Süddeutsche Zeitung

Sanierung:Warum der U-Bahnhof Sendlinger Tor die Planer herausfordert

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Die mitten in der Stadt gelegene Verkehrsdrehscheibe soll bis 2022 komplett saniert und erweitert werden - bei laufendem Betrieb.

Von Marco Völklein

Die Stadtwerke haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Bauwerke saniert und neu gestaltet. Am Hauptbahnhof entstand unter dem Bahnhofsvorplatz ein neues Untergeschoss, am Marienplatz ebenso. Am Ostbahnhof werden seit Monaten die Betonfugen im Untergrund neu verspachtelt, damit künftig kein Salzwasser vom Winterdienst mehr eindringen kann. Eine ähnliche Aktion findet am Westfriedhof statt. Was aber vom Jahr 2017 an rund ums Sendlinger Tor geplant ist, das "geht in eine völlig neue Dimension", sagt Herbert König, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).

Seit Jahren schon tüfteln die Ingenieure der Stadtwerke München (SWM) und die Planer der MVG an dem Projekt. Zunächst wurde der Zustand des Bauwerks erfasst. Dabei stellte sich heraus, dass die Betonhülle, die da im Boden steckt, dringend einer Sanierung bedarf. Wie bei anderen U-Bahnhöfen auch hat Tausalz dem Beton arg zugesetzt.

Zudem wissen die Verkehrslenker seit Jahren, dass der Bahnhof unter dem Sendlinger Tor hart an der Kapazitätsgrenze steht. Insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten platzt das Bauwerk fast aus allen Nähten. Vor den Rolltreppen bilden sich Menschentrauben, auf den Bahnsteigen geht es äußerst eng zu.

Zwei zusätzliche Zugangsbauwerke sind geplant

Nun wollen die Planer die ohnehin anstehende Grundsanierung des Bahnhofs nutzen, um gleichzeitig dessen Kapazität zu erhöhen. Dazu sollen zwei neue Querstollen auf der Ebene von U 1/2 entstehen, über welche die Fahrgäste an die Oberfläche gelangen können. Die SWM-Planer sprechen von zwei zusätzlichen Zugangsbauwerken, die zwischen die bestehenden Röhren von U 1/2 gequetscht werden.

Das eine Bauwerk entsteht am Südende der Wallstraße - dort wird es einen direkten Ausgang an die Oberfläche geben. Das zweite wird am Nordrand des Sendlinger-Tor-Platzes errichtet - und einen zusätzlichen Aufgang von der U 1/2-Ebene zum Sperrengeschoss bieten. Außerdem wollen die Planer im bestehenden Bauwerk mehr Platz für Fahrgäste schaffen.

Dazu werden Technikräume von der U 1/2-Ebene in die neuen Bauwerke verlegt. Und Rolltreppen, die von der U 1/2-Ebene zu den U 3/6-Bahnsteigen führen, sollen "gedreht" werden - damit sich die umsteigenden Fahrgäste künftig besser im Bahnhof verteilen. Die Planer hoffen, dass sich die Menschenpulks vor den Rolltreppen so künftig eher auflösen.

U-Bahn-Betrieb soll trotz Umbau weiterlaufen

Das Ganze ist tatsächlich eine gewaltige Aufgabe für die Ingenieure und die beiden Architekturbüros Bohn und Raupach, die in das Projekt eingebunden sind - zumal sie mitten in der Stadt, zwischen enger Bebauung, auf und in einer intensiv genutzten Verkehrsdrehscheibe bauen müssen. Allein der Brandschutz beschäftigt die Planer intensiv: Der U-Bahn-Betrieb soll trotz Umbau möglichst weiterlaufen.

Stets muss gewährleistet sein, dass genügend Fluchtwege offen sind. Die Firmen, die dem Bahnhof zudem neue Decken-, Boden- und Wandverkleidungen verpassen, müssen sich deshalb Stück für Stück vorarbeiten, die Baustelle "wandert". Nach und nach "entsteht so ein neuer Bahnhof", sagt Jan Koppelmann, der die Projektplanung leitet. "Deshalb dauert es auch so lange."

In diesem Jahr werden die Firmen zunächst mal Vorarbeiten erledigen, Leitungen und Kabel müssen umgelegt werden. Im Jahr 2017 dann geht es mit den Hauptarbeiten los: In der Herzog-Heinrich-Straße wird eine Containeranlage errichtet mit Büros und Aufenthaltsräumen für Ingenieure, Bauüberwacher und Arbeiter. In der Wallstraße sowie zur Sonnenstraße hin werden zwei Baugruben ausgehoben, in die nach und nach die neuen Zugangsbauwerke betoniert werden.

Im Jahr 2022 soll der Umbau abgeschlossen sein

Parallel legt die Wanderbaustelle in den Untergeschossen los, die technischen Anlagen werden nach und nach verlegt, die Rolltreppen getauscht und die vom Tausalz angegriffene Betonhülle wird saniert. Wenn alles so läuft, wie sich Koppelmann und seine Planer das gedacht haben, soll der Umbau im Laufe des Jahres 2022 abgeschlossen sein.

Eine besondere Herausforderung stellt bei der beengten Lage die Logistik dar. Die SWM-Ingenieure wollen möglichst viel Material und sperrige Teile nachts, wenn der U-Bahn-Betrieb ruht, mit Zügen unterirdisch auf der Schiene anliefern. Vor allem die neuen Rolltreppen, die für den "Treppendreh" benötigt werden, sollen per Bauzug kommen - sie ließen sich auf anderen Weg auch gar nicht in das unterirdische Bauwerk einbringen.

Um zum Beispiel die Wandverkleidungen entlang der Gleise auszutauschen, wollen die Ingenieure bereits im U-Bahn-Depot auf einzelnen Bauzügen Arbeitsbühnen errichten. Die sollen nachts in den Bahnhof einfahren - und die Arbeiter können sofort loslegen. Ganz ohne Lkw-Verkehr wird es aber nicht abgehen: Allein der Beton für die Zugangsbauwerke kann nur über die Straße kommen.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2016
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