Legenden-Jazz:Vorwärts im Geist der Gegangenen

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Der Neue im Schlaglicht: Bugge Wesseltoft (vorne) bildet mit den Ex-e.s.t.-Mitgliedern Dan Berglund und Magnus Öström das Trio "Rymden". (Foto: Oliver Hochkeppel)

"Rymden" und Fred Wesley in einem wiedererwachten Bayerischen Hof.

Von Oliver Hochkeppel

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - deren sonst bei Konzerten oft nicht direkt wahrgenommenes Geflecht war an den ersten beiden Novemberabenden im Nightclub des Bayerischen Hofs präsent wie selten. "Das letzte Mal waren wir vor langer Zeit hier, da waren wir zwölf", scherzten Magnus Östöm und Dan Berglund eingangs ihres Auftritts mit Rymden . Eine kurze Recherche ergab, dass es 1998 war, an der Seite von Esbjörn Svensson - allerdings als Begleittrio von Viktoria Tolstoi und noch nicht als bahnbrechendes Esbjörn Svensson Trio. Nachdem sie den schockierenden Unfalltod Svenssons 2008 lange mit eigenen Projekten verarbeitet hatten, fanden Öström und Berglund vor fünf Jahren wieder zu einem Trio zusammen, nun mit Bugge Wesseltoft, dem norwegischen Elektronik-Jazz-Mastermind an den Tasten.

Natürlich schwebt der Geist von Esbjörn Svensson trotzdem über so einem Projekt, vor allem in den Köpfen der Besucher. Zumal einem das markante, gern mit Effekten arbeitende Bassspiel Berglunds und das spröde, auf Wirkungstreffer zielende Schlagzeug Öströms von damals bekannt vorkommt. Doch schnell wurde im Bayerischen Hof klar, dass Rymden nicht das neue e.s.t., sondern etwas Eigenes ist. Weil sich die Prog-Rock-Vorlieben Öströms und Berglunds stärker Bahn brechen, vor allem aber, weil deren Bandsound stark von Wesseltofts Ideen geprägt ist. Die bilden sich weniger im dynamischen Steigerungsprinzip ab, das e.s.t. groß gemacht hat, sondern im Kontrast zwischen Lyrischem und einem psychedelisch-avantgardistischen Ton, der den Synthesizer und den Fender Rhodes gegenüber dem Flügel bevorzugt. Rymden klingt so wie eine Bestandsaufnahme der "nordischen" Fusion der vergangenen Jahrzehnte, von der aus forsch und zukunftsgewandt ausgeschritten wird.

James-Brown-Posaunist Fred Wesley hatte Spaß bei seiner "House Party" im Nightclub des Bayerischen Hofs. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Ein großer Geist schwebte auch tags darauf im Saal. Wer, das macht Fred Wesley schon mit dem Namen seiner Band klar: The New JB's. Er, Maceo Parker und Pee Wee Ellis bildeten ja einst die legendäre Horn Section von James Brown, klar also, dass der Funk des "Godfathers of Soul" die Leitlinie des Abends liefern würde. Doch auch Wesley ist nicht im Gestern stecken geblieben. Assistiert von seinem famosen Sextett schwingt sich der 79-Jährige zu einem altersklugen Entertainer auf, der nicht nur Posaune spielt, sondern auch rappt, singt und mit dem Publikum Späßchen treibt. Und der die Funk-Klassiker wie "The Chicken" (bei dem der Münchner Schlagzeuger und langjährige Pee Wee Ellis-Begleiter Guido May einsteigen durfte) mit Swing-Zitaten, klassischem West-Coast-Schmalz und Hardbop garniert. Eine dampfende "House Party" (das gleichnamige Stück ist traditionell die Schlussnummer) ergab das. Und apropos Haus: Nach langer Durststrecke war der Nightclub mal wieder richtig gut besucht, bei Wesley sogar voll. Aus der Asche ist also doch wieder ein Feuer erwacht, das weitergetragen wird. Schön.

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