Sanierung des Deutschen Theaters:Seid verschlungen, Millionen!

Eigentlich sollte das Deutsche Theater in diesen Wochen wiedereröffnet werden. Doch nun verzögert sich die Sanierung bis mindestens 2013 - und teurer wird das Projekt auch. Eine Chronik der Misere.

Katja Riedel

Drei Millionen sollte die Sanierung kosten, bald waren es zehn. Und je länger die Arbeiten im Deutschen Theater dauerten, desto teurer wurde es: Am Ende schlugen 54 Millionen zu Buche, die die Sanierung die Stadt München kostete - Mark, nicht Euro. Verbaut zwischen 1978 und 1982, während der bislang letzten Sanierung des 1896 eröffneten Gebäudes.

Baustelle am Deutschen Theater in München, 2010

Selten ist ein Gebäude vor seiner Sanierung so detailliert untersucht worden wie das Deutsche Theater. Was nicht heißt, dass man nicht doch noch Gewölbe entdecken könnte, von denen man nichts wusste, oder Schimmel, den zuvor niemand wahrgenommen hatte. Seit 2008 wird das Haus saniert.

(Foto: Stephan Rumpf)

Diese Bauhistorie liest sich heute wie ein schlechtes Omen. Seit 2008 wird an der Schwanthalerstraße in München wieder saniert. Wie teuer der Umbau diesmal werden wird, steht erst ein Jahr nach der Wiedereröffnung fest. Und die ist nicht in Sicht. Denn obwohl nach den ursprünglichen Plänen schon jetzt, im Herbst 2011, die Bühne wieder bespielt werden sollte, kann das Deutsche Theaters nicht mit einer Wiederöffnung vor April, wenn nicht gar Oktober 2013 rechnen. Was ist schief gelaufen und warum?

Die Ausgangslage

Die Ausgangslage

Böse Zungen sagen, die Stadt habe das Theater eigentlich abstoßen wollen und dafür Gründe gesucht. Diese liefert im April 2003 eine 54-seitige Stadtratsvorlage, versehen mit der Empfehlung des Wirtschaftsreferenten, das Theater abzuwickeln und das Gebäude zu verkaufen. Angesichts der städtischen Etatsituation sei die geschätzt 138 Millionen Euro teure Sanierung "nicht finanzierbar". Die Stadt ist Hauptgesellschafterin der Deutsches Theater Haus- und Grundbesitz GmbH (DTGH), der die Gebäude an der Schwanthaler- und Landwehrstraße gehören, und alleinige Inhaberin der Deutsches Theater Betriebs GmbH (DTB).

In Augenschein genommen hat die Stadt ihr Theater auf Antrag der FDP, die ein Gesamtkonzept für anstehende Renovierungen und Investitionen gefordert hatte. Auch weil die Sanierung der städtischen Kammerspiele zwischenzeitlich zu echten "Kummerspielen" geworden war: 110,3 Millionen Euro statt der abgesegneten 73 Millionen hatte sie gekostet - nicht zuletzt da an der Baustelle immer neue Probleme zutage getreten sind. In einer ähnlich alten Bausubstanz des Deutschen Theaters wittert nun nicht nur die FDP ein weiteres Millionengrab, das sich wegprivatisieren ließe.

Auf die Summe von 138 Millionen Euro kommt das Baureferat nach einem Gutachten. Eine Liste des Theaters, welche Bühnentechnik in den kommenden 20 Jahren wünschenswert sei, treibt die Preisschätzung in die Höhe. "Wie einen Schweizer Käse" durchlöchern Gutachter die Bausubstanz, unter anderem mit Kernbohrungen und Endoskopen, wie Beteiligte sagen. Zwölf Planer und Fachingenieure sowie acht Gutachter untersuchen das Haus.

Was sie herausfinden, klingt verheerend: Brandschutzmängel, lockerer Kies, auf dem das Haus schwimme, statische Probleme, veraltete Heizungs-, Sanitär-, Lüftungs-und Elektroanlagen, Risse im Mauerwerk des Bühnenturms, feuchtes Mauerwerk im Keller, eine marode Decke des Silbersaals, Asbest. Das Geschäftsgebäude müsse ganz abgerissen werden, der Gaststättenbau sei äußerst marode.

Das Haus, befindet zunächst auch Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), müsse Ende 2003 dicht gemacht werden. Doch der damalige Theaterchef, Heiko Plapperer-Lüthgarth, kämpft: Das Baureferat dramatisiere die Situation; man werde ein Konzept vorlegen, mit dem man die Schäden "in qualitativ hochwertiger Weise" beheben könne - allerdings günstiger, als dies im Konzept des Baureferats vorgesehen sei.

