenschlager. Zur Wiedereröffnung hätten sie ihr "Wohnzimmer" dann aber sofort wiedererkannt. "Viele haben gesagt: Das ist das Sappralott in Neu", sagt die 34-Jährige und lächelt.

Schmuck präsentiert sich das Wirtshaus mit seiner neuen Stuckdecke und der dunklen Holzvertäfelung nun seinen Gästen, die hier mittags günstige Gerichte aus dem verbilligten Angebot bestellen oder abends auf ein paar Bier und ein Riesenschnitzel vorbeikommen.

Die Stammgäste, die gut 90 Prozent der Kundschaft ausmachen, schätzen die großen Portionen und den schnellen Service, erzählt Lautenschlager. "Und sie mögen's einfach, wenn man weiß, was sie trinken." Das kann schon mal etwas Ausgefalleneres wie Saurer Russ' (Weißbier mit Mineralwasser) oder ein Alibi-Radler (Helles mit einem Schluck Limo) sein, verrät Florian Schlegel an der Bar mit einem Schmunzeln.

Zum "Sappralott" kam Lautenschlager, die schon in vielen Münchner Lokalen gearbeitet hat, 2002 mit ihrem Schwager Fritz Kustatscher, der die Wirtschaft damals von Michael Mosner übernommen hat. Der aktuelle Pächter gehört zu einer Wirtsfamilie mit Tradition in Neuhausen: Für seinen Onkel Hans Stadtmüller, Betreiber des "Jagdschlössl" am Rotkreuzplatz und Festwirt der "Fischer-Vroni", führt Kustatscher derzeit das Geschäft auf der Wiesn. Die Crew im "Sappralott" kommt derweil gut allein zurecht. Schließlich seien sie ein langjährig eingespieltes Team, sagt Lautenschlager.

Treu bleiben dem "Sappralott" sogar ehemalige Mitarbeiter wie der Werkzeugmacher Michael Rauch, der 14 Jahre lang hinter dem Tresen stand. Er steht heute noch gerne für allerlei anfallende Reparaturen und Ratschläge zur Verfügung. Vor 20 Jahren, als es im "Sappralott" noch Kegelbahn und Billardtisch gab, seien die Gäste auch schon mal in drei Reihen vor dem Tresen gestanden, erinnert sich der 52-Jährige, den alle Mike nennen. "Da ging ganz schön der Punk ab."

Die Zeiten mögen ruhiger geworden sein, seine Pole-Position in der ehemaligen Vergnügungsmeile braucht das Wirtshaus, das im Dezember sein 25-jähriges Bestehen feiert und seit zwei Jahren alleiniger Ausrichter des Donnersberger Straßenfestes ist, jedoch nicht zu fürchten.

Brechend voll wird das "Sappralott" bei wichtigen Fußballspielen, die auf einer Großleinwand und zwei Flachbildschirmen gezeigt werden. Wenn dann die Fans in der Halbzeitpause bei einer Zigarette vor der Kneipe lebhaft über ihre Mannschaft diskutieren, lässt sich ermessen, wie es einmal überall auf der Straße zugegangen sein muss.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2011/tob
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