Ruhestand:Das letzte Kulturbonbon ist gelutscht

Ruhestand: In der Artothek in Garching stellte Wolfgang Windisch Künstler aus der Umgebung aus und verlieh deren Bilder an die Bürger.

In der Artothek in Garching stellte Wolfgang Windisch Künstler aus der Umgebung aus und verlieh deren Bilder an die Bürger.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wolfgang Windisch, Garchinger Kulturreferent, geht in Rente

Von Gudrun Passarge, Garching

Der Garchinger Überraschungsabend hat sich bis nach Wien herumgesprochen, bis zu Rainhard Fendrich und dessen Agentur.

Der Sänger war im Winter 2010 für ein Konzert in der Münchner Philharmonie gebucht, und die Agentur meldete sich beim Garchinger Kulturreferenten Wolfgang Windisch mit der Anfrage, ob der Liedermacher nicht auch beim sogenannten Kulturbonbon auftreten könne - eine Veranstaltungsreihe, bei der die Menschen Tickets kaufen, ohne zu wissen, was sie am Abend erwartet. Diese Idee fand Fendrich charmant, von seinem Auftritt schwärmt man in Garching noch heute.

Das letzte Kulturbonbon ist gelutscht, es ist das Ende nicht nur einer sehr erfolgreichen Veranstaltungsreihe, sondern einer Ära. Wolfgang Windisch, Kulturreferent in Garching seit 1996, hat am 30. März seinen letzten Arbeitstag. Nach gut 22 Jahren verlässt er die Universitätsstadt, wenigstens beruflich, mit zwei weinenden Augen, wie er sagt, "denn ich hab' es schon sehr gerne gemacht".

Dabei hat Windischs Karriere ganz anders begonnen. Er studierte Schlagzeug, war Bühnenmusiker an den beiden großen Münchner Theatern und spielte unter anderem in der Band von Konstantin Wecker, komponierte selbst und war musikalischer Leiter an verschiedenen Theatern. Doch gerade für einen Freiberufler seien die Bedingungen mit der Zeit immer schwieriger geworden, sagt Windisch. Deswegen die Überlegung, umzusteigen. Kulturreferent war jetzt nicht etwas ganz Abseitiges, "ich bin ja nicht Schweißer geworden", sagt er, trotzdem: "Es war ein Sprung ins kalte Wasser."

240 Konkurrenten

Einer, für den er in Garching mehrere Anläufe brauchte, denn die erste Bewerbung hat er schon 1994 abgegeben. 1996 setzte er sich dann gegen 240 Konkurrenten durch, unter anderem mit einem Vortrag vor dem Stadtrat. Windisch selbst glaubt, er habe damals den Zuschlag erhalten, weil er sich zuvor gründlich mit den Gegebenheiten in Garching auseinandergesetzt habe. Gleichzeitig hatte er betont, nicht alles umkrempeln zu wollen.

Wie dem auch sei, er lenkte die Geschicke der Garchinger Kultur, ohne dass ihm jemand reinredete. Er setzte sich mit Kalkulationen und Verwaltungsangelegenheiten auseinander und nutzte seine Netzwerke. Außerdem gab es Kataloge, aus denen er Veranstaltungen wählen konnte. An die 2500 waren es während seiner Zeit als Kulturreferent, nur circa fünf hat er verpasst. Ansonsten hat er sich alle Aufführungen im Bürgerhaus und im Römerhoftheater angeschaut und die Pausen genutzt, um Gespräche mit den Zuschauern zu führen.

Dabei habe er festgestellt, dass Kultur für die Leute "eine Wohlfühlgeschichte" ist. Etwa zu 60 Prozent würde die Bühnenleistung bewertet, zu 40 Prozent das Drumherum. Schmutz im Foyer? Geht gar nicht. Zu kalt im Saal? Unmöglich. Das Essen vom Catering nicht gut? Ein Minus-Punkt.

