Kulturpolitik:Warten auf den Masterplan

Kulturpolitik: Ein vielsagender Riss in der Fassade des Marstalls: Er steht symbolisch für die vielen sanierungsbedürftigen Kulturbauten Bayerns.

Ein vielsagender Riss in der Fassade des Marstalls: Er steht symbolisch für die vielen sanierungsbedürftigen Kulturbauten Bayerns.

(Foto: Florian Peljak)

Kunstminister Markus Blume hat bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr versprochen, er werde eine Prioritätenliste für die vielen Sanierungsfälle bei den Kulturbauten des Freistaats erarbeiten. Jetzt drängt die Opposition im Landtag zu mehr Tempo und mehr Transparenz beim Findungsprozess.

Von Susanne Hermanski

Ein Bericht, den das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst im Januar 2020 dem Landtag vorlegte, bezifferte die Gesamtkosten für aufgestaute Sanierungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums schon damals auf 5,8 Milliarden Euro. Da war Bernd Sibler noch Minister. Sein Nachfolger Markus Blume geht allein für Kulturbauten in München von einem Investitionsbedarf von drei Milliarden Euro aus. Weil längst klar ist, dass all diese Projekte nicht auf einmal zu lösen sein werden, stellte Blume zu seinem Amtsantritt im Februar 2022 einen "Masterplan Kultur" in Aussicht, der zudem auch noch wichtige Neubauprojekte mit einbeziehen soll. Wie etwa das Konzerthaus oder Biotopia.

Zehn Monate später ist dieser Plan noch nicht fertig. Stattdessen sind durch Inflation und Energiekrise neue Komplikationen mit im Spiel. Und die Legislaturperiode, die wenigstens eine gewisse Kontinuität auf dem Ministerposten bedeutet, neigt sich im nächsten Jahr auch schon wieder dem Ende zu. Deshalb macht die Opposition nun Druck im Landtag. Einem entsprechenden Antrag der Grünen im Kunst- und Wissenschaftsausschuss schlossen sich an diesem Mittwoch nicht nur FDP, Grüne und AfD an, sondern - nach einer kleinen Modifikation - auch die Mitglieder der Regierungsparteien CSU und Freie Wähler, die im Ausschuss sitzen: Blume soll persönlich in einer der nächsten Sitzungen erscheinen und berichten.

54 Bauprojekte im Kulturbereich und 39 bei den Schlössern und Seen seien betroffen

"Denn gesicherte Zahlen zum Sanierungsbedarf aller bayerischen Kulturbauten gibt es nach wie vor nicht", beklagt Sanne Kurz, Sprecherin der Grünen für Kultur und Film. Ihr Antrag zielt zudem auf Transparenz bei den Kriterien, die Blume in seinem Masterplan anwenden wird. Es müsse am Ende auch nachvollziehbar sein, warum welches Haus zuerst oder eben erst später in Angriff genommen werden soll. Dies sei "eine essenzielle Frage für den Freistaat, die längst hätte beantwortet werden müssen", sagte Volkmar Halbleib, SPD-Sprecher für Kultur und Denkmalschutz. Er zählte allein "54 Bauprojekte im Kulturbereich und 39 bei den Schlössern und Seen", die betroffen seien.

Dazu gehörten nicht nur die Münchner Häuser, sondern eben auch das "Museum für Franken" in Würzburg und das Landestheater Coburg, betonte der Franke. Auch wenn die Münchner Fälle zum Teil noch spektakulärer seien. Dort ist in manchen Häusern der Sanierungsbedarf in der Tat schon seit 20 Jahren definiert und seit zehn Jahren vom Landtag der Bau beschlossen, wie im Fall des Hauses der Kunst. Der Betrieb dort läuft aber immerhin immer noch, und eine Sanierung erscheint in weite Ferne gerückt.

Anders ist das im Fall der Neuen Pinakothek, die vor vier Jahren wegen ihres veralteten Brandschutzes binnen kürzester Zeit geschlossen werden musste. Bislang ist am Bau kaum mehr in Angriff genommen worden als das Errichten eines wuchtigen Bauzauns und eines kleinen, wenig ästhetischen Büro-Container-Dorfs, mitten im Vorgarten der Alten Pinakothek, die gleich vis-à-vis liegt.

Die Staatsoper muss 2025 die Sommerpause verlängern, damit überhaupt bis 2030 gespielt werden kann

Ein Projekt, das für die Landeshauptstadt noch viel massivere verkehrstechnische, tourismuswirtschaftliche und andere Implikationen haben wird, steht ebenfalls ins Haus: Die Bayerische Staatsoper im Nationaltheater muss 2025 ihre Sommerpause für akute Renovierungsmaßnahmen verlängern, damit sie überhaupt bis 2030 weiterspielen kann. Das Residenztheater und der Marstall, beide an die Oper angrenzend, gehören obendrein zur bröckelnden Altbauten-Substanz. Alle drei Gebäude liegen im Herzen der Stadt; mehr noch: für manchen Kulturfreund verkörpern sie es sogar. Darunter nicht gerade wenige konservative Wähler.

Das weiß auch Andreas Jäckel, CSU-Abgeordneter aus Augsburg, der dennoch dem Antrag der Grünen kritisch gegenübersteht. Er hält ihn für "zu breit" aufgesetzt. "Wir müssen bedenken, was wir der Verwaltung mit der Beantwortung zumuten, wenn wir ihn so stellen." In der Tat spricht aus dem Schriftsatz die Komplexität der Materie. So soll Auskunft darüber erteilt werden, wie es bestellt ist um die betroffenen Kultureinrichtungen "aus Sicht des Denkmalschutzes, des Brandschutzes, des Umwelt- und Klimaschutzes, der Barrierefreiheit, der Energieeffizienz, der Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und der Besucher". Zudem soll erklärt werden, welche Maßnahmen "zum Schutz und Erhalt der Exponate nötig" sind.

Zu den besonders unangenehmen Fragen im Antragspaket dürfte zählen: "Sind der Staatsregierung Institutionen (inklusive Depots) bekannt, deren sanierungsbedürftige bauliche Substanz eine Gefahr für die dort ausgestellten oder gelagerten Kunst- und Kulturgüter darstellt?" Eine andere Frage wiederum, hat vermutlich nur rhetorische, aber schlagkräftige Qualitäten: "Welche Zusatzkosten wie Reparaturmaßnahmen, Personalaufwendungen und höhere Energiekosten sind in den letzten fünf Jahren durch aufgeschobene Sanierungen entstanden?"

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