Baufortschritt bei der zweiten S-Bahn-StammstreckeIn 27 Metern Tiefe knallen die Korken

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Auch Ingenieure und Bauarbeiter warum zum Tunnelanstich am Marienhof geladen.
Auch Ingenieure und Bauarbeiter warum zum Tunnelanstich am Marienhof geladen. (Foto: Robert Haas)

In der Innenstadt feiert die Bahn den Tunnelanstich für den Verbindungsstollen der künftigen S-Bahn-Station Marienhof zum U-Bahnhof Marienplatz. Am Ostbahnhof scheitert hingegen ein anderes Vorhaben.

Von Andreas Schubert

Beim Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke hat es am Mittwoch einen Fortschritt im Zentrum und einen Rückschritt im Osten der Stadt gegeben: Während die Deutsche Bahn (DB) am Mittwoch den „Tunnelanschlag“ für die Verbindung der künftigen S-Bahn-Station Marienhof zum U-Bahnhof Marienplatz gefeiert hat, musste der Planungsausschuss des Stadtrats eine schmerzliche Entscheidung treffen. Es wird keinen direkten barrierefreien Zugang von der neuen S-Bahn-Station am Ostbahnhof zum Werksviertel geben. Die Stadt hätte ihn weitgehend selbst finanzieren müssen, kann ihn sich aber nicht leisten. Die Bahn will sich finanziell nicht beteiligen.

„Ein Armutszeugnis“, wie Heike Kainz von der CSU befand. Paul Bickelbacher (Grüne) fand es „fast beschämend“, das die DB keine Kosten übernehmen will, von einem „maximalen Frustthema“ sprach Simone Burger (SPD). Nur die Linke hätte mit Blick auf die Zukunft trotzdem für eine Kostenübernahme der Stadt gestimmt.

Für Stadtbaurätin Elisabeth Merk war zumindest der Termin am Marienhof positiv. Sie habe die Tunnelpatenschaft für den Verbindungsstollen zwischen S-Bahn und U-Bahn gerne übernommen, sagte sie. Bei der Feier stießen nicht nur die Ingenieure, sondern auch die Arbeiter mit Sekt und Wein auf den Fortschritt an.

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Denn während die Passanten, die jeden Tag die Baustelle im Herzen Münchens passieren, nicht mitbekommen, was sich hinter dem Bauzaun tut, ist seit Baubeginn im April 2017 eine ganze Menge passiert. Hier, am künftigen Tiefbahnhof der zweiten S-Bahn-Stammstrecke, graben sich die Arbeiter im Auftrag der Deutschen Bahn 46 Meter in die Tiefe. Das sind neun Meter mehr als die Höhe des Mittelschiffs der nur einen Steinwurf entfernten Frauenkirche. Aktuell ist man bei 37 Metern angelangt, die Gleise der S-Bahn werden dereinst auf etwa 40 Metern Tiefe fahren, darunter kommt noch eine dicke Betonschicht zur Stabilisierung.

Die Baugrube besteht aus fünf Ebenen. Auf Ebene drei, in einer Tiefe von 27 Metern, entsteht der Durchbruch zur U-Bahn. 30 Meter führen unterirdisch vom S-Bahnhof in Richtung Rathaus, dann teilt sich der Tunnel in zwei jeweils 30 Meter lange Schächte, die zu den bestehenden Schächten der U-Bahn-Linien U3 und U6 führen.

Die Arbeiten gestalten sich ähnlich aufwendig wie beim Rettungsstollen unter dem Arnulfpark, dessen Aushub die DB Ende vergangenen Jahres abschließen konnte. Wie auch dort arbeiten am Marienhof rund um die Uhr etwa 120 Fachleute aus ganz Europa im Schichtbetrieb am Verbindungsstollen. Der Vortrieb soll nach Angaben der DB bis Juni 2025 abgeschlossen sein.

Stadtbaurätin Elisabeth Merk und DB-Projektleiter Kai Kruschinski an der Personenschleuse.
Stadtbaurätin Elisabeth Merk und DB-Projektleiter Kai Kruschinski an der Personenschleuse. (Foto: Robert Haas)
Beim Bau der zweiten Stammstrecke arbeiten Fachleute rund um die Uhr, um das komplexe Vorhaben voranzutreiben.
Beim Bau der zweiten Stammstrecke arbeiten Fachleute rund um die Uhr, um das komplexe Vorhaben voranzutreiben. (Foto: Robert Haas)

Der Stollen entsteht in bergmännischer Bauweise unter Druckluft von bis zu 0,8 bar, um das Eindringen von Grundwasser zu verhindern. Das entspricht einem Tauchgang in acht Metern Tiefe. Deshalb müssen die Arbeiter erst einmal eine Druckluftschleuse passieren, wenn sie die Baustelle betreten und verlassen. Der Druckausgleich dauert bis zu 30 Minuten. Und auch das Baumaterial und die Maschinen müssen durch Schleusen, um den Druck unter der Erde stabil zu halten.

Ein elektrisch betriebener Hydraulikbagger hebt den Tunnelquerschnitt von rund 89 Quadratmetern aus. Dabei werden etwa 6500 Kubikmeter Erdreich bewegt. Zur Sicherung des Bauwerks setzen die Arbeiter Stahlbögen, Betonstahlmatten sowie eine 30 Zentimeter starke Spritzbetonschale ein. Eine abschließende Betonschale mit 60 Zentimetern Dicke soll für dauerhafte Stabilität sorgen.

Außer dem Verbindungsstollen und der S-Bahn-Station Marienhof entstehen unter anderem die neuen Tiefstationen Hauptbahnhof und Ostbahnhof, mehrere Rettungsschächte, ein Erkundungs- und Rettungstunnel sowie zwei eingleisige Verkehrstunnel. Der erste maschinelle Tunnelvortrieb soll nach Angaben der DB Ende 2026 beginnen. Die Stammstrecke soll dann der Bahn zufolge zwischen 2035 und 2037 in Betrieb gehen, andere Schätzungen gehen von einem späteren Zeitpunkt aus.

Bevor am Nachmittag in der Tiefe die Korken knallten, gab es am Vormittag im Planungsausschuss weniger gute Nachrichten. Bei der künftigen S-Bahn-Station am Ostbahnhof, die an der Friedenstraße liegen wird, hätte sich die Stadt eine barrierefreie unterirdische Verbindung direkt zum Werksviertel gewünscht, wo derzeit immer noch ein Konzertsaal vorgesehen ist. Diese ist nun passé.

Die Barrierefreiheit durch eine Aufzuganlage und Rolltreppen hätte bis zu zwölf Millionen Euro gekostet, hinzu gekommen wären laufende Betriebskosten von mindestens 150 000 Euro pro Jahr und die einmalige Zahlung von 600 000 Euro für eine Dienstbarkeit, weil sich der Zugang auf privatem Grund befände. Der Freistaat hätte etwa ein Sechstel der Baukosten übernommen, den Rest hätte die Stadt tragen müssen. Die kann dies aber angesichts der angespannten Haushaltslage nicht finanzieren, die DB will keinen Anteil an den Kosten übernehmen.

Einen barrierefreien Aufgang soll es deshalb nur auf der Seite des Ostbahnhofs geben. Als Notlösung hat der Planungsausschuss auf Antrag der grün-roten Koalition deshalb am Mittwoch beschlossen, einen möglichst sicheren und barrierefreien Übergang über die Friedenstraße planen zu lassen und die Straße entsprechend umzubauen, sobald der neue S-Bahnhof fertig ist.

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