Süddeutsche Zeitung

Roxette in München:Einmal Achtziger und zurück

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Lange haben die Fans darauf warten müssen: Das schwedische Pop-Duo "Roxette" ist wieder auf großer Deutschland-Tournee. Zum Auftakt in München zelebriert es alle ihre großen Hits - und lässt sich nicht einmal von einem Sound stören, der verstörend an alte Olympiahallen-Zeiten erinnert.

Oliver Hochkeppel

Einige Fragen blieben offen nach dem Roxette-Konzert. Zum Beispiel, warum die Olympiahalle beim lange erwarteten Comeback des schwedischen Erfolgsduos halb leer blieb - obwohl doch der Gastauftritt bei der "Night of the Proms" vor zwei Jahren und das zufriedenstellend verkaufte neue Album mehr Zuschauer erwarten ließ. Länderspiel, warmes Wetter? Vermutlich ist derzeit einfach schon wieder zu viel los in München.

Irritierend überdies, dass der Sound wieder an alte Olympiahallen-Zeiten vor den computergesteuerten Bananenboxen erinnerte: verwaschen, dumpf und viel zu hallig, obwohl doch obendrein der hintere Teil abgehängt war, was dem Klang normalerweise sehr zugutekommt. Rätseln konnte man auch, ob das Roxette-Management die Vorband bewusst nach dem Motto ausgesucht hatte: "Nehmen wir eine, die uns ganz sicher nicht gefährlich werden kann." Denn Mobilee ist ein überflüssiger, misslungener Plagiatsversuch, der sich an den Erfolg einer Düsseldorfer Abiturientin klemmen will, ohne irgendeines von deren Talenten mitzubringen.

Nichts erinnert an die Vergangenheit

Als Roxette dann loslegte, stellte sich die Frage, wie verbissen Marie Fredriksson mit der Vergangenheit abgeschlossen hat. Nichts erinnerte daran, dass der 2002 bei ihr diagnostizierte, fast tödliche Gehirntumor und das folgende behutsame Wiederherantasten an das Musikgeschäft die Band fast ein Jahrzehnt gekostet hat.

Noch bei der "Night of the Proms" hatte sie so zerbrechlich wie aus Glas gewirkt. Kein Wort war ihr das jetzt wert, und auch kein einziges Bild erinnerte an die Vergangenheit: keine Leinwand, kein Monitor, keine Videos, nicht einmal eine Fotoprojektion - das dürfte es bei einer großen Band in der Olympiahalle lange nicht gegeben haben.

Roxette pur lautete also das Programm - und das wiederum beantwortete einige Fragen. Zum Beispiel, wie wichtig das Songwriting im Pop wirklich ist. Sowohl Marie Fredriksson wie auch Per Gessle hatten und haben in Skandinavien und darüber hinaus eindrucksvolle Solo-Karrieren, Gessles mehrfach wiedervereinigte Band Gyllene Tider ist in Schweden fast eine Legende. Doch um weltweit die Hallen zu füllen und 75 Millionen Platten zu verkaufen, dazu braucht es genau solche Songs, wie sie Gessle für Roxette schreibt.

Vier Zeilen sind es meist, die das ganze Geheimnis in sich bergen, das verdeutlichten bereits die Eröffnungsstücke. Ob bei "Dressed For Success" oder "Sleeping In My Car", vier Liedzeilen transportieren eine schlichte, aber griffige Melodie, die dann alle Möglichkeiten eröffnet.

Mal ist Maries immer noch strahlende Stimme das Medium dieser "Hookline", mal ist es Pers nach wie vor naiv und natürlich wirkende Schülerkehle - manchmal funktioniert es auch im Call-and-Response-Muster. Mal kommt das ganze flott und gerne hart daher ("How Do You Do!"), mal als Edelballade ("It Must Have Been Love" war ganz hart an der Kitschgrenze).

Mal kleidet die siebenköpfige Band - fast alle alte schwedische Weggefährten, die das Programm wahrscheinlich ohne Probe beherrscht hätten - dieses Gerüst mit Synthie-Flächen und Gitarrenriffs aus, mal lassen Marie und Per den Song als intimes Duett ("Things Will Never Be The Same") stehen.

Das Publikum ist textsicher

Bei zwei oder drei Stücken ist die Halle aufgefordert, die bewussten vier Zeilen ganz alleine zu singen. Dass das funktioniert, zeigt die Qualität von Gessles Pop-Ideen. Seit ABBA hat keine skandinavische Band diesen handwerklich begründeten musikalischen Populismus so perfekt beherrscht. Das bescherte selbst noch einer räumlich, klanglich wie optisch reduzierten Olympiahalle einen mehr als unterhaltsamen Abend. Marie Fredriksson schließlich wirkte, so mager sie nach wie vor ist, restlos erholt.

Auch ihre Kraft reichte locker für einen fünfteiligen Zugabenblock Inklusive "The Look", des ersten großen Hits von 1988, der ihre Karriere begründete. Mit der scheint es munter weiterzugehen - Gessle arbeitet angeblich schon an einem neuen Programm.

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