Süddeutsche Zeitung

Rusticana:Im Haus der Steaks und Sparerips

Das Restaurant Rusticana ist ein Haus der Fleischeslust. Wen dabei das schlechte Gewissen plagt, der ist hier falsch am Platz.

Ivan Lende

Die Parkplätze sind noch da, gebührenfrei sogar. Auf der Brache von früher steht ein selbst für diese Gegend hässlicher Büroneubau, ein paar Häuser weiter, dort, wo einst der Jazzclub Unterfahrt zuhause war, ist ein Thailänder eingezogen. Doch das Schild über dem Eingang Grillparzerstraße 5 sieht noch genauso aus wie früher: weiße Schrift auf grünem Grund.

Es ist dies, das erschließt sich aus diesen Beobachtungen, eine Zeitreise für Lende, eine Reise in die mittlerweile ferne Vergangenheit, in der das Bafög zum Sparen zwang und man dennoch zwei Mal in der Woche ins RUSTICANA ging, um die damals zweifelsfrei besten Spareribs der Stadt und des Landes, wenn nicht der ganzen Republik zu verspeisen. Rückblickend bleibt unter anderem das Rätsel, wie man sich das damals hatte leisten können.

Es sind Dekaden vergangen seit jener Zeit, in der man den Käfer noch für 30 Mark volltanken konnte. Lende, der damals nicht daran dachte, jemals Lende zu heißen, kam auch später immer mal wieder hierher, und es war jedes Mal eine Rückkehr in die Heimat. Die Spareribs schmeckten, wie sie nur schmecken können, wenn das Rezept aus New Orleans stammt, so wie es der Partner der Wirtin Anfang der siebziger Jahre mitgebracht hat: die Rippen im Sud vorgekocht, die Soße - ein streng gehütetes Geheimnis.

Vom Exotikum zur Allerweltsspeise

Das Arme-Leute-Gericht aus Amerikas Süden hatte damals noch den Touch des Exotischen, wenngleich das Rusticana ein Ambiente bot, das so gar nicht zu Louisiana passte mit Pferdehalfter, Holzskiern, einer (Gott sei Dank selten benutzten) Ziehharmonika an der Wand, an die auch Fotos von damals prominenten Gästen gepinnt waren, eine junge Rosi Mittermaier etwa, ein ebenso junger Helmut Fischer und diverse Fußballspieler, vornehmlich des damals noch fußballrelevanten TSV 1860 München.

Wenn nun also der einstige Gast wiederkehrt in ein Lokal, in dem er einst eine Wette gegen die Wirtin gewann, in der es darum ging, ob er in der Lage sei, für sie bis Weihnachten einen Pullover zu stricken (der Pommery schmeckte sehr annehmbar), dann durchaus auch mit einer gewissen Angst vor einer Enttäuschung. Haben sich doch gerade die Spareribs vom Exotikum zur Allerweltsspeise gewandelt, die in oft minderer Qualität in jedem Biergarten zu haben ist, mit Fertigsoße aus dem Plastiktopf und wenigem, aber zähen Fleisch am Knochen.

Himmel voller Fleisch

Die Tür geht immer noch etwas schwer auf - und dann ist alles wieder, wie es war. Fast alles. Die Wirtin ist immer noch blond, aber neu; am Grill steht ein Mann, der kleiner ist als der damals, er könnte aber auch aus New Orleans stammen. Die Bar ist nach wie vor Zentrum des kleinen Restaurants. Und vom Pferdehalfter bis zu Unser-aller-Gold-Rosi ist alles an seinem Platz.

Spareribs also. Die Portion für 12 Euro (die Preise von einst, sie sind vergessen). Dazu ein gepflegtes Spaten. Es dauert keine zehn Minuten, dann ist der Himmel voller Fleisch. Volle, unendlich saftige Rippchen, aus denen sich die Knochen wie von selbst schälen, binnen Sekunden sind Hände und die ganze Gegend rund um die Lippen verschmiert mit köstlichster, leicht nach Honig und Chili schmeckender Soße. Und nachdem die Portion verputzt ist, bleibt eine halbe Ofenkartoffel übrig, weil einfach nicht mehr hineinpasst in Lendes Magen.

Weil aber Amerika nicht nur aus Louisiana besteht, sondern auch aus Texas und Oregon, gibt es (wie damals) eine exorbitante Auswahl an Steaks, die zu testen ebenso Ehrensache ist. Als Lende erstmals in New York weilte, fragte er nach dem besten Steaklokal der Stadt, man schickte ihn - zu Recht - ins Palm Too in der Second Avenue, nahe der Uno. An diesen Abend dachte er wieder in der Rusticana angesichts des Filetsteaks (23,90), des 350 Gramm mittelschweren Rib Eye Steaks (19,90) oder der Filetspitzen (20,90). Einzig die hier beigegebene Soße könnte möglicherweise von außen zugeliefert sein, wogegen die Zwiebel auf dem gleichnamigen Steak (17,90) auf den Punkt gebraten waren. Und wer einen Fleischhasser hierher mitnehmen will, der möge ihm die Riesengarnelen empfehlen, mit 21,50 Euro an der oberen Grenze des dort gültigen Preis-Leistungsverhältnisses, aber außen leicht knackig, innen zart, perfekt.

Man sieht die Bedienungen riesige längliche Holzteller mit gigantischen Spareribs-Portionen herumbalancieren, das Rusticana ist ein Haus für Stammgäste, die oft in großen Gruppen auftauchen und auch den Lärmpegel weit nach oben jagen. Der lärmende Frohsinn entsteht auch dank der eindrucksvollen Schnaps-Tabletts, denn der Willi zur Verdauung der carnivorischen Exzesse ist hier nahezu obligat. Es ist kein Haus des Weines, dies kann man ruhig auch als Warnung verstehen. Es war und ist ein Haus der Fleischeslust. Wen deswegen das schlechte Gewissen plagt, der ist hier falsch am Platz.

RUSTICANA, Grillparzerstraße 5, Telefon: 4703887, www.steaks-spareribs-rusticana-muenchen.de. Geöffnet täglich ab 18 Uhr, Sonntag ab 17.30, Küche bis 24 Uhr.

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SZ vom 29.09.2008/jh
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