S-Bahn:Wie die Bahn künftig Luftballon-Pannen verhindern will

S-Bahn: Die Hausordnung der Bahn verbietet metallbeschichtete Ballons.

Die Hausordnung der Bahn verbietet metallbeschichtete Ballons.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein einziger metallbeschichteter Luftballon kann das gesamte S-Bahn-Netz lahmlegen. Die Bahn versucht es mit einem eher schlichten Lösungsversuch.

Von Tom Soyer

Dass etwas so Harmloses wie ein Luftballon die ganze S-Bahn-Stammstrecke auf einen Schlag lahmlegen kann, müssen die Münchner immer wieder leidvoll erfahren, zuletzt am vergangenen Samstag. Berühren metallbeschichtete Ballons die Oberleitung, kann es zu einem fatalen Kurzschluss kommen. Deswegen sind sie laut Hausordnung im Bahn-Untergrund auch verboten, aber nicht jeder der täglich 840 000 Fahrgäste beherzigt das. Weil stundenlange S-Bahn-Ausfälle ein Ärgernis und der Knall, der Lichtbogen und der herunterpeitschende Oberleitungsdraht eine echte Gefahr für den Lokführer - im Bahnjargon: Triebfahrzeugführer - darstellt, sinnt die Bahn AG nach Abhilfe. Am Bahnhof Rosenheimer Platz läuft dazu bereits ein Test.

Was die Bahn bislang als "Abwehrsystem für Luftballons in Erprobung" vorgestellt hat, entpuppt sich allerdings eher als schlichter Lösungsversuch. Denn wer an ballistische Gegenmaßnahmen oder an Anleihen aus der Welt der Baller-Computerspiele dachte - womöglich mit einer Freiwilligenkohorte Jugendlicher, die ihre Treffsicherheit bereits an der Spielekonsole unter Beweis gestellt haben und nun ehrenamtliche Bahn-Ballonjäger werden -, wird enttäuscht: An die Rückkehr zu weniger glatten Bahnhofsdecken ist gedacht, an alte, vom Putzpersonal als Staubfänger gefürchtete Waben-Kassettendecken. In denen, erklärt ein Bahnsprecher, sollen sich die nach oben treibenden Kurzschluss-Kugeln verfangen.

Zudem ist am Rosenheimer Platz über der Bahnsteigkante, wo ein Ballon sonst ungehindert in die offene Oberleitung driften kann, ein durchgängiger Fangkasten installiert worden. Ob die Ballons allerdings wirklich auf das Waben- und Kasten-Angebot eingehen, oder sich infolge des schleichenden Gasverlustes nicht viel lieber lau von der Zugluft herumtreiben lassen? Bisherige Beobachtungen seien vielversprechend, sagt der Bahnsprecher.

Eingeräumt werden muss, dass es die S-Bahn mit ihrer Stromzuführung von oben schwerer hat als die von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) betriebenen U- und Trambahnen. U-Bahnen erhalten ihren Strom aus einer am Boden verlegten Stromschiene, die mit Plastik abgedeckt ist. Ein U-Bahn-Zug fährt mit einem Greifarm seitlich unter der Stromschiene und wird mit 750 Volt Gleichspannung versorgt. Mit 750 Volt Gleichspannung fährt auch die Straßenbahn, bei der wohl auch deshalb keine Ballonunfälle im Fahrdraht bekannt sind, weil die Tram unter freiem Himmel fährt und gefährliche Ballons ungehindert nach oben entweichen können.

Die S-Bahn hingegen muss das Prinzip Oberleitung durchgängig beibehalten, weil sie auch das Umland bis zu 50 Kilometer weit hinaus bedient und Bahnübergänge nur mit Oberleitung, nicht mit Stromschiene funktionieren. Um verlustfrei in ein so langes Leitungsnetz einzuspeisen, fährt die S-Bahn mit 15 000 Volt. Ein anfahrender Zug, 200 Meter lang, braucht fürs Lossprinten satte 9600 PS. Das entspricht dem Stromverbrauch einer Kleinstadt mit 10 000 Einwohnern. Klar, dass es da mächtig knallt und der Strom überschlägt, wenn metallbeschichtete Ballons an den Draht fliegen. Weg mit diesen Ballons, appelliert der Bahnsprecher, "fluoreszierende Plastikballons sind eh viel chicer". Und zuträglicher für die S-Bahn-Stammstrecke.

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