S-Bahn-Netz:So soll die S-Bahn im Jahr 2050 fahren

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  • Das Münchner S-Bahn-Netz soll in Zukunft weit ausgedehnt werden. Das ist zumindest der Wunsch aller Landräte aus dem Umland.
  • In einem Positionspapier halten sie fest: Das Netz soll im Westen bis Buchloe im Allgäu und im Osten bis ins niederbayerische Landshut reichen.
  • In Zukunft sollen auch Regionalzüge die Stadt auf der S-Bahn-Stammstrecke durchqueren können.

Von Christian Krügel und Andreas Schubert, München

Der Bau eines neuen S-Bahn-Tunnels quer durch die Stadt soll erst der Anfang sein. In den nächsten Jahrzehnten soll das S-Bahn-Netz massiv ausgebaut und erweitert werden: mit einem Münchner Nordring, einer Strecke zur Messe in Riem, neuen Bahnhöfen, vor allem aber überall zweigleisigen Strecken im Umland. Das ist zumindest die Vision aller Landräte aus der Region, die am Donnerstag ein eigenes Positionspapier zur Zukunft der S-Bahn vorgelegt haben.

Darin fordern sie auch, dass das Betriebskonzept für den neuen Tunnel so überarbeitet werden muss, dass zumindest in den stadtnahen Bereichen ein Zehn- und 20-Minuten-Takt die Regel ist. Einig sind sie sich mit Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) schon darin, dass das Netz im Westen bis Buchloe und Mering, im Osten bis Landshut und Wasserburg erweitert werden soll.

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Herrmann wird demnächst ein Drei-Phasen-Konzept zur Zukunft der Münchner S-Bahn vorlegen. Darin soll festgelegt werden, was schnell verbessert und ausgebaut werden soll, wie man das Netz mit der geplanten Eröffnung des Tunnels 2025 erweitern möchte und welche Strecken und Bahnhöfe danach noch dazukommen sollen. Die Landräte der acht Landkreise rund um München haben dafür quasi Vorarbeit geleistet.

In den vergangenen Wochen haben sie, in Abstimmung mit Herrmann, aber auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), ein 23-seitiges Papier ausgearbeitet. Das ist zum einen eine Vision für die Zeit bis 2050, zum anderen aber auch eine sehr konkrete Wunschliste, die rasch abgearbeitet werden soll. Und allem voran greifen sie den Hauptkritikpunkt aller Stammstrecken-Gegner auf und fordern wie diese ein neues Betriebskonzept für den S-Bahn-Betrieb mit dem zweiten Tunnel.

Das sah bisher vor, dass die Außenäste in einem 15- und 30-Minuten-Takt bedient werden sollen - was für etliche Strecken und Stationen eine Verschlechterung gegenüber heute bedeuten würde. Die Landräte fordern deshalb, dieses Konzept zu überprüfen und zu überarbeiten, damit es für die Pendler mit dem Tunnel überall echte Verbesserungen gibt.

Sie fordern, schon rasch Lücken im Takt zu schließen, Linienführungen zu verbessern, die Fahrpläne von Regionalzügen und S-Bahnen besser zu vernetzen und die S-Bahn rund um die Uhr fahren zu lassen, vorstellbar wäre etwa ein Ein-Stundentakt. Die nächtliche Pause zwischen ein Uhr nachts und fünf Uhr morgens sei "für einen derart prosperierenden Großraum nicht mehr zeitgemäß".

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Mittelfristig wollen die Kreispolitiker ein verlässliches elektronisches Informationssystem an allen 150 Bahnhöfen sowie deren barrierefreien Ausbau. Dazu wünschen sich die Landräte viele Investitionen in die Infrastruktur, vor allem den durchgängigen zweigleisigen Ausbau der S-Bahn. Mit eigenen zweigleisigen Strecken - ohne Mischbetrieb - würde die Störungsanfälligkeit des S-Bahnbetriebs drastisch reduziert und die Kapazität gesteigert.

Die künftige Taktung würde nicht mehr von den Gegebenheiten der Infrastruktur bestimmt, sondern von den Erfordernissen, was Nutzung und Auslastung betrifft. "Die S-Bahn muss fit werden für die Zukunft", sagt Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Er und seine Kollegen sehen sich hier auf einem guten Weg, die Kommunikation sowohl mit dem Freistaat als auch mit der Landeshauptstadt München in Sachen Verkehr sei besser als in den vergangenen Jahren.

Und das kommt nicht zu spät: 2,9 Millionen Menschen leben im Ballungsraum München, Tendenz steigend. Das heißt auch, dass sich zwei Drittel des bayerischen Schienenverkehrs hier abspielen. Politisch unstrittig scheint deshalb inzwischen der Plan zu sein, mit dem zweiten Tunnel das S-Bahn-Netz deutlich über seine bisherigen Grenzen auszuweiten. In der Kosten-Nutzen-Analyse für den Tunnelbau war bereits davon die Rede, mit Regional-Express-Zügen die heutige S 4 bis Buchloe, die S 3 bis Mering, die S 1 nach Landshut und die S-4-Ost bis Rosenheim und Wasserburg fahren zu lassen.

Bislang scheiterten solche Überlegungen immer daran, dass die höheren Züge nicht für den Tunnel und dessen Bahnsteige geeignet waren. Das will Joachim Herrmann aber nicht mehr gelten lassen: "Ich sage der Bahn heute schon: Ich will einen Regionalexpresszug bestellen, der dann von Mering bis Rosenheim auch durch die Stammstrecke fahren können muss oder von Augsburg bis zum Flughafen." Ein unüberwindbares technisches Hindernis dafür gebe es nicht, sagte der Minister der SZ. Im direkten Umland von München sei die klassische S-Bahn wichtig, die jede Station anfährt, aus dem weiteren Umland wollten die Pendler schnell in die Stadt kommen. "Dafür bietet sich die zweite Stammstrecke an: mit weniger Haltestellen und schnelleren Verbindungen", so Herrmann. Die Landräte nehmen das auf und fordern Express-S-Bahnen für Südbayern.

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Freilich sind nicht alle Vorschläge schnell umzusetzen. Insbesondere der Neubau von S-Bahn-Strecken kann sich inklusive Planung über Jahrzehnte hinziehen. Es geht den Landräten aber darum, schon jetzt die Weichen zu stellen, um sich in Zukunft nicht Möglichkeiten zu verbauen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, wie der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) darlegt. Denn wenn immer mehr Flächen zugebaut werden, gibt es auch keinen Platz mehr für Verkehrsinfrastruktur.

Doch was geht dann einigermaßen schnell? Löwl könnte sich zum Beispiel als vorübergehende schnelle Lösung eine Art S-Bahn auf Rädern vorstellen, also Busse, die auf der Autobahn, etwa der A 8, verkehren. Und Alexander Freitag, Geschäftsführer des Münchner Tarif- und Verkehrsverbunds, regt an, wieder über doppelstöckige S-Bahnen nachzudenken und diese Idee an die Industrie heranzutragen. Für Freitag steht fest: "Der zweite Tunnel hat nur Vorteile, es gibt aber einige Stellen, wo man noch mal genauer hinschauen muss."

Wenn es um Visionen geht, drängt sich die Frage nach der Finanzierung auf. Ohne Steuergeld werde es nicht gehen, so Niedergesäß. Wenn die Verträge mit der S-Bahn allerdings von 2020 an auf einen Bruttoverkehrsvertrag umgestellt werden, fließen die Überschüsse aus dem S-Bahn-Betrieb an den Freistaat. Dann stünde neues Geld für Infrastrukturprojekte in Bayern zu Verfügung.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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