S-Bahn-Tunnel-Chaos:"Extrem unwahrscheinliche Sondersituation"

Ein doppelter Computer-Ausfall hat für das größte S-Bahn-Tunnel-Chaos der letzten Jahre gesorgt. Siemens will nun die Technik verbessern.

Einst standen Bahn-Stellwerke inmitten der Gleise, man kennt das noch von der Modelleisenbahn. Heute ist ein Stellwerk eine Mischung aus Trafohäuschen und Gartenlaube, und drinnen arbeitet - niemand. Es surrt und blinkt nur, und es ist warm, denn die Computer arbeiten hart. Sie sind gestapelt in Schränken, die aussehen wie Kühlschränke im Supermarkt, wäre da nicht ein Gitter an der Glastür.

Am Mittwochvormittag bekamen die Rechner am Ostbahnhof menschlichen Besuch. Techniker von Bahn und Siemens mussten ran, weil ein Computer ausgefallen war. Und dann noch einer. Bis zum Donnerstagmorgen waren die Auswirkungen der ReHavarie zu spüren, eine der folgenschwersten Pannen der vergangenen Jahre. Zehntausende Fahrgäste kamen zu spät ans Ziel.

Sascha Panic, DB-Servicetechniker, hält ein Bauteil in der Hand, silbern und unscheinbar wie das ganze Stellwerk. Dieses Ding habe versagt, es regelt die Stromversorgung des Rechners. Das wäre nicht weiter schlimm, denn jeder Rechner hat nebenan einen Zwilling stehen, der im Notfall einspringt. Doch auch Rechner zwei fiel aus, und das nach nur 20 Minuten.

Die Pannenrechner steuern den Abschnitt zwischen Rosenheimer Platz und Ostbahnhof mit zwölf Signalen und vier Weichen. Die bringen es pro Tag bei rund 1000 S-Bahn-Fahrten auf 20.000 Stellvorgänge. Drei dieser Rechner samt Zwillingen gibt es auf der gesamten Stammstrecke, sie steuern drei Abschnitte. Über sie laufen die Kommandos vom Rechner im Hauptstellwerk an der Donnersbergerbrücke hin zu einem weiteren Computer am Ostbahnhof, der dann Signal oder Weiche anfunkt.

Der Fehler vom Mittwoch sei erstmals in dem vor ein paar Jahren für viele Millionen gebauten Stellwerk aufgetreten, sagt Peter Michalek, Betriebsleiter bei DB-Netz. "Wir wissen nicht, wie das passiert ist." Es gelte jetzt zu prüfen, ob konstruktionsbedingte Mängel vorliegen. Man werde zusammen mit dem Hersteller Siemens nach den Ursachen forschen.

Und für die Zukunft will Michalek die Technik so erweitern, dass bereits präventiv eine Störung zu erkennen ist, etwa in der Phase des Hochfahrens eines Rechners. Ein Siemens-Sprecher betonte, dass es sich um eine "extrem unwahrscheinliche Sondersituation" gehandelt habe, das defekte Bauteil gelte als sehr zuverlässig.

In diesem Winter hatte die Bahn bisher vor allem mit Schnee zu kämpfen, erklärt ein Sprecher: Schnee und Eis, das von den Zügen an einer Weiche abgeschüttelt werde und ebendiese Weiche dann so blockiere, dass auch die Weichenheizung nicht mehr hinterherkomme.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: