S-Bahn:Die zweite Stammstrecke kommt - vielleicht

Stammstrecke Infographik

Bild: SZ-Grafik

  • Das Eisenbahnbundesamt hat das Baurecht für einen zweiten Tunnel bei der Münchner S-Bahn genehmigt.
  • Die Staatsregierung spricht von einem "historischen Schritt", doch viele Punkte sind noch ungeklärt, etwa die Finanzierung.
  • Dieser Artikel gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Marco Völklein und Wolfgang Wittl

Die Minister und ihr Chef Horst Seehofer (CSU) waren sich einig am Dienstag: Nachdem das Eisenbahnbundesamt, kurz: EBA, auch für den dritten und letzten Bauabschnitt des geplanten zweiten S-Bahn-Tunnels die Genehmigung vorgelegt hat, sei "ein historischer Schritt" erfolgt, hieß es in einer Erklärung des bayerischen Kabinetts. CSU-Verkehrsminister Joachim Herrmann versprach, "eines unserer wichtigsten Zukunftsprojekte" voranzubringen. Selbst die SPD-Landtagsfraktion erkannte "eine gute Nachricht" und forderte, Herrmann solle das Projekt nun "zügig umsetzen". Doch wird es so kommen? Noch immer sind viele Fragen ungeklärt - vor allem die nach dem Geld.

Wie steht es um die Finanzierung für das Drei-Milliarden-Euro-Projekt?

Auch wenn nun die Baugenehmigung vorliegt: Ohne die nötigen Mittel kann kein Bagger rollen und sich keine Tunnelvortriebsmaschine durch den Untergrund wühlen. Die Kosten wollen sich Freistaat und Bund in etwa teilen. Doch nach wie vor ist unklar, wie Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seinen Anteil auftreiben will. Im für solche Projekte eigentlich vorgesehenen Topf, dem "Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz" (GVFG), steckt nicht genügend Geld drin - dieser Topf ist gut 20-fach überzeichnet.

Gibt es keine anderen Töpfe?

Eigentlich nicht. Im Bundesverkehrswegeplan (BVWP), den Dobrindt vor einigen Wochen vorgestellt hatte, ist jedenfalls kein Geld für die Röhre eingestellt - weil es sich per Definition dabei nicht um ein Fern- oder Güterverkehrsprojekt handelt. Und nur die können mit BVWP-Mitteln gefördert werden. Die Tunnelfans hoffen nun, dass die Länder mit dem Bund in Kürze eine Aufstockung des GVFG-Topfes aushandeln - und dann mehr Geld für den zweiten Tunnel zur Verfügung steht. Zuletzt saßen Bund und Länder Ende vergangener Woche zusammen. Doch da wurde das Thema noch nicht einmal angesprochen.

Kann denn der Freistaat seinen Anteil beitragen?

Im Grunde ja. Herrmanns Vorgänger Martin Zeil (FDP) hatte bereits 2012 fast eine Milliarde Euro zusammengekratzt; zudem hat der CSU-Minister in seinem Haushalt über die vergangenen Jahre gute 500 Millionen Euro an "Ausgabenresten" gebunkert. Dieses Geld war eigentlich für den Bahnausbau vorgesehen, wurde aber vom Land nicht ausgegeben. Der Landtagsabgeordnete Markus Ganserer (Grüne) kritisiert dies: Statt Geld für ein Projekt zu horten, das eh nicht komme, sei es besser, die Mittel in kleinere Verbesserungen bei der Münchner S-Bahn sowie den Bahnausbau im gesamten Freistaat zu investieren.

Und wie geht's nun konkret weiter?

Die Deutsche Bahn (DB) holt derzeit Angebote von Baufirmen für die einzelnen Tunnelabschnitte ein - dann wird sich zeigen, ob die Kostenschätzung passt. Intern rechnet die DB nach SZ-Informationen mittlerweile mit 3,1 Milliarden Euro und einer Fertigstellung "frühestens im Dezember 2025". Das bayerische Kabinett soll laut Herrmann "bis Herbst 2016 über die endgültige Realisierung entscheiden".

Was hat das EBA eigentlich in seine Baugenehmigung reingeschrieben?

Konkretes ist noch unbekannt. Der Bescheid, der sogenannte Planfeststellungsbeschluss, geht erst an Bahn, Freistaat und Bund, bevor er auf der EBA-Webseite zu lesen ist. Am Dienstag lag das mehrere Hundert Seiten starke Papier laut Herrmanns Ministerium weder der DB, noch dem Freistaat noch in Dobrindts Haus in Berlin vor. Der Bescheid ist aber wichtig: Denn dort macht das EBA der Bahn Auflagen, etwa zum Schutz der Anwohner in Haidhausen. Reicht denen das nicht aus, können sie gegen den Bescheid vor Gericht ziehen.

Wird es Klagen geben?

Das ist sicher. Die Bürgerinitiative in Haidhausen hat mit ihrem Anwalt bereits ein Dutzend Musterkläger ausgesucht. Auch Geld wurde gesammelt. "Für erste Schritte reicht das", sagt Ingeborg Michelfeit vom Vorstand der Initiative. Auch Gewerbetreibende, die sich um den Besitzer des Kaufhauses am Orleansplatz, Christian Horn, geschart haben, wollen klagen. Zudem liegen sieben Klagen von Geschäftsleuten, Haus- und Hotelbesitzern rund um den Hauptbahnhof vor. Die gehen gegen den Planfeststellungsbescheid vor, den das EBA 2015 für den westlichen Bauabschnitt (Laim bis Stachus) erlassen hat. Ende Juni wird der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) diese Beschwerden verhandeln. Sämtliche Klagen gegen den mittleren Abschnitt (Stachus bis Isar) wurden von den Gerichten vor Jahren schon abgeräumt.

Was genau kritisieren die Gegner?

Zum einen geht es um Grundsätzliches: So halten etwa die Grünen und die Freien Wähler den Tunnel für überteuert und in seiner Konzeption für unausgegoren. Statt eine zweite Strecke parallel zur bestehenden durch die Innenstadt zu treiben, wäre es besser, die Tangentialen zu stärken - beispielsweise durch einen (Teil-)Ausbau des Südrings oder eine Ertüchtigung des Nordrings. Viele Geschäftsleute und Anwohner in Haidhausen befürchten zudem Umsatzausfälle während der zehnjährigen Baustelle sowie mögliche Schäden an ihren Häusern. "Da geht es auch um Existenzen", sagt Unternehmer Horn. Für den 12. Mai hat Michelfeits Initiative nun ins Kolpinghaus in Haidhausen, Kirchenstraße 6, zu einem Info-Abend eingeladen. Da soll es auch um die Klagen gehen.

Könnte die Bahn trotz der anhängigen Klagen mit dem Bau beginnen?

Ja. Das erlaubt der "Sofortvollzug" - Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Sollte also die Finanzierung stehen, könnte die Bahn Bagger losschicken. Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) betonte am Dienstag, der Bau solle noch heuer mit ersten Vorarbeiten starten. Möglich wäre, dass die DB am Hauptbahnhof Leitungen umlegt, die dem Tunnel im Weg lägen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: