Sanierung der Zoologischen Staatssammlung:Umzug mit mehreren Millionen toten Tieren

Gerhard Haszprunar, 2014

"Eine Sammlung, die nicht wächst, ist tot", sagt Direktor Gerhard Haszprunar. Eine zentrale Datei, in der alle Bestände erfasst sind, gibt es in der Sammlung nicht.

(Foto: Florian Peljak)
  • Das Gebäude der Zoologischen Staatssammlung wird von Ende dieses Jahres an saniert.
  • Die Arbeiten sollen zwei bis drei Jahre dauern, bis dahin werden die präparierten Tiere in ein Übergangslager gebracht.
  • In der Zoologischen Staatssammlung sind auf 12 800 Quadratmetern mehr als 25 Millionen Inventareinheiten untergebracht.

Von Jasmin Siebert

Lüftung, Heizung und Klimaanlage funktionieren zum Teil nicht mehr, die Brandschutzklappen enthalten Asbest, das Alarmsystem springt bei Temperaturschwankungen an, und die Explosionsgefahr im Alkohollager ist hoch - die Mängelliste ist lang und klingt beunruhigend. Doch Gerhard Haszprunar, Direktor der Zoologischen Staatssammlung München, betont: "Wir sitzen nicht auf einem Pulverfass." Das Gebäude der Zoologischen Staatssammlung in Obermenzing sei einfach in die Jahre gekommen. Was in den Achtzigern neuer technischer Standard war, ist inzwischen veraltet.

Hinzu kommen Platzprobleme, denn die Sammlung der präparierten Tiere, 90 Prozent davon Insekten, wächst stetig. "Eine Sammlung, die nicht wächst, ist tot", sagt Haszprunar. Für die umfangreichen Sanierungen und Umbauten in dem 1985 bezogenen Gebäude hat der Haushaltsausschuss des Landtags 9,25 Millionen Euro genehmigt. Den größten Posten mit viereinhalb Millionen Euro machen die technischen Anlagen aus. Gut zweieinhalb Millionen Euro sind für Baukonstruktionen eingeplant. Die Baunebenkosten belaufen sich auf weitere zwei Millionen Euro.

In der Zoologischen Staatssammlung sind auf 12 800 Quadratmetern mehr als 25 Millionen Inventareinheiten untergebracht. Eine Inventareinheit bezeichnet eine Probe, die aus wenigen Einzelexemplaren oder auch Hunderten winzigen Insekten bestehen kann. Die meisten Insekten sind getrocknet in Holzkästen untergebracht. Insekten, die wie die Obstmücke zu klein zum Aufspießen sind, liegen in Gläsern mit vergälltem, 80-prozentigen Alkohol.

Holzkästen und hochprozentiger Alkohol - beides würde gut brennen. Daher wurde ein neues Brandschutzkonzept erarbeitet, das maximal 400 Quadratmeter große Brandabschnitte vorsieht. Sollte es brennen, würde nur ein Teil der unersetzbaren Sammlung verloren gehen. Brandschutzklappen regeln die Frischluftzufuhr, im Ernstfall würde ein Feuer erstickt werden, da Wasser die präparierten Tiere zerstören würde. Alle Deckel der Brandschutzklappen müssen ausgetauscht werden, da sie Asbest enthalten. Als sehr gefährlich haben Gutachter auch das Alkohollager eingestuft, wo nach einer neuen Lieferung bis zu 40 Fässer mit je 200 Liter Alkohol lagern. Dort wird eine neue Feuerschutztür eingebaut, die runden Treppenhäuser erhalten eine Brandschutzverglasung.

Besonders wichtig ist für Haszprunar die neue Einbruchmeldeanlage. Das alte Alarmsystem habe einen Wackelkontakt, erzählt er. Wenn es sehr heiß oder sehr kalt sei, würde sie zu Fehlalarmen neigen. Nicht mehr einsatzfähig ist auch die Mazeration, sie muss komplett neu gebaut werden. Beim Mazerieren wird ein totes Tier so lange in warmes Wasser gelegt, bis das Fleisch weggefault ist. Damit es nicht furchtbar stinkt, bis nur noch das bloße Skelett übrig ist, braucht es spezielle Luftfilter. Erneuert wird auch die Beleuchtung im ganzen Haus, um einen bestimmten vorgeschriebenen Helligkeitsgrad an den Arbeitsplätzen zu erreichen. Dort, wo die Präparate eingelagert sind, braucht es spezielle Warmtonröhren, da UV-Licht die bunten Farben der Schmetterlinge ausbleichen würde.

Zu wenig Platz für die vielen Schmetterlinge

Die Schmetterlinge sind es auch, die die Zoologische Sammlung vorerst an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht haben. 2010 hat der Sammler Thomas Josef Witt der Zoologischen Staatssammlung seine Sammlung mit mehr als drei Millionen Einzelexemplaren überschrieben. Wegen Platzmangels ist bisher nur ein Teil der Schmetterlinge aus dem Museum Witt in die Tengstraße in der Maxvorstadt umgezogen.

Sanierung der Zoologischen Staatssammlung: Die Schmetterlingssammlung ist sehr umfangreich.

Die Schmetterlingssammlung ist sehr umfangreich.

(Foto: Catherina Hess)

Um dem Platzproblem zu begegnen, werden in fünf der 26 Magazine Kompaktierungsanlagen eingebaut. Das sind Regale auf Rollen, die per Knopfdruck verschoben werden. So lassen sich auf der gleichen Fläche beinahe doppelt so viele Exemplare unterbringen wie in unverrückbaren Regalen. Es ist vor allem die elektrische Steuerung, die die Rollregale teuer macht. Mit der Hand kurbeln, das gehe bei Büchern, nicht jedoch bei empfindlichen Insekten, erklärt Haszprunar. "Wenn zwei Regale aufeinanderkrachen, könnten Millionen Schmetterlingsflügel brechen."

Die Baumaßnahmen beginnen Ende des Jahres mit dem Umzug der Säugetierknochen in ein Übergangslager. Der frei gewordene Platz wird als Rangierfläche für die empfindlichen Insekten genutzt. "Wenn dann 50 000 Holzkästen mit Insekten aus einem Magazin geräumt werden, muss das ganze Haus Hand anlegen", sagt Haszprunar. Er schätzt, dass die Sanierungen mindestens zwei bis drei Jahre dauern werden. Dabei könnte es auch die eine oder andere Überraschung geben. Denn es gibt keine zentrale Datei, in der alle Bestände erfasst sind. Jemand hat mal ausgerechnet, dass 1300 Personen ein Jahr lang beschäftigt wären, um allein die Etiketten der elf Millionen Schmetterlinge abzutippen.

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