Sadomaso-Szene in München:Bitte kräftig draufhauen

Lesezeit: 4 min

Sadomaso-Spielzeug

Fesseln, Augen verbinden, auspeitschen: Sadomaso-Spielzeug.

(Foto: iStock)

Sie fesseln sich, peitschen sich aus oder beträufeln sich gegenseitig mit heißem Wachs - meist hinter geschlossenen Türen. Sadomasochismus ist ein gesellschaftliches Tabu. Hat der überwältigende Erfolg des Buches "Shades of Grey" daran etwas geändert? Ein Besuch in der Münchner SM-Szene.

Lisa Sonnabend

Er mag es, beim Sex ausgepeitscht zu werden, er zerkratzt seiner Partnerin den Rücken, oder lässt sich stundenlang fesseln. Robert ist Sadomasochist. Das bedeutet: Mal fügt er Gewalt zu, mal lässt er sich misshandeln. Lust verspürt er dabei immer, zumindest wenn alles gutgeht.

Seit der SM-Softporno "Shades of Grey" Millionen Mal verkauft worden ist, könnte man denken: Robert steht auf Sadomaso - na, und? Doch SM ist ein Tabu in der Gesellschaft geblieben, klagt Robert. Deswegen will der 44-Jährige seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen. "Das wäre problematisch", sagt der Münchner. Er hat Angst, seine Arbeitsstelle zu verlieren. Robert hat eine sportliche Figur und graumelierte Haare, er trägt Jeans, einen roten V-Pulli, darunter ein kariertes Hemd. Angaben über sich macht er keine. Er könnte Lehrer sein, Politiker oder mittelständischer Unternehmer.

Schon als Kind fand Robert Indianerspiele toll, ließ sich gerne an den Marterpfahl binden. In der Pubertät versuchte er dann, seine Lust an Schmerz und Gewalt auch in der Sexualität auszuleben. Das klappte mal gut, mal weniger gut. Handschellen, Fesseln oder Peitsche - nicht jede Partnerin mochte das. Und nicht jedes Mal funktionierte alles wie geplant. "Es war ein schmerzhaftes Ausprobieren", sagt Robert. Mitte der Neunziger wurde es für SMler dann leichter, Gleichgesinnte zu finden und Tipps auszutauschen - wegen des Internets. Sie knüpfen nun in Online-Foren Kontakt, gehen gemeinsam auf Partys, organisieren Stammtische.

An diesem Mittwoch ist Robert in die Villa Flora am Heimeranplatz gekommen. Ein SM-Treffen. Robert ist einer der beiden Organisatoren. Eine Frau erkundigt sich bei Robert besorgt: "Ist dein Bein wieder heil?" Doch der 44-Jährige lächelt nur. War ja Absicht irgendwie. Etwa fünfzig Personen sitzen an einem langen Tisch, ein Drittel sind Frauen. Das Treffen findet nicht im Verborgenen statt, aber in einem für die Gruppe reservierten Raum im ersten Stock des Lokals. Andere Gäste bekommen davon nichts mit.

In der Villa Flora werden praktische Fragen geklärt: Wie muss ich meinem Partner die Fesseln anlegen, damit die Blutzufuhr nicht unterbrochen wird? Wo kann ich mein Latexkleid reparieren lassen, wenn es zerrissen ist? Doch oft reden die SMler auch einfach nur über das Wetter oder tauschen Tipps für den Winterreifenwechsel aus.

Zwei Mal pro Monat findet das Treffen in der Villa Flora statt, daneben gibt es noch zahlreiche weitere SM-Stammtische in München. Zudem veranstaltet Robert seit zwölf Jahren regelmäßig einen Themenabend, bei dem über SM referiert wird. Zum Beispiel: "SM und Haushaltsgeräte" - da bringen dann viele ihre Kochlöffel mit, um das Gelernte gleich auszuprobieren.

Die SM-Szene in München ist so vielfältig wie in keiner anderen deutschen Stadt. Im Mai findet erneut Europas größte Sadomaso-Messe BoundCon in der Kultfabrik statt, es werden Lesungen gehalten und jeden Monat steigen ein bis zwei Partys. Nur einen SM-Club gibt es nicht mehr, seit der Kitty Club vor ein paar Jahren schließen musste. Die Mieten in der Stadt sind zu hoch.

Auch Susanne Wendel besucht den Stammtisch in der Villa Flora. Die 40-Jährige aus Grünwald hat gerade ein Buch veröffentlicht, es ist autobiografisch - und ein klares Bekenntnis zu Sadomaso. Der Titel: "Gesund Gevögelt." Darin beschreibt Wendel sehr explizit, wie sie vor sieben Jahren ihre sexuelle Erfüllung fand. Auf Seite 117 heißt es beispielsweise: "Ich hole eine Peitsche und beginne, seinen Hintern damit zu bearbeiten. (...) Dann befehle ich ihm, sich vor mir auf den Boden zu setzen und sich einen runterzuholen, während ich ihm von oben herab zuschaue. Das übertrifft alles."

Zur SZ-Startseite