Süddeutsche Zeitung

Sandra "Bart Simpson" Schwittau:Der Bart steht ihr gut

Was Hilary Swank und Bart Simpson verbindet? Sie haben die gleiche deutsche Stimme, und zwar die von Sandra Schwittau. Mit Hörbeispiel.

Annette Wild

Zwei sexy Schauspielerinnen, die eine mehr, die andere etwas weniger, und ein pubertierender Rotzlöffel - auf den ersten Blick, besser gesagt auf den ersten Ton haben die drei so gar nichts miteinander zu tun. Doch wenn man an die rauchige, zerbrechliche und verzweifelte Stimme der gelähmten Boxerin denkt, die Hilary Swank 2004 in Clint Eastwoods Oscar prämiertem Film "Million Dollar Baby" darstellte, dämmert es einem langsam.

Ja, da gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der synchronisierten Stimme der Boxerin und der des Bart Simpson. Bei der gelben Nervensäge aus Springfield kippt das Raue freilich eher ins Schrille.

Fast jeder kennt diese beiden Stimmen, doch die Person, die sie unter einen Hut beziehungsweise aus einem Mund bringt, kennen die wenigsten. Die Münchner Synchronsprecherin Sandra Schwittau leiht der Oscarpreisträgerin wie auch der Kult-Comicfigur regelmäßig ihre Stimme.

Hohe Synchronisationskultur

"Deutschland besitzt im Vergleich zu anderen Ländern, in denen eher sporadisch nachsynchronisiert wird, eine hoch entwickelte, professionelle Synchronisationskultur. Hierzulande haben die großen Hollywoodschauspieler in der Regel eine feste, deutsche Synchronstimme, die Marken- und Erkennungszeichen zugleich ist", erklärt die 39-jährige Synchronsprecherin.

"Vielleicht hab ich die Stimme ja von meiner russischen Großmutter geerbt", überlegt die Schwabingerin, die sich in natura übrigens gar nicht so anhört wie Bart Simpson. "In den Rollen hört man nie wirklich die Realstimmen der Synchronsprecher, vielmehr gehen die Sprecher mit ihrer Stimme ein wenig drüber. Das darf aber nicht künstlich klingen", erklärt die zierliche Frau.

Seit dem deutschen Start der Serie "Die Simpsons" 1991 ist Schwittau die Stimme von Bart. Warum spricht ihn eigentlich nicht ein Junge, sondern eine Frau? "Bei Jugendlichen gibt es sehr strenge Auflagen, was das Arbeiten hinsichtlich der Zeiten betrifft. Daher wurde bei dem nationalen Casting gleich nach einer erwachsenen Frau gesucht", erzählt Schwittau. In Amerika sei dann entschieden worden, wer die Rolle in Deutschland bekäme. "Die Stimme sollte so nah wie möglich am Original sein. Und das war meine wohl", sagt Schwittau.

Keine Telefonscherze

Die Stimme von Bart ist ja rau und schrill zugleich. Wie macht sie das eigentlich? "Genau kann ich das nicht erklären. Das hat etwas mit den Stimmbändern zu tun. Man nennt das 'Chargieren'." Ungern wird Schwittau auf die Figur des Bart reduziert. "Viele Menschen denken, ich würde jeden Tag Bart Simpson sprechen. Das stimmt natürlich nicht. Wir machen im Jahr ungefähr 22 neue Folgen, das sind dann nur etwa zehn Arbeitstage im Jahr für mich", verrät die Münchnerin.

Neben Filmen spricht Schwittau auch Hörbücher und Hörspiele, zum Beispiel den japanischen Literaturklassiker "Das Jagdgewehr" von Yasushi Inoue. Auch Computerspiel-Figuren leiht sie manchmal ihre Stimme. Und Schwittau schreibt gerade an ihrem ersten Kinderbuch.

Juckt es einen nicht manchmal in den Fingern, besser gesagt in der Kehle, die Bart-Stimme für einen kleinen Gag, zum Beispiel für einen Telefonscherz zu missbrauchen? "Nein, Sprechen ist mein Job. Das hat mit meinem Privatleben nicht wirklich was zu tun .." Nur manchmal quasselt sie in den eigenen vier Wänden ihrem Sohn zuliebe wie das gelbe Männlein. Dass seine Mama den Bart spricht, findet der sechsjährige nämlich extrem cool.

"Uns ist die Bezeichnung 'Schauspieler/Stimme' oder 'Schauspieler, die Synchron sprechen' lieber", sagt die gelernte Schauspielerin. Schwittau wurde am Lee Strasberg Theatre and Film Institute in New York und bei Sonja Prechtl in München ausgebildet, wo sie ein umfangreiches, Schauspiel-, Stimm- und Sprechtraining erhielt.

"Neben der von der Natur mitgegebenen Stimme sind diese Fertigkeiten für die Ausübung einer Synchronsprechertätigkeit unerlässlich", weiß die Münchnerin, die als Bühnenschauspielerin unter anderem am "Jungen Theater" in Göttingen arbeitete.

Ihr Einsatz bitte!

"Schauspielerisches Können ist eine Grundvoraussetzung für den Job des Sprechers, denn man muss ja die Stimme glaubwürdig transportieren." Das leuchtet ein, haben Synchronsprecher ja neben der Lippensynchronität vor allem auf den wirkungsvollen, authentischen stimmlichen Charakter zu achten. "Der größte Unterschied zur Schauspielerei ist natürlich, dass man eben nur mit der Stimme arbeitet und keine Gestik und Mimik zu Hilfe hat, um die jeweilige Emotion darstellen zu können", sagt Schwittau.

"Als Synchronsprecher hört man sich den entsprechenden Take an, achtet auf den Sprechrhythmus und versucht sich in die Situation hineinzuversetzen um die Emotion durch die Stimme zu transportieren", erklärt Münchnerin.

Auf dem Spielplatz entdeckt

Dass Schwittau all das gut kann, beweisen ihre vielen Synchronrollen: unter anderem sprach die zweifache Mutter bereits Renée Zellweger, etwa in "Unterwegs nach Cold Mountain", Helena Bonham Carter in "Fight Club" oder Björk in "Dancer in the dark". Schon in ihrer Kindheit wurde ihre dunkle, rauchige Stimme auf dem Spielplatz entdeckt und so synchronisierte Schwittau bereits mit acht Jahren die Peppermint Patty in der Trickfilmserie "Peanuts".

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