Süddeutsche Zeitung

Rossini:In Dietls Wohnzimmer

Es gibt das Rossini wieder. Acht Monate nachdem das berühmte Romagna Antica zugemacht hat, hat Fabrizio Cereghini nun ein neues Restaurant. Und dieses Mal heißt es wirklich Rossini - wie im Film. Wir haben es getestet.

Christina Maria Berr und Beate Wild

Die Gesichter der Gäste kommen einem irgendwie bekannt vor. Ist das nicht ein Schauspieler? Es ist, wie es immer war im Lokal von Francesco Cereghini - und ein bisschen wie in dem Film "Rossini".

Zehn Jahre ist es her, dass der Film von Regisseur Helmut Dietl, gedreht im damaligen Lokal von Cereghini, über die Leinwand flimmerte. Dietl hatte "seinem zweiten Wohnzimmer" - wie er seinen Lieblingsitaliener Romagna Antica nannte - ein Denkmal gesetzt. Vor acht Monaten schloss dann das legendäre Restaurant. Nun hat Fabrizio Cereghini ein neues Lokal eröffnet - und es Rossini genannt. Grund genug, um mal auszuprobieren, ob es hält, was der Name verspricht.

Die neue Adresse für Regisseure, Produzenten, Autoren, Schauspieler oder auch Otto-Normal-Gäste ist die Türkenstraße 76, mitten in der Maxvorstadt. Schon über der Türe prangert der rote Rossini-Schriftzug - das Original aus dem Film. Das neue Restaurant von Cereghini ist wesentlich kleiner als sein altes Romagna Antica, es ist noch mehr ein Wohnzimmer geworden.

An elf kleinen Tischen sitzen die Gäste in dem schlichten Lokal. Es erinnert ein wenig an ein französisches Bistro. In der Mitte hängt ein Kronleuchter, an den Wänden findet man Ornamente, an der Rückseite des Raumes gibt es eine Bar.

Der Gast wird von Cereghini und seiner Lebensgefährtin Sabine Nasswetter charmant und zuvorkommend empfangen. Cereghini scherzt ein bisschen mit den anwesenden Damen, das kommt an. Möchten Sie einen Aperitif?

Na klar! Ein Kir Royal muss es sein - zum Anstoßen auf den geistigen Vater des "Rossini", Helmut Dietl, der ja auch einst mit Kir Royal die Münchner Society treffend skizzierte. Neun Euro kostet das Getränk aus Champagner und Creme de Cassis. Ein Klassiker aus den 80ern. Na denn: Cheers!

Als Vorspeise wählen wir Minestrone (sechs Euro) und Vitello Tonnato (11,50 Euro). Die Gemüsesuppe ist einwandfrei, Karotten, Erbsen, Sellerie - besonders originell ist sie nicht, aber klassisch. Das Vitello Tonnato ist köstlich, genau wie es gehört: Gekochtes Kalbfleisch, Thunfischsoße, Kapern.

Zwischendurch tauchen Cereghini oder seine Freundin immer wieder am Tisch auf und fragen nach, ob auch alles in Ordnung wäre. Nett, um das Wohl des Gasts besorgt, ohne aufdringlich zu sein. Bei den Hausweinen hat man eine Auswahl zwischen Chardonnay oder Bianco di Custoza. Wir wählen letzteren (fünf Euro für 0,2 Liter ). Ein leichter, trockener Weißwein aus Venetien. Für einen Hauswein sehr in Ordnung.

Auf der Karte sind nur etwa 20 Gerichte (Vorspeisen zwischen sechs und zwölf Euro, Hauptgerichte zwischen 19 und 21 Euro, die Flasche Wein zwischen 26 und 79 Euro). Die Entscheidung fällt trotzdem schwer. Man möchte eigentlich alles, aber wirklich alles probieren. Warum also nicht aus der Not eine Tugend machen und den Besitzer testen. Wir möchten zwei Hauptgerichte teilen - Fisch und Fleisch - und auch noch nacheinander serviert bekommen. Der Wirt macht's mit und serviert erst Loup de mer und Lammkoteletts (beides 19 Euro).

Der Fisch kommt schon filetiert und mit einem Beilagensalat, das Fleisch mit Gemüse und Rosmarinkartoffeln. Die Seewolffilets sind saftig, aber wenig gewürzt, der Salat nichts besonderes. Das Lamm ist hingegen perfekt: Innen rosa, außen kross. Das Kartoffelgratin zergeht auf der Zunge und das beiliegende Gemüse ist knackig und frisch. Es schmeckt wirklich sehr gut, wobei die Portionen nicht übertrieben groß sind und man bei etwas größerem Appetit auf alle Fälle Pasta als Vorspeise essen sollte.

Zum Nachtisch gönnen wir uns dann noch eine weiße Mousse-au-chocolat mit Mohn (6,50 Euro). Ein Dessert zum Dahinschmelzen! Locker, luftig, cremig und schmeckt wirklich nach weißer Schokolade und Mohn. Der als Digestif gereichte Sherry (5,50 Euro) rundet das Ganze perfekt ab.

Auch wenn das Lokal nicht gerade groß ist, hat jeder Tisch trotzdem seine Intimsphäre, sprich: Man kann sich unterhalten, ohne dass die Nachbarn alles mitkriegen. Naja, fast alles: "Ich kenn' Sie doch irgendwo her! Aus dem Fraunhofer Schoppenstüberl?", fragt plötzlich eine Dame am Nachbartisch - so ist München, so ist's schön.

Das Publikum ist etwas älter, die meisten Gäste sind über 50, die Männer kommen in Anzügen, die Damen im schicken Legerlook. Am Fenster sitzt eine Gruppe 30-Jähriger Frauen, das fällt auf.

Das Rossini ist kein Durchschnittsitaliener und eher etwas für den größeren Geldbeutel. Dafür kann man dort aber auch einen schönen, entspannten Abend mit leckerem Essen genießen. Und ein bisschen in den Rossini-Film-Erinnerungen schwelgen. Doch wir vermuten, das neue Rossini wird bald wieder legendär sein - auch ohne Helmut Dietl.

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