Später schlägt man vor: 40 Millionen Euro für einen Neubau, zum Festpreis. Man brauche keinen Porsche, sondern sei mit dem VW zufrieden. Doch das Kommunalreferat winkt ab: Ein Neubau komme wegen der nötigen Abstandsflächen komme nicht in Frage. Es bleibt nur die Sanierung.

Die Investorensuche

Die Investorensuche

Nach zähen Verhandlungen und Bürgerprotesten einigt sich der Stadtrat darauf, das Theater nicht zu schließen, sondern für vier Millionen Euro notzusanieren, den Spielbetrieb bis Ende 2007 zu sichern und einen privaten Investor zu suchen.

Der soll das Haus als Musicalspielstätte weiterbetreiben. Über Jahre tauchen immer wieder mögliche Investoren auf - zu einem Abschluss kommt es nicht. Die Stadt beteilige sich nicht an den "investiven Maßnahmen", heißt es zunächst.

Als so kein Käufer zu finden ist, spricht sie von "angemessenen Zuschüssen". Als gar von einem negativen Kaufpreis auszugehen ist, wird klar: Das ist nicht durchsetzbar. Schenkte die Stadt doch die einzige Bühne her, die sich finanziell selbst trägt - samt Bonus für die Sanierung in hoher zweistelliger Millionenhöhe. Der Spielbetrieb geht derweil unter Einschränkungen weiter.

Die Kehrtwende: Mindestsanierung

Die Kehrtwende: Mindestsanierung

Am 7. Mai 2007 beschließt der Stadtrat, das Deutsche Theater zu behalten, und ein Jahr später den Kompromiss einer "Mindestsanierung". Bauherr wird - aus steuerlichen Gründen - nicht die Stadt, sondern die DTGH. Ihr Geschäftsführer Rainer Gebhart, der sich zuvor vor allem mit Gebäudeverwaltung beschäftigt hat, bekommt neue Kompetenzen.

Zugleich wird ein siebenköpfiger Aufsichtsrat gebildet, in dem die Stadtratsfraktionen vertreten sind und an dessen Spitze Bürgermeister Hep Monatzeder steht. Mit der Projektsteuerung sei die Drees & Sommer Projektmanagement betraut, heißt es in der Stadtratsvorlage, schon vor der Abstimmung. Die Firma hat bereits an den Gutachten und Notsanierungen mitgearbeitet. Öffentlich ausgeschrieben wird die Steuerung nicht.

Monatzeder und Gebhart sehen daran nichts Anrüchiges, schließlich sei die Firma bestens eingearbeitet gewesen. Aus dem Aufsichtsrat wird man später anderes hören: Mit Drees & Sommer sei man weniger zufrieden als bei früheren Projekten. Denn im Theaterbereich, so heißt es, verfüge der Projektsteuerer über wenig Erfahrung. Man hört auch, dass es vielleicht keine gute Idee war, der DTGH eine solches Projekt anzuvertrauen, ein "Wagnis" sei das gewesen.

Dabei klingt alles nach einem vernünftigen Kompromiss. Die Pläne werden abgespeckt, der Bau soll mehr als 50 Millionen billiger werden als 2003 noch geplant: 79,5 Millionen Euro netto, inklusive 17,5 Prozent Risikoreserve, zu zahlen von der Stadt. Auf die reine Theatersanierung entfallen 45,7 Millionen, ohne Reserve; der Rest ist für die umgebenden Gebäude gedacht, wo bislang Wohnungen, Gastronomie und Verwaltung untergebracht waren. So ist der Plan, der später an die Preisentwicklung angepasst und auf 86 Millionen Euro aufgestockt wird.

Eine Reserve wird bei vielen öffentlichen Projekten später nicht angetastet. Hier kommt es anders. Zu den Baukosten werden nämlich die Nebenkosten im Theaterbetrieb nicht gerechnet. Weil man während der vorangegangenen Sanierung pausiert und damit schlechte Erfahrungen gemacht hatte, soll es diesmal weitergehen, im Theaterzelt in Fröttmaning.

Dieser Interimsspielbetrieb kommt die Stadt teuer: Denn die Zuschauer akzeptieren Fröttmaning nur zögerlich. Die bislang erzielten Besucherzahlen reichten der DTB "in jedem Fall nicht aus", um auch 2011 die Zusatzkosten alleine aus der bestehenden Kapitalrücklage zu stemmen, heißt es im Juli 2010. Schon die Miete des Theaterzeltes kostet die DTB 2,2 Millionen Euro im Jahr. Sollte das Haus erst im Januar 2013 an das Theater übergeben werden, so heißt es 2010, fielen allein bei der DTB Zusatzkosten von 5,5 Millionen Euro an. Die muss wohl die Stadt tragen.

Die Chaos-Baustelle

Die Chaos-Baustelle

Und diese Zeit wird gebraucht, mindestens. Erst im Frühjahr 2012 wird sich entscheiden, ob der jetzige Zeitplan zu halten ist. Denn kaum waren die Bautrupps in der Schwanthalerstraße angerückt, begannen die Probleme. Fast täglich hätten sich neue Unwägbarkeiten ergeben, sagt ein Beteiligter.

Erstaunt ist nicht nur er, welche Überraschungen im wohl am besten untersuchtem Gebäude Münchens auftauchen: Da bröckelt eine Nachbarwand im Nebenhaus. Das Kellergewölbe des Faunbrunnens wird plötzlich entdeckt, was zwei Monate Verzögerung nach sich zieht. Deutlich sichtbarer Pilzbefall in einem Küchenbereich fällt erst jetzt auf, wie auch statische Probleme durch den U-Bahn-Bau in den 70er Jahren. Eine versehentlich aufgedrehte Sprinkleranlage nässt die Untermaschinerie ein - ein Versicherungsschaden.

Genauso wie ein Dachstuhl-Brand im Sommer. "Durchaus üblich" nennt all das das Kommunalreferat. Monatzeder sieht das ähnlich. Schließlich habe man das ganze Ausmaß erst gesehen, als das Gebäude leer war; jeder, der einen Altbau saniere, kenne solche Überraschungen.

Noch sei man finanziell im Plan, sagen auch andere Aufsichtsratsmitglieder - doch sie sind weit skeptischer als ihr Chef, dass das so bleibt. Es besteht die Gefahr, dass Baufirmen Nachforderungen erheben, die das Budget sprengen könnten. Etwa die Hälfte dessen, rund 55 Millionen Euro, sei bislang an die DTGH geflossen, etwa 80 Prozent des Gesamtbudgets seien beauftragt und vergeben, teilt das Kommunalreferat mit. Bislang seien alle Mehrkosten über die Risikoreserve aufgefangen worden.

Fraglich ist, ob jemand haftbar zu machen ist. Laut Stadt wird kontinuierlich geprüft, wer Mehrkosten und Verzögerungen zu verantworten hat. Denn bei einer hochkomplexen Baustelle wie dieser zieht eine Verzögerung die nächste nach sich: Firmen behindern einander, wenn die vorhergehende noch nicht fertig ist. Manches muss deshalb neu ausgeschrieben werden, sodass sich Verzug um Verzug summiert. Da, heißt es aus Aufsichtsratskreisen, sei der Projektsteuerer gefragt. Diese Kritik wird vor allem in der Aufsichtsratssitzung Anfang Oktober laut.

Die Stimmung ist schlecht, doch am Ende ist man sich einig: Beim derzeitigen Projektstand könne man den Steuerer - trotz aller Unzufriedenheit - genauso wenig auswechseln wie die Architekten Doranth und Post. Diese bezeichnen Insider als gute Fachleute, die aber in den Besonderheiten eines Theaterbaus zu unerfahren seien. Weder Drees & Sommer noch die Architekten können sich öffentlich äußern, sie haben Vereinbarungen unterschrieben, die das verbieten.

Glücklich dürften sie nicht damit sein, dass Monatzeder vor zwei Wochen wissen ließ, der Aufsichtsrat sei "sehr unzufrieden" mit ihrer Leistung. Inzwischen relativiert das der Bürgermeister: Er persönlich sei sehr wohl zufrieden. Genauso wie Gebhart, der das Projekt als schwierigste Baustelle Münchens bezeichnet. Auch das Kommunalreferat freut sich: Immer noch im Budgetrahmen zu sein, sei "ein veritabler Erfolg". Man denke nur an die Elbphilharmonie in Hamburg, deren Baukosten völlig aus dem Ruder laufen. Die ist immerhin neu.

Die Wiedereröffnung

Die Wiedereröffnung

Gut 90 Millionen Euro dürfte die Sanierung des Deutschen Theaters am Ende mindestens kosten. In der Theaterszene staunt man, dass trotz der teuren Investition immer noch alte Probleme unter neuer Tünche stecken: Wirklich neu ist nur das Foyer; der Saal, in dem man von einigen Plätzen aus schlecht sieht und hört, bleibt der alte. Die kleine Bühne ist nicht größer geworden, die veraltete Bühnentechnik nicht moderner.

In Venedig, erzählt man sich, habe man ein abgebranntes Theater für 50 Millionen Euro neu gebaut. Im Sumpf.

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