Ron Williams:"Das N-Wort, das kam jetzt zum ersten Mal"

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Ron Williams fühlt sich, unbeeindruckt von Beleidigungen aus Baden-Württemberg, in seiner Heimat München pudelwohl. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Münchner Entertainer Ron Williams war schon öfter mit rassistischen Beleidigungen konfrontiert. Nach einem besonders schlimmen Fall setzt er sich juristisch zur Wehr - unterstützt von Alt-OB Christian Ude.

Von Oliver Hochkeppel

Täglich um 18 Uhr läuft im Bayerischen Fernsehen die "Abendschau", und so fiel sie am Dienstag mit der Inauguration des US-Präsidenten Joe Biden zusammen. Ein Ereignis von einer Dimension, dem auch eine auf Bayern konzentrierte Sendung nicht entkommen kann, und so holte man den dafür idealen Studiogast: Ron Williams, seit mehr als 50 Jahren Münchner, aber nach wie vor amerikanischer Staatsbürger.

Der 78-Jährige hätte auch gut den üblichen Showteil bestreiten können, ist er doch eine Entertainment-Allzweckwaffe: Er war der erste schwarze Radiomoderator in Deutschland, der erste Afroamerikaner in einem deutschen Kabarettensemble (dem Stuttgarter Renitenztheater) und als Stand-up-Comedian, Parodist (Ronald Reagan war eine seiner Paraderollen, alle späteren Präsidenten hat er ebenso gut drauf) und Film- und Fernsehdarsteller (unter anderem in der letzten Staffel der "Lindenstraße") ebenso erfolgreich wie als Sänger im Blues-, Soul- und Jazz-Fach. Seit einigen Jahren ist er außerdem auf musikalisch-biografische Shows über schwarze Heroen abonniert, von Martin Luther King bis Nelson Mandela und von Harry Belafonte bis Ray Charles.

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In der Abendschau konnte man Williams freilich nur kurz als - zwischen Coronamaßnahmen und Kükentötung gequetschten - Kommentator der amerikanischen Großwetterlage erleben. Nachdem er anfangs seine Freude über den Abgang Trumps ("die böse Hexe ist tot") zum Ausdruck brachte, ging es im abschließenden Talk mit Moderatorin Julia Scharf logischerweise um den Rassismus als Grundübel der amerikanischen Gesellschaft. Er hoffe, dass nun Amerika die Chance zur Aufarbeitung seiner bösen Vergangenheit bekomme, so wie Deutschland nach dem Nationalsozialismus, schloss Williams. Wegen der Kürze der Zeit kam allerdings nicht zur Sprache, dass Williams erst vor ein paar Tagen selbst mit dem nach wie vor existierenden Rassismus in Deutschland konfrontiert worden ist.

Alt-OB Ude formulierte die Strafanzeige für Williams

Nach einem ähnlichen Auftritt als Gast bei Sandra Maischberger vor zwei Wochen hatte Williams eine Mail bekommen, in der er als "Nigger" beschimpft wurde, der lieber dort leben solle, "wo er herkommt, als sich in Deutschland so erbärmlich im Fernsehen zu präsentieren und hier sein Geld zu verdienen." Unterzeichnet von einem "Dr. Martin Schmitt" aus Augsburg, den es natürlich nicht gibt. Nun ist Williams einiges gewohnt, angefangen mit einer harten Zeit als erster schwarzer Militärpolizist in den Südstaaten, in Deutschland dann von den Anfeindungen bei der legendären Premiere des Musicals "Hair" in München 1968, wo er den "Hud" spielte, bis zum Polizeischutz, den er 2004 bei den Luisenfestspielen in Wunsiedel benötigte, nachdem er für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz bekommen hatte. "Es gab immer wieder mal unschöne Briefe oder Anrufe," berichtet er, doch zumeist Sachen, die er einfach an sich abperlen ließ. Doch "das N-Wort, das kam jetzt zum ersten Mal." Und so stellte er zum ersten Mal Strafanzeige - "weil mich, nachdem ich es auf Facebook gepostet hatte, mein Freund Christian Ude dazu gedrängt und mir auch Frau Maischberger dazu geraten hat."

Als Jurist formulierte der Alt-OB Ude auch die Strafanzeige für Williams. Und ließ sich darin zitieren, "dass derartige eindeutig rassistische Entgleisungen und Einschüchterungsversuche in den letzten Monaten erheblich zugenommen haben und offensichtlich Mitbürger dunkler Hautfarbe mundtot machen sollen." Gerade als prominenter Mitbürger mit Bundesverdienstkreuz hätte Williams eine besondere Verpflichtung, diesen extremistischen Rechtsverletzungen wirksam entgegenzutreten, da man dies sonst von Betroffenen ohne diesen Bekanntheitsgrad und diese Unterstützung nicht erwarten könne. "Und damit hat Christian recht", sagt Williams, "er weiß als Vorsitzender des Vereins ,Before', der Opfer von Rassismus berät, wovon er spricht. In einer Zeit, in der die AfD in deutschen Parlamenten sitzt und in der immer mehr antisemitische Anschläge verübt werden, muss man dagegenhalten. Wehret den Anfängen! Außerdem habe ich mir gedacht, wenn ich es nicht mache, wie soll sich dann ein Student oder ein einfacher Arbeiter mit schwarzer Hautfarbe trauen, sich dagegen zu wehren."

Die Anzeige entfaltete schnell Wirkung. Schon nach vier Tagen hatte die Polizei den Täter ermittelt, einen Mann aus Baden-Württemberg, ganz ohne Doktortitel. "Hut ab vor der bayerischen Polizei!" sagt Williams, "der Spruch von ,Lederhosn und von Laptop' stimmt halt doch. Hat mir am Telefon auch ein alter Freund bestätigt, ein pensionierter Oberkommissar: ,Ron, sei froh, dass Du in Bayern lebst, da sind die jetzt bei diesen Sachen echt auf Zack!' Dass man so über die Polizei sprechen kann, war in Bayern früher auch mal anders." Jetzt mahlen erst einmal die Mühlen der Justiz.

"Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht," sagt Williams. "Eine Kollegin von mir, die Operndiva Felicia Weathers, hat mir vorgestern erzählt, dass sie auch schon mal jemanden verklagt hat, der sie mit dem N-Wort beleidigt hat. Der musste eine saftige Geldstrafe bezahlen." Sollte es einen Strafbefehl geben, "hoffe ich, dass es teuer für ihn wird, weil es sich nur so rumspricht, dass es hier null Toleranz gibt." Sollte es gar zu einem Prozess kommen - Beleidigungen sind rechtlich "Bagatellen" - "dann wäre das toll, da wäre ich mit Begeisterung dabei, damit es noch mehr Öffentlichkeit bekommt." Jedenfalls hat Williams seinem Beleidiger inzwischen direkt geantwortet. Kleingeister wie er täten ihm nur leid, schrieb Williams, und wünschte ihm "trotzdem ein erfolgreiches, gesundes 2021 - besonders mentale Gesundheit!"

© SZ vom 22.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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