Kunst:Abschiedsshow mit unerwarteten Wendungen

Kunst: Mit der Trilogie "The Architecture of" im BNKR verabschieden sich die Kuratoren Sam Bardaouil und Till Fellrath, "artReoriented", von München.

Mit der Trilogie "The Architecture of" im BNKR verabschieden sich die Kuratoren Sam Bardaouil und Till Fellrath, "artReoriented", von München.

(Foto: All Eyes on You)

Spätestens seit ihren Engagements in Venedig und im Hamburger Bahnhof in Berlin sind die Kuratoren Sam Bardaouil und Till Fellrath in aller Munde. Wie zeitgemäß ihr Ansatz schon immer war, zeigt ein Rückblick auf die Trilogie "The Architecture of" in München.

Von Evelyn Vogel, München

Transformation - so lautet der ergänzende Titel des letzten Teils der Ausstellungs-Trilogie "The Architecture of", die aktuell noch im BNKR zu sehen ist. Diese Umwandlung betrifft nicht nur den Kunstraum, sondern auch die Gesellschaft und, fast wie nebenbei, die verantwortlichen Kuratoren.

Als Sam Bardaouil und Till Fellrath die Trilogie für das BNKR in München-Schwabing konzipierten, waren sie durchaus vielbeschäftige Kuratoren. Bardaouil, geboren im Libanon, ist promovierter Kunsthistoriker und studierter Theaterwissenschaftler. Fellrath, geboren in Deutschland, ist studierter Wirtschafts- und Politikwissenschaftler und derzeit Professor für Designbezogene Wissenschaften an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Beide hatten zeitweilig Lehraufträge an Kunstschulen in New York und Shanghai.

Die Ausrichtung ihrer kuratorischen Arbeit über die von ihnen 2009 in New York und München gegründeten multidisziplinäre Plattform "artReoriented" wie am Berliner Gropius-Bau war gesellschaftspolitisch zeitgemäß, aber gewiss nicht blockbusterverdächtig. Und obwohl sie im Laufe der Jahre mit mehr als 70 Museen und Institutionen weltweit zusammengearbeitet, Ausstellungen, Biennalen und Länderpavillons in Europa, im asiatischen wie im arabischen Raum kuratiert haben, waren sie alles andere als prominent.

Das änderte sich 2022. Bardaouil und Fellrath wurden bekannt als die Kuratoren des preisgekrönten französischen Pavillons auf der Biennale in Venedig, vor dem sich die wartenden Besucher meist die Beine in den Bauch stehen. Sie kuratieren die diesjährige Lyon Biennale, die im September beginnen soll. Außerdem wurden sie Anfang des Jahres - für viele im Kunstzirkus überraschend - als Direktoren des etwas krisengeschüttelten Hamburger Bahnhofs, Museum für Gegenwart in Berlin berufen. Wenn man so will, dann ist die Ausstellungstrilogie "The Architeciture of ..." im BNKR also ihre Abschiedsvorstellung in München - und in jedem Fall einen Besuch wert.

Die Transformation des BNKR: Schutzbunker, Internierungslager, Wohn- und Bürohaus

Für alle drei Teile haben die Kuratoren Künstler aus verschiedenen Ländern eingeladen, die im und mit dem Raum arbeiten. Der Raum, ein ehemaliger Schutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der in der Nachkriegszeit als Internierungslager genutzt und 2014 in ein Wohn- und Bürogebäude umgebaut wurde, ist nicht leicht zu bespielen. Schon die dicken, mittlerweile durch Fenster aufgebrochenen Mauern und die noch immer teils kleinen, niedrigen Räume sind eine Herausforderung. Vor allem aber sollte die Geschichte des Bauwerks den künstlerischen Umgang in den drei Kapiteln "Deception" (Täuschung), "Confinement" (Gefangenschaft, Beschränkung) und "Transformation" (Umwandlung) bestimmen.

So prägten Videos, Fotografien, Installationen und VR-Werke, die mit räumlicher und visueller Täuschung arbeiten, passend zu dem Ursprungsbau - einem getarnten Luftschutzbunker - das erste Kapitel "Deception". Bestens in Erinnerung blieben die Videoarbeiten von Hans Op de Beeck - im Wortsinn auf Sand und Zucker gebaute Landschaften - und Gregor Sailers Potemkinsche Dörfer, die für allerlei Täuschung sorgten. Der zweite Teil "Confinement", der pandemiebedingt verspätet startete und sich im Hinblick auf die Nutzung des Bunkers in den Nachkriegsjahren als Internierungslager in unterschiedlichsten Werken Themen wie Gefangenschaft und Freiheit sowie dem Verhältnis von Außen und Innen widmete, traf dann den Nerv der Zeit: Waren wir in Corona-Zeiten nicht alle Gefangene?

Kunst: Durchgänge werden zu Barrieren, Geraden zu Schrägen: Olivier Goethals hat mit "Be Ware" den Bunker im letzten Teil der Trilogie "The Architecture of" erneut transformiert.

Durchgänge werden zu Barrieren, Geraden zu Schrägen: Olivier Goethals hat mit "Be Ware" den Bunker im letzten Teil der Trilogie "The Architecture of" erneut transformiert.

(Foto: Dominik Gigler)

Und nun, im letzten Teil der Trilogie, also die "Transformation", die sich auf den aktuellen Zustand des in ein Wohn- und Bürohaus umgewandelten Bunkers bezieht. Am markantesten hier die ortsspezifische Raum-Intervention "Be Ware" des belgischen Architekten und Künstlers Olivier Goethals. Er lässt Durchgänge zu Barrieren werden, die Besucher die Wände hochlaufen, macht aus Geraden Schrägen und umgekehrt. Dazwischen Arbeiten der amerikanischen Bildhauerin und Installationskünstlerin Andrea Zittel, der französisch-dänischen Künstlerin Eva Nielsen, des kanadischen Künstlers Jeremy Shaw und der palästinensisch-saudische Künstlerin Dana Awartani - letzteres ein sehr poetisch-meditatives Werk.

Im Hinter-, genauer im Untergrund läuft dazu die Soundinstallation der Schweizer Künstlerin Hannah Weinberger: ein Klangteppich aus Bombeneinschlägen. Und das mitten im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. In der kürzlich erschienenen Publikation "The Architecture of" heißt es dazu: "The assumption of peace should not be taken for granted." Kann Kunst noch zeitgemäßer sein?

The Architecture of Transformation, BNKR, Ungererstr. 158, noch bis 26. Juni, Sa/So 12-18 Uhr, Info und Anmeldung unter www.bnkr.space; die Publikation ist erschienen bei Silvana Editoriale

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