Er habe sich stets bemüht, ein buntes Programm zu gestalten, wo für jeden etwas dabei ist, sagt Windisch. Sprechtheater allerdings sei inzwischen nicht mehr so beliebt. Gute Schauspieler zögen allerdings immer noch. Sehr gerne erinnert sich Windisch vor allem an die Kulturbonbon-Abende. Zum ersten Überraschungsauftritt kam Senta Berger mit einer Lesung, viele Berühmtheiten wie etwa Gregor Gysi, Dieter Hildebrandt oder Roger Willemsen folgten, aber auch einige unbekanntere Künstler. Sehr beeindruckt war der Kulturreferent etwa von einem Hypnotiseur, der von der Massenhypnose des Publikums bis zur Einzelhypnose einen furiosen Auftritt hinlegte. Windisch hatte extra darum gebeten, der Hypnose zu entgehen. Trotzdem musste auch er auf die Bühne. Er diente als Michael Jackson, für den einige der hypnotisierten Frauen tanzen sollten - was sie auch taten.

Windisch schätzt die positive Erfahrung, in Garching die Möglichkeit gehabt zu haben, Kultur zu gestalten. Da waren seine Erlebniskonzerte, in denen passend zur kubanischen Musik als Fidel Castro verkleidete Mitarbeiter das Publikum am Einlass kontrollierten. Oder die Artothek, in der er Künstler aus der Umgebung ausstellte und deren Bilder an die Bürger verlieh. Da waren Veranstaltungen mit Garchinger Vereinen. Beim Straßenfest achte er etwa immer darauf, Garchinger Bands auftreten zu lassen, sagt Windisch.

Raum für die Garchinger Kultur

Er kennt den Vorwurf mancher Kreativen, er habe der Garchinger Kultur nicht genügend Raum eingeräumt. "Das weise ich zurück." Wer immer die Spielstätten habe nutzen wollen, habe auch reingekonnt. "Alle, die nur irgendetwas auf die Beine stellen wollen, sind da berücksichtigt", sagt er mit Blick auf die Programme der vergangenen Jahre.

Natürlich hätte Wolfgang Windisch noch viel zu erzählen. Von Werner Schneyder, der ihn sehr beeindruckt habe. Von Künstlern, die in Garching an der Alz gestrandet waren. Vom Festzug zur 1100-Jahr-Feier in Garching, die er akribisch vorbereitet hat. "Zufälle mag er nicht", sagt etwa der Garchinger Bürgermeister Dietmar Gruchmann über ihn. Und mit diesem Festzug habe er sein "absolutes Meisterstück" abgeliefert. Windisch habe den Namen der Kulturstadt Garching wirklich geprägt und hochwertige Programme auf die Bühne gebracht. Gruchmann glaubt, Windisch werde seine Beine auch im Ruhestand nicht stillhalten können.

Wohin ihn seine Beine führen werden, weiß der Kulturreferent noch nicht genau. Windisch wird für die Waldbühne-West in Großhadern auf Wunsch des Wirtes die Künstler für die Kleinkunstbühne aussuchen. Und er wird, da er ja in Garching lebt, ab und zu mal eine Kulturveranstaltung besuchen, die dann sein Nachfolger Thomas Gotterbarm organisieren wird. "Ich werde mir die Rosinen rauspicken", sagt er. Vielleicht wird er auch Musik machen, zusammen mit seinem zwölfjährigen Sohn, der Schlagzeug spielt. Vater Windisch hat extra Gitarre gelernt, denn wenn beide Schlagzeug spielen, bringt das ja wenig.

In einer Band zu spielen, das lehnt der 66-Jährige ab. "Wenn Sie mal Profi waren, machen Sie nicht Amateur-Band." Noch hat er ein bisschen Zeit zu überlegen. Am 30. März ist die letzte Aufführung unter seiner Ägide. Die Blues Brothers im Theaterzelt. Wird danach gefeiert? Klar, sagt Windisch. "Feiern kann ich."

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