S-Bahn-Chaos:"Liebe Fahrgäste, derzeit herrscht Notbetrieb"

S-Bahn München

Viele Bahnsteige waren wegen des S-Bahn-Chaos überfüllt - der Verkehr war nahezu den ganzen Tag über lahmgelegt.

(Foto: Robert Haas)

Ein Kurzschluss zwischen Laim und Pasing hat den S-Bahn-Verkehr den ganzen Tag über lahmgelegt - und die Fahrgäste frustriert. Aber es gab noch mehr Pannen bei U-Bahn und Tram.

Von Thomas Schmidt

Kleine Ursache, gewaltige Wirkung: Ein Oberleitungsschaden hat am Mittwoch ein Verkehrschaos ausgelöst - nicht nur im morgendlichen Berufsverkehr. Die Stammstrecke, der Flaschenhals des Münchner S-Bahn-Netzes, war den gesamten Tag über betroffen, Hunderte Züge fielen aus, Tausende Pendler mussten Verspätungen hinnehmen. Die ohnehin schon missliche Situation wurde durch einen Defekt bei der U-Bahn, den Streik am Flughafen und eine kaputte Brücke zusätzlich verschärft.

Die Probleme begannen früh. Um 6.55 Uhr gab es einen Kurzschluss in der Oberleitung der S-Bahn-Trasse zwischen Laim und Pasing. Was ihn verursachte, wissen die Bahnmitarbeiter noch nicht. Man habe weder einen toten Vogel noch einen Ast finden können, berichtet ein Sprecher. Die freigesetzten Kräfte aber waren so heftig, dass die Oberleitung riss und auf die Gleise fiel. Ohne Strom blieb eine S-Bahn auf freier Strecke liegen. Die gestrandeten Fahrgäste wurden von einem Zug auf dem Parallel-Gleis abgeholt, dann schleppte eine Diesellok die liegen gebliebene S-Bahn aus dem stromlosen Abschnitt.

Die Reparatur der Oberleitung dauerte bis 15.20 Uhr am Nachmittag. Lahmgelegt war bis dahin zwar nur ein kurzer Abschnitt zwischen zwei Stationen; da aber die meisten S-Bahnen aus dem Münchner Westen in Pasing in die Stammstrecke einfädeln, war auf einen Schlag das gesamte Netz betroffen. Von 6.55 bis 11 Uhr waren beide Gleise zwischen Laim und Pasing gesperrt.

Glücklich, wer es mit Humor nehmen konnte: "Liebe Fahrgäste, derzeit herrscht Notbetrieb", vermeldete ein Lokführer in einem Zug kurz vor neun Uhr. "Es gibt nur zwei Linien, die durch die Stammstrecke fahren: die S 7 und die S 2. Das ist die, wo Sie drin sitzen. Glück gehabt. Hurra!" Im Laufe des Tages kamen zwei weitere Linien hinzu. Um der Lage wenigstens einigermaßen Herr zu werden, versuchte die Bahn, Fahrgäste mit Regionalzügen zum Hauptbahnhof zu bringen. Doch die waren schnell hoffnungslos überfüllt. Der Regionalverkehr aus Richtung Allgäu und Augsburg war am Morgen zeitweilig selbst von der Störung betroffen.

Erleichterung hätte die S 1, die erst in Laim in die Stammstrecke einbiegt, bringen können - nur nicht derzeit. Wegen eines Lkw-Unfalls in Moosach ist eine Bahnbrücke über der Dachauer Straße noch immer gesperrt, die S 1 endet in Feldmoching. Während die beiden Flughafen-Linien S 1 und S 8 auch wegen des Lufthansa-Streiks vergleichsweise leer waren, ging es im Hauptbahnhof deutlich enger zu. Hunderte Reisende stiegen vom Flugzeug auf den Zug um, vor allem die Wagen nach Frankfurt und Berlin waren so voll, dass viele Fahrgäste stehen mussten.

Zum allgemeinen Chaos kam dann auch noch eine Störung bei der U-Bahn hinzu. Ein defektes Bauteil verursachte in der Station Kolumbusplatz eine Stellwerkstörung. Die Linien U 1 und U 2 fielen von 7.30 bis 8 Uhr aus. Kurz darauf aber gab es schon die nächste Störung: Gegen 9 Uhr bog ein Autofahrer von der Offenbach- in die Landsberger Straße ein und übersah eine Straßenbahn der Linie 19. Er krachte gegen die Tram, die Strecke zwischen Willibaldplatz und Pasing Bahnhof, auf die viele gestrandete S-Bahn-Fahrer ausweichen wollten, musste bis 9.30 Uhr gesperrt werden.

Wer die öffentlichen Verkehrsmittel mied, konnte aber auch auf der Autobahn Pech haben. Gegen 10.35 Uhr rutschte auf der A 9 nahe der Anschlussstelle Garching Süd ein Container mit Holzabfällen von der Ladefläche eines Lastwagens. Drei von vier Fahrspuren waren blockiert, die A 9 wurde bis zum Mittag teilweise gesperrt. Verletzt wurde niemand.

Die defekte Oberleitung, mit der all der Ärger begonnen hatte, war zwar nach acht Stunden wieder repariert, Verspätungen gab es aber bis in den Abend hinein. Ein Bahn-Sprecher ging davon aus, dass der Berufsverkehr an diesem Donnerstag wieder glatt laufen sollte. Was bleibt, ist der Frust Hunderter Fahrgäste. "Was ist das überhaupt für ein Bürgermeister", rief einer am Morgen genervt am Bahnsteig, "dass Pasing noch keine U-Bahn hat?"